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Über die Deklamation im 18. Jahrhundert
Anlässlich der Aufführung des Melodrams “Ariadne auf Naxos” von Johann Christian Brandes und Georg Anton Benda an der HMT Leipzig im April 2013 entstand dieser Programmhefttext von Marie Kuijken.
Heutzutage wird in der deutschen Prosodie, also auch beim Vortag oder der Deklamation eines Textes, nicht mehr mit Längen und Kürzen der Silben gerechnet, sondern lediglich mit betonten und unbetonten Silben. Deutsch wird als eine Sprache aufgefasst, in der nur das akzentuierende Prinzip gilt, nicht das quantitierende wie im Altgriechischen und Lateinischen. Im 18. Jahrhundert dachte man anders darüber. Man hat beide Prinzipien im Deutschen klar empfunden und bewusst gelten lassen und in einem speziellen Wissensgebiet, der Metrik, Regeln dazu zusammengestellt. Man wollte verstehen, welche Silben beim Sprechen (eher) lang und welche (eher) kurz seien und welche Verhältnisse zwischen der Dauer und dem Ton einer Silbe wirkten (Betonung oder Tonlosigkeit). Dies alles hatte zum Ziel, bei der Deklamation »Wohlklang und gefällige Bewegung« zu befördern, »der Schönheit wegen, für sich und durchaus« (Johann Heinrich Voß, Zeitmessung der deutschen Sprache [Königsberg 1802], hrsg. von Abraham Voß, Königsberg 1831, S. 3 und S. 109). Man suchte in dem »Gewühl von Wortfüssen […] die höchste, in ihnen mögliche Mannigfaltigkeit« (ebd., S. 108). Friedrich Gottlieb Klopstock meinte dazu: »Sylbenmaß ist Mitausdruck durch Bewegung« (Friedrich Gottlieb Klopstock, Grammatische Gespräche [Altona 1794], in: Klopstock’s sämmtliche Werke, Bd. 9, Leipzig: Göschen 1857, S. 93): Die Bewegung der Wortfüße im rhythmischen Vortrag war seiner Meinung nach nicht nur ästhetisch wichtig, sondern auch ein direktes Hilfsmittel zum Ausdruck und Verständnis des Textinhaltes.
Auch heute kann man diese Wortfüße wieder finden und bewusst ausnutzen, sogar in der Prosa, vielmehr noch in der rhythmischen, ›erhabenen‹ Sprache wie in diesem Melodram von Brandes und Benda. Somit lassen sich bei der Deklamation Abwechslung, größere Kontraste, Bewegung, ein klares Verständnis und eine engere Beziehung zur Musik gewinnen.
Ich selbst habe mich mit dieser Materie seit zirka 15 Jahren in verschiedenen Sprachen und auch mit Bezug auf das gesungene Rezitativ oder auf gesprochene Dialoge in Singspielen beschäftigt. So habe mich gefreut, als ich gebeten wurde, an der HMT Leipzig einen Kurs dazu zu leiten. Das Seminar Die Kunst der Deklamation im 18. Jahrhundert anhand des Melodrams »Ariadne auf Naxos«, das am 18. März 2013 stattfand und das mir Gelegenheit gab, einige Stunden mit den beiden Sängern zu arbeiten, die bei der heutigen Veranstaltung deklamieren werden, war ein erster Schritt in der Richtung, die Schönheit des Deklamierens wieder zu beleben.
Goethe hat einmal vom »deklamatorischen Halbgesang« gesprochen (zitiert nach Emil Palleske, Die Kunst des Vortrags, Stuttgart 1880, S. 129). In der Tat wird die Stimme dabei mit einem größeren Tonumfang angewandt als beim Reden. Rhythmisch ergeben sich deutliche Unterschiede in der Dauer der wichtigen und unwichtigen Silben, durch welche dann sozusagen rhythmische Zellen entstehen, Klopstocks »Wortfüße«. Das alles mag für heutige Ohren zunächst einmal ›künstlich‹ klingen. Aber wenn man sich dafür öffnet, kann einem gerade im Kontext eines Melodrams die zurückgefundene Schönheit und Würde sowie die größere Einheit der Sprache mit der Musik nicht entgehen.
Marie Kuijken
Johann Christian Brandes, Georg Anton Benda und das Melodram „Ariadne auf Naxos“ von 1775
Anlässlich der Aufführung des Melodrams “Ariadne auf Naxos” von Johann Christian Brandes und Georg Anton Benda an der HMT Leipzig im April 2013 entstand dieser Programmhefttext von Michaela Bieglerová.
Die Geschichte des griechischen Mythos von Theseus und Ariadne, der Tochter des kretischen Königs Minos, faszinierte schon lange vor Bendas Melodram Künstler aller Sparten. Ariadnes Schicksal bildete die Vorlage vieler bekannter Werke und inspirierte so bekannte Maler wie Tizian, Peter Paul Rubens und viele andere. Aber nicht nur die Malerei und die Bildhauerkunst griffen den Stoff auf. Auch in der Musik erwachte die Geschichte immer wieder zum Leben, so zum Beispiel in Claudio Monteverdis L’Arianna von 1608 oder in Georg Friedrich Händels Ariadna von 1733.
Die griechische Mythologie überliefert mehrere Versionen der Geschichte und lässt das Ende des Mythos teilweise unerklärt – weshalb Theseus Ariadne auf Naxos zurücklässt, bleibt letztlich im Dunkeln. Bendas Librettist Johann Christian Brandes wählte gerade diese finalen Momente der Handlung für sein Textbuch aus, das auf einer ursprünglich für Weimar geschriebenen Kantate beruhte. In der Vorrede seiner Sämtlichen dramatischen Schriften (Hamburg 1790, neu hrsg. als Meine Lebensgeschichte von Willibald Franke, München 1923) schrieb er zur Entstehung des Textes selbst:
Um […] meiner Gattinn, welche sich durch natürliche Talente und Studium in ihrer Kunst zu dem Range einer beyfallswürdigen Schauspielerinn emporgeschwungen hatte, Gelegenheit zu geben, sich in einer ihren Kräften angemessenen glänzenden Rolle zeigen zu können, schrieb ich das Duodrama »Ariadne auf Naxos«, nach dem Inhalte der bekannten Cantate gleichen Namens, von unserm vortrefflichen Dichter Herrn von Gerstenberg […]. Durch den schmeichelhaften Beyfall, womit die verwittwete Herzogin von Weimar dieß kleine Schauspiel beehrte, ermuntert, gab ich es Schweitzern [Anton Schweitzer] zur Composition. Er arbeitete daran mit Fleiß und Glück, und hatte bereits einige Proben dieses musikalischen Fragments in Gegenwart verschiedener Musikkenner mit dem größten Beyfall aufgeführt, als der unglückliche Schloßbrand in Weimar dem dortigen Schauspiel ein Ende machte, und zugleich eine gänzliche Störung aller Kunstgeschäfte verursachte. Schweitzers musikalisches Meisterwerk blieb unvollendet.
Weiter berichtet Brandes, Schweitzer habe die ursprünglich für Ariadne geschriebene Musik dann 1773 in seiner Alceste verwendet. Gleich nach Brandes’ Ankunft in Gotha habe Georg Anton Benda das noch immer unkomponierte Libretto gelesen
und empfahl das Stück der Durchl. Herzoginn und der weiland Durchl. Prinzessinn Luise. Beyde erhabne Kennerinnen beehrten den Text mit den schmeichelhaftesten Lobsprüchen und wünschten es baldmöglichst mit Musikbegleitung auf der Bühne vorgestellt zu sehn.
Da Schweitzer gerade anderweitig beschäftigt war,
wurde an dessen Stelle Benda aufgefordert, die Composition dieses Duodrama zu übernehmen. Der Durchlauchtige Herzog gab selbst die Idee zu der Kleidung Ariadnens nach altgriechischem Geschmack an; die Dekoration zur Vorstellung wurde zweckmäßig geordnet; in einigen Wochen hatte auch Benda die Composition vollendet, und so wurde diese neue Erscheinung im Januar 1775 in Gotha zum erstenmale, in Gegenwart des ganzen Hofes, auf dem Hoftheater vorgestellt, und mit dem größten Beyfall aufgenommen.
Brandes’ Libretto schildert nicht so sehr die äußere Handlung der Geschichte von der verlassenen Ariadne, sondern lässt das Publikum das innere Drama des Liebespaares erleben. Ausgedrückt werden die Gedanken und Gefühle des Theseus, der, um sie zu beschützen, Ariadne gerade trotz seiner Liebe zu ihr verlassen muss, und die der wehrlosen Ariadne, die im Traum schon eine schlechte Vorahnung des Geschehens erhält. Damit bietet das Libretto eine Deutung der Motivation Theseus’ an, die im Mythos offen bleibt. Brandes lässt sich hingegen nicht von der Version der Geschichte inspirieren, nach der Ariadne verlassen wird, damit sie Bacchus bzw. Dionysos heiraten könne – obwohl gerade diese Interpretation oft in der Bildenden Kunst zum Thema geworden war, beispielsweise in Jacopo Tintorettos Gemälde Bacchus und Ariadne von 1576/78:
Im Vorbericht zum Libretto schreibt Brandes zu seiner neu gefundenen Begründung:
Diese, größtentheils nach dem Diodor ausgezeichnete Fabel, ist in gegenwärtigem Duodrama dahin abgeändert, daß Theseus nicht den höchsten Grad von Undankbarkeit gegen Ariadnen äußert; er verläßt sie nicht so wohl aus Leichtsinn, als vielmehr ihr Leben gegen die Wuth der auf Naxus angelandeten Griechen in Sicherheit zu setzen.
Trotz dieser Änderung entbehrt das Libretto nicht der Wirkung von schicksalhaften, himmlischen oder göttlichen Kräften. Somit wird die Erzählung nicht zum Märchen, sondern behält den Charakter des Mythos:
THESEUS. Ariadne!
Er will sie umarmen, fährt aber zurück.
Welche Gewalt, welche unwiderstehbare Zauberkraft reißt mich zurück?
Will es das Schicksal?
Indem Brandes auf den Ausdruck der Gefühle, des inneren Affektes der Personen, fokussiert, entwickelt er die antike Geschichte aus einem zeitgemäß empfindsamen Blickwinkel neu. Die Antike wird rezipiert, indem Brandes sie für die Ausdrucks- und Gefühlswelt seiner Zeit aktualisiert.
Die erste Aufführung von Bendas Musik zu Brandes’ Melodram erfolgte am 27. Januar 1775 im Schlosstheater Gotha. Die Darsteller waren Brandes Frau Charlotte als Ariadne und Michael Boek als Theseus. Der Hof unterstützte das Vorhaben nach Kräften: Die Herzogin beförderte das Manuskript zum Druck, der Weimarer Maler Georg Melchior Kraus fertigte für Herzog Ernst Skizzen aus, Kostüme und Dekorationen wurden in der damaligen Vorstellung des altgriechischen Stils gestaltet. Nicht nur die Leistungen von Benda und Brandes wurden nach den Aufführungen gelobt, auch die Schauspieler erhielten glänzende Kritiken. August Wilhelm Iffland hielt fest: »Dies war ein Tag des Ruhms für Mme Brandes« (Dramatische Werke, Leipzig 1798, S. 104).
Die Häufigkeit der Aufführungen demonstriert den großen Erfolg von Ariadne aus Naxos. Allein in Gotha war Ariadne zwischen 1775 und 1779 17 Mal zum hören. Weitere 36 Vorstellungen kam in Berlin dazu, die so gut besucht waren, dass das Melodram in das größere Monbijoutheater verlegt werden musste, wo 49 zusätzliche Wiederholungen folgten. Ariadne auf Naxos wurde eine Inspiration für andere Komponisten und veränderte den Umgang mit der Konzeption von Rezitativen. Aber es wurde auch Kritik laut. In seinen Sämtlichen Schriften schilderte Brandes rückblickend die kontroverse ästhetische Debatte, die Benda und er mit Ariadne auf Naxos losgetreten hatten:
Bey allem Beyfall, den dieß Stück, sogleich bey seiner ersten Erscheinung, erhielt, fand es auch strenge Tadler. Sie nannten einen mit Musik verwebten prosaischen Text, der nicht gesungen sondern gesprochen wurde, Unsinn – und sie hatten, wie ich weiter unten bemerken werde, gewissermaßen Recht. Andre behaupteten das Gegentheil, glaubten daß der Ausdruck der Empfindungen und Leidenschaften durch diese musikalischen Zwischensätze mehr Leben und Kraft gewänne. Man stritt und kämpfte, sprach und schrieb so lange für und wider die Sache, bis man endlich darin übereinkam, ein Melodrama wäre zwar Unsinn, aber ein sehenswürdiger anziehender Unsinn, der trotz aller Kritik auf der Bühne eine große Wirkung hervorbrächte […].
Diese »große Wirkung« wollte Brandes dann auch nicht für sich allein reklamieren, sondern war sich sowohl seiner Vorbilder als auch der essenziellen Rolle von Bendas Musik am Erfolg der Ariadne bewusst:
Den durch dieß Stück erworbenen Beyfall muß ich billig mit meinem alten Freunde Benda theilen; auch fordert die Wahrheit das Geständniß, daß ich mir nicht die Ehre der Erfindung dieser neuen Gattung von Dramen zueignen kann; diese gehört eigentlich dem berühmten Rousseau, der schon einige Zeit zuvor seinen Pygmalion, das erste Stück dieser Art, schrieb […]. Nur bin ich der Erste unter den deutschen Dichtern, welcher es wagte, diese Gattung Schauspiele auf die vaterländische Bühne zu bringen.
Michaela Bieglerová
„Furcht und Freude, Leben und Entsetzen“: Die Geburtsstunde des Melodrams in deutscher Sprache
Anlässlich der Aufführung des Melodrams “Ariadne auf Naxos” von Johann Christian Brandes und Georg Anton Benda an der HMT Leipzig im April 2013 entstand dieser Programmhefttext von Felicitas Freieck.
Die Rezeptionsgeschichte antiker Dramen in der Musik ist lang – und wenn der Mythos von Ariadne und Theseus auch nicht am Anfang des modernen Musiktheaters stand, so repräsentiert er doch einen ersten Meilenstein in seinem weiteren Werdegang: Bereits im Jahre 1608 nämlich vertonte Claudio Monteverdi den Stoff in seinem Werk L’Arianna und bestätigte damit endgültig das dramaturgische Potenzial der Oper als Theatergenre. Ende des 18. Jahrhunderts dann nahm sich die Weimarer Schauspieltruppe von Abel Seyler des antiken Mythos wieder einmal an und setzte einen weiteren Meilenstein, indem sie mit Ariadne auf Naxos das Fundament für die Entwicklung und Verbreitung einer im deutschsprachigen Raum neu aufkommenden Gattung legte. Der Gothaer Hofkapellmeister Georg Anton Benda, welcher nach einigen Verwicklungen mit der musikalischen Ausgestaltung dieses Melodrams beauftragt war, unterlegte die Textvorlage von Johann Christian Brandes so mit Musik, dass die Rezitation der Akteure einerseits immer wieder den bildhaften, tonmalerischen Einwürfen des Orchesters zu weichen hatte, andererseits mit charakterisierender Musik unterstützt wurde:
Dieses Prinzip von minutiös aufeinander abgestimmten reduzierten, plötzlich abbrechenden musikalischen Gesten und deklamiertem Text setzte einen komplett neuen ästhetischen Anspruch voraus, welcher nicht nur auf kompositorischer, sondern besonders auf dramaturgischer Ebene den Maßstab des Musiktheaters um einiges höher legte als bisher. Die Spannweite des subjektiven Gefühlsausdrucks umfasste zudem neben dem »Schönen und Erhabenen« nun auch das »Schreckliche und Grauenerregende« als der ästhetischen Gestaltung angemessenem Parameter – ganz im Sinne der nur wenige Jahre zuvor von Gotthold Ephraim Lessing verfassten Hamburgischen Dramaturgie, welche sich auf Aristoteles berief und das »Mitleiden« des Publikums als wesentlichste Wirkung eines Theaterstücks auf den Zuschauer deklarierte. Ariadnes Sturz in den Tod ist ein prägnanter Ausdruck dieses Topos:
Innerhalb Europas war Bendas und Brandes’ Ariadne jedoch nicht der erste Entwurf dieser Theatergattung gewesen. Bereits 1762 hatte Jean Jacques Rousseau bei der Arbeit an seinem Bühnenwerk Pygmalion an eine ähnliche Art der Vertonung gedacht und gesprochene Szenen mit musikalischen Intermezzi abwechseln lassen. Wie genau Benda damit vertraut war, ist unklar. Die Kenntnis erscheint immerhin möglich, wenn man um das große Interesse des Gothaer Hofs an der französischen, in erster Linie der Pariser Kultur weiß. Brandes jedenfalls hatte von Rousseaus Experiment gehört und benannte es im Vorwort einer späteren Ausgabe seines Librettos als einen Vorläufer des eigenen Textes.
Die Uraufführung der Ariadne fand in Gotha unter Beteiligung der gesamten Hofkapelle statt und wurde sowohl für die (ungewöhnlicherweise) weibliche Hauptdarstellerin als auch für Benda ein triumphaler Erfolg. Bei Schwickert in Leipzig erschien das Werk im Druck, nach einigen Jahren »zum Gebrauche gesellschaftlicher Theater« auch in einer Bearbeitung mit solistischer Streichquartettbegleitung und bezeichnenderweise mit alternativer französischer Textfassung.
In den Bestandskatalogen von Breitkopf wurde mehrere Jahre vorher bereits die Partitur und ein Klavierauszug angezeigt. Ariadne auf Naxos konnte damit überall studiert und aufgeführt werden. Bedenkt man, in welchem Ausmaß das Werk bisherige Normen des deutschen Musiktheaters sprengte, ist dies keinesfalls als selbstverständlich anzusehen. Die Kritik fiel dennoch weitgehend positiv aus. So beurteilte Johann Nikolaus Forkel die neuartige Symbiose von Musik und Dialog im Gegensatz zum bisher Gewohnten als weitaus »begreiflicher und faßlicher«, während im Gothaer Theaterjournal gar von »Bewunderung und Ehrfurcht« für Bendas und Brandes’ Melodram die Rede war. Ähnlich euphorisch gab sich der Musikalische Almanach auf das Jahr 1772: »Eine so echt genialische Musik war in den Mauern unserer deutschen Schauspielhäuser noch nicht erschollen. Wem ist nicht beim Anhören der Ariadne Furcht und Freude, Leben und Entsetzen angekommen? Herr Benda brachte uns die neue Kunst des Melodramas, worinnen nicht gesungen wird, wo aber das Orchester gleichsam beständig den Pinsel in der Hand hält, diejenigen Empfindungen auszumalen, welche die Deklamation des Akteurs beseelen.«
Dass selbst eine schöpferische Koryphäe wie Wolfgang Amadé Mozart mehrmals seine Bewunderung für die neuartigen Kompositionstechniken Bendas aussprach, lässt erkennen, welchen Eindruck die Neuerungen hinterlassen hatten. In einem Brief vom 12. November 1778 schreibt er: »In der That, mich hat noch niemals etwas so surprenirt! Denn ich bildete mir immer ein, so was würde keinen Effect machen«. Er habe die Ariadne jedoch »mit dem größten Vergnügen aufführen gesehen«.
Weit über die Grenzen Deutschlands hinaus erwies sich die Adaption als attraktiv – so sehr, dass die bereits genannten Fassungen mit geringerer Instrumentierung für den »Gebrauch gesellschaftlicher Theater« eingerichtet wurden und es in den Folgejahren eine Reihe weiterer Melodram-Neukompositionen gab. Teilweise versuchte man, die Melodramtechnik in Opern umzusetzen, um den statischen, wenig dramatischen Charakter der Arie aufzulockern (z. B. bei Mozart und Carl Maria von Weber). Ariadnes Tod erwies sich für das Musiktheater um 1800 also als ein temporärer Neuanfang…
Felicitas Freieck