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Mehr zu Schenkers Beethoven: Bemerkungen zur Klaviersonate As-Dur op. 110
Nach Heinrich Schenkers Bemerkungen zu Ludwig van Beethovens Klaviersonate G-Dur op. 14,2 folgen hier – aus der gleichen Quelle: dem Nachlass der Pianistin Friederike Karger – Anmerkungen zur Sonate As-Dur op. 110. (Eine umfangreichere Anleitung zum Vortrag der Fantasie c-Moll von Mozart ist in der ZGMTH publiziert.) Auch dabei war es Schenkers Absicht, durch genaue Vortragsanweisungen Analyseergebnisse im Klang ausdrücken zu können. Die Klaviertechnik stellte er in den Dienst der Musiktheorie – Fingersätze und Pedalisierungen verdeutlichten musikalische Strukturen und sollten von den Ausführenden keinesfalls willkürlich oder aus Bequemlichkeit gewählt werden.
Wieder sind die Bemerkungen kursorisch und springen scheinbar willkürlich durch die Sätze. Und wieder ist es aufschlussreich, die Aussagen mit Schenkers Ausgabe der Sonate zu vergleichen – in diesem Fall aber auch mit der kommentierten „Erläuterungsausgabe“. Die hier mitgeteilten Mitschriften ergänzen einige Kleinigkeiten dazu.
Heinrich Schenker: Zum Vortrag von Beethovens Sonate op. 110
I. Satz
Zu Beginn sind beim Spiel gleich die verschiedenen Rhytmen [sic] zu berücksichtigen: In T. 1 u. 3 die Führung von einem längeren Wert zu einem kürzeren, umgekehrt in T. 2 u. 4 von einem kürzeren zu einem längeren. Dieser Rhytmus wird auch in den folgenden Takten 5–8 beibehalten.
In T. 3 ist darauf zu achten, daß das vierte Achtel f links, vor der kleinen Aufwallung zum Schluß des Taktes, als Abzug noch behutsam angeschlagen werde. Der Bogen bei der Mittelstimme muß gleichfalls zum Ausdruck gebracht werden. Das geschieht durch eine leichte Beschleunigung zum 3. Achtel hin und durch entsprechendes Zurückhalten vor dem Herabsinken zum 4. Achtel b.
In T. 5 rückt das führende as2 rechts infolge der Klangbrechung auf das letzte Achtel des Taktes, muß aber auch hier noch so viel Klang erhalten, daß es als Synkope verständlich wird.
In T. 6 müßte eigentlich der Vorhalt as2 betont werden; da er jedoch durch as2 des vorigen Taktes vorbereitet wurde, muß er so gespielt werden, als bedeute er nur ein Fortspinnen des vorhergehenden Achtels as2. Dies wird dadurch erreicht, daß as2 in T. 5 mit dem vierten Finger angeschlagen wird, worauf in T. 6 der dritte Finger ganz leise auf den Ton hinrutscht, so daß der Zwischenraum zwischen den beiden as2 kaum hörbar wird. Das Hinsinken zum Abzugston muß durch eine leichte Beschleunigung der Sechzehntel links unterstützt werden.
In T. 5, 7, 9 u. 11 bekommt das 1. Sechzehntel links durch etwas stärkeres Heben der Hand nach dessen Anschlag einen leichten Nachhall. Die 3 Schläge links müssen abnehmend gespielt werden; infolgedessen muß abgesehen von der abnehmenden Stärke auch der beim 5. u. 9. Sechzehntel ebenso wie beim ersten geforderte Nachhall durch entsprechend leichteres Heben der Hand abgeschwächt werden.
In T. 11 wird das erforderliche Zurückhalten zum Schluß des Taktes durch höheres Heben der linken Hand bei den 3 letzten Sechzehnteln erreicht; die Tongebung links muß hiebei ganz dünn und luftig sein.
In T. 38 u. 39 ist darauf zu achten, daß das Zeitmaß der Viertel genau demjenigen der vorhergehenden Viertelschläge in T. 36 gleichkommt. Erst auf dem 3. Viertel von T. 39 (bei Beginn des cresc) wird etwas zurückgehalten.
In T. 40–43 muß die Begleitung so gespielt werden, daß bei jedem Viertel das erste Sechzehntel als Baßton stärker abgestoßen wird, damit die folgenden (die durchwegs mit straff angespannten Fingern anzuschlagen sind) entsprechend elastisch klingen.
In T. 1 ist der Doppelpunkt beim ersten Achtel etwas über seinen Wert auszuhalten, sodann die Hand aufzuheben, damit das folgende Zweiunddreißigstel ganz leicht von oben angefaßt und von hier aus auf das dritte Achtel gespielt werden kann.
In T. 2 ist auf dem dritten Viertel der Vorhalt der Quart ces1 bei der Mittelstimme zu betonen.
Das fes1 auf dem vierten Viertel darf keinerlei Nachdruck erhalten.
In T. 4 sind die ersten Töne des Arpeggio langsam einzuführen, erst ab g wird beschleunigt und ohne cresc auf des2 zugelaufen.
In T. 7 u. 8 ist darauf zu achten, daß die einzelnen Sechzehntel-Triolen nicht aufgezählt, sondern die 1½ Takte, die das Arioso einleiten, als Einheit gespielt werden. Durch den zu- und abnehmende[n] Tonschwall soll nur die Dreiklangsbrechung es c [ces] as gehört werden. Der Tonschwall wird in den nächsten Takt hinübergetragen, wo erst nach dem 1. Sechzehntel links etwas angehalten wird.
In T. 21 ist darauf zu achten, daß die ersten Sechzehntel der Mittelstimme ganz dünn gespielt [werden] und nur das dritte Achtel fes1 einen Nachdruck bekommt. Ebenso in T. 22. Die Oberstimme wird in T. 21 und 22 im Schatten gehalten, um erst in T. 23 hervorzutreten.
Das Arioso schließt in T. 25 auf dem 3. Viertel. Das as auf dem 4. Viertel ist (siehe auch das Pedalzeichen!) gemeinsam mit dem as auf dem 1. Viertel von T. 26 schon als Übergang zur Fuge zu spielen.
Das Tema [sic] der Fuge ist mit ganz dünnem, gleichsam verklärtem Tone zu spielen; nur das jeweilige f bzw. c bei Führer und Gefährten erhält durch leichtes Heben des Unterarms nach dem Anschlag des Tones einen kleinen Nachdruck.
In T. 66–70 muß links der chromatische Gang von Es–G gehört werden!
An der Wende von T. 79 u. 80 ist darauf zu achten, da[ß] links a u b von einander abgetrennt werden.
[Transkription: Christoph Hust]