Spohr: „Der Fall Babylons“

Karl Traugott Goldbach

(Spohr Museum Kassel)

Zwei Aufführungen von Der Fall BabylonsEinblicke in das Londoner Konzertmarketing 1843

Louis Spohr (1784–1859) dirigierte während seines Londonaufenthalts 1843 sein Oratorium Der Fall Babylons gleich zweimal in unterschiedlichen Kontexten:

Alles war so weit vorbereitet, daß nach wenigen Proben die Aufführung in Hanover Square Rooms zu seiner vollkommenen Zufriedenheit von Statten ging. Auch das Publikum äußerte seinen Enthusiasmus durch laute Beifallskundgebungen und brachte am Schluß ihm ein dreimaliges jubelndes ‚Hail‘ dar. Dennoch wollten Alle, welche dem Fest in der prächtigen St. Andrews Hall in Norwich beigewohnt hatten,[1] sich gar nicht darüber zufrieden geben, daß es Spohr nicht auch vergönnt war, sein Werk unter gleich günstigen Umständen in seiner vollen Herrlichkeit zu hören, und er erhielt die Aufforderung zur Leitung einer zweiten großartigeren Aufführung, welche die Sacred Harmonic Society mit ihrem aus fünfhundert Stimmen bestehendem Chor in den ungeheuren Räumen von Exeter-Hall zu veranstalten wünschte.[2]

Die zweite Einstudierung des abendfüllenden Oratoriums mit einem anderen Chor innerhalb weniger Wochen ist ungewöhnlich. Noch merkwürdiger wird dies mit Blick auf weitere Quellen. Das Zitat entstammt dem Anhang zu Spohrs Selbstbiographie, in dem seine Familie in offensichtlich hagiographischer Absicht Spohrs Leben ab 1838 darstellte[3], über das Spohrs Manuskript nicht mehr berichtete. Wie viele Episoden der Selbstbiographie basiert diese Erzählung auf dem Tagebuch von Spohrs Witwe Marianne[4] (1807–1992):

Abends großes Fest für uns, als wir alle zusammen ins Concert ‚Fall Babylons‘ fuhren. Es klang herrlich in dem großen, wenngleich nicht vollen Saal und machte den lebhaftesten allgemeinsten Eindruck. Solo: Mad. Caradori, Philips etc. gut. Ein Chor ‚Hoch empor‘ da capo, jede Nummer mit dem lautesten Beifall aufgenommen, was nur den schönen Zwischenstücken schadete. Am Schluß ward Spohr von der ganzen Versammlung ein dreimaliges, jubelndes ‚Hail‘ gebracht, das sich schön machte und noch nie vorgekommensein soll.[5]

Die Selbstbiographie nimmt also die für Spohr ehrenhaften Beifallskundgebungen auf, verzichtet aber auf die Information über den „nicht vollen Saal„. Der Kritiker der Britannia bezeichnet ihn als „smallest auditory we ever recollect to have seen assembled in this room[6] und sucht Gründe für das geringe Interesse an dem Konzert:

[…] the concert was advertised without the names of the Philharmonic directors being given at the head of the advertisements, which appeared, in fact, without any name at all. Thus the public was little interested in the affair; and, as regards the amateurs, they were disgusted with it, because it was notorious that professor Taylor was making the arrangements. The oratorio should have been done at Exeter Hall to comprehend fully the choral effects.[7]

Demnach wäre der geringe Erfolg ein Marketingproblem. Ich systematisiere im Folgenden mit dem heute gebräuchlichen Konzept des Marketingmix die Gründe für den kommerziellen Misserfolg der ersten 1843er-Aufführung. Der Marketingmix besteht aus den sogenannten vier „p“: product (Produkt), price (Preis), place (Vertrieb) und promotion (Kommunikation).[8] Im Anschluss an das letzte Zitat beginne ich mit der dort vor allem betonten Kommunikation.

   

Kommunikation

Das Marketing unterscheidet in der Kommunikation unter anderem zwischen dem allgemeinen Erscheinungsbild eines Unternehmens und der Werbung für ein spezifisches Produkt.[9] Für das allgemeine Erscheinungsbild galt offensichtlich die Mitwirkung von Spohrs engem Freund Edward Taylor (1784–1863) als „notorious“ (berüchtigt). Taylor geriet im Vorjahr 1842 in Verruf, als er für einen Madrigal-Wettbewerb in einer eingereichten Komposition ohne Quellenangabe 16 Takte von Luca Marenzio übernahm.[10] Im gleichen Jahr klagte Hugh Hutton (1795–1871) anlässlich der englischen Erstaufführung, Taylor habe große Teile des von ihm verfassten Librettos The Fall of Babylon ohne Kennzeichnung für Spohrs Oratorium verwendet.[11] Die abschreckende Rolle Taylors behaupteten auch die Kritiker der Morning Post („it was pretty well known that Mr. E. Taylor was the director of the arrangements. This fact kept away a large number“),[12] und der Musical World („Doubtless the Professors connection with the affair prevented many a young musician from spending his half-guinea in the purchase of a ticket“ ).[13]

Ein Kritiker bemerkt: „We have heard several amateurs and professors of distinction complain that they knew of the occurrence merely through its notice in the morning papers of the following day.“[14] Das könnte ein Hinweis auf mangelnde Werbung für das Konzert sein. Tatsächlich erschien die Anzeige jedoch in einem Zeitraum von knapp zwei Wochen in mindestens zehn Zeitungen.[15] Ich zitierte bereits die Rüge des Kritikers der Britannia: „the concert was advertised without the names of the Philharmonic directors being given at the head of the advertisements, which appeared, in fact, without any name at all“ . Tatsächlich nennt die Anzeige zwar die Namen sämtlicher Solosänger sowie des Konzertmeisters und des Organisten, jedoch nicht die Namen der Direktoren der Philharmonic Society. Es handelt sich aber auch nicht um ein Konzert der Philharmonic Society; nicht einmal das Orchester der Gesellschaft spielt, sondern: „The Orchestra will comprise the majority of the Members of the Philharmonic Orchestra, and other eminent Performers, all of whom, both vocal and instrumental, have on this occasion willingly tendered their assistance to the distinguished Author of this Work.“ Auch die Kopfzeile der Anzeige nennt den Komponisten und nicht die Direktoren: „Spohr‘s Oratorio, The Fall of Babylon will be performed […] under the direction and for the benefit of the composer.“ Falls der Kritiker hier meint, die Anzeige hätte mit den Namen der Direktoriumsmitglieder zu höheren Besucherzahlen geführt, unterstellt er, deren Werbewirkung wäre größer als die der Information, einer der führenden Komponisten der Zeit dirigiere sein jüngstes Oratorium selbst.

Neben den Werbeanzeigen kündigten die Zeitungen das Oratorium auch im redaktionellen Teil an; meist allerdings ohne die ausdrückliche Erwähnung des Datums: „This distinguished composer, whose visit has been looked for with much interest by our leading musical circles, arrived in London yesterday, to fulfil his engagement at the next Philharmonic Concert, and to conduct the performance of this oratorio, ‚The Fall of Babylon, at the Hanover Square Rooms […]“[16]

In einer späteren Meldung geht der Hinweis auf Spohrs Oratorium zwischen weiteren Konzertankündigungen unter:

Mrs. Aveling Smith […] annonces a concert for Friday morning, the 7th inst., in the Hanover Square Rooms. On the same day, and in the same rooms, will take place the evening concert in honor of Dr. Spohr, at which the Fall of Babylon will be interpreted by the following vocalists […] Dr. Spohr, for whose benefit the concert has been undertaken, will conduct the concert. On the same evening, the concert of Miss Dinah Farmer and Mr. John Gear, will take place […]“[17]

Neben Spohrs Oratorium findet auch das Konzert von Aveling Smith am gleichen Tag in den Hanover Square Rooms statt, das Konzert von Dinah Farmer und John Gear im „elegant new room of the PrincessTheatre“ , das ebenfalls am Hanover Square lag.[18]

   

Vertrieb

Der Vertriebsweg bestimmt stark, wie die Kunden den Wert eines Produkts wahrnehmen. Das gleiche Konzert der gleichen Interpreten wirkt im renommierten Konzerthaus einer Großstadt anders als im Gemeindesaal einer kleinstädtischen Kirchengemeinde.[19] Die Hanover Square Rooms waren als der zentrale Konzertort in London, wo auch die Konzerte der Philharmonic Society stattfanden, für Spohrs Oratorium sicherlich renommiert genug. Dennoch erregte der Ort Kritik:

„An oratorio in a room is something out of place. A work of such large dimensions requires space to display itself – the arched vault – the pillared roof, around which the sound of an army of voices can float an reëcho. An oratorio in a concert-room is like ‚The Descent from the Cross’in a parlour.[20]

Demnach fehlt den Hanover Square Rooms ein Säulendach („pillared roof“), in dem sich nicht nur der Klang des Chores („army of voices“) besser entfalte, sondern das auch optisch eine andere Atmosphäre schaffe. Schließlich deutet der letzte Satz den Vorbehalt an, ein Werk geistlichen Inhalts gehöre nicht an einen Ort, an dem sonst weltliche Musik erklingt.

Es gibt Belege für weitere Oratorien in den Hanover Square Rooms. So kündigte die Melophonic Society im Herbst des gleichen Jahres Aufführungen von Händels Judas Maccabäus und The Messiah an.[21] Bei der Melophonic Society handelt es sich aber eben nicht um die renommierte Sacred Harmonic Society mit ihrer eigenen repräsentativen Exeter Hall, die die zweite Babylon-Aufführung organisierte.

Allerdings dirigierte Spohr bei seinem Konzertaufenthalt 1843 noch ein zweites Chorwerk in den Hanover Square Rooms. Auf Wunsch des englischen Königspaares erklang am 16. Juli 1843 in einem Extrakonzert der Philharmonic Society auch der Schluss-Satz der hier ausdrücklich als „Choral-Symphony“ bezeichneten 9. Sinfonie von Beethoven. Die Aufführungsberichte halten fest, sie „was performed with a degree of precision we never before heard[22] und „The chorus was superb[23]. Selbst wenn ein Kritiker übereifrige („too-zealous“) Posaunen und Choristen tadelt, die die Gesangssolisten übertönten[24], fehlt der Hinweis auf eine für ein Chorwerk ungeeignete Akustik. Und auch der Kritiker der Britannia hält über die Aufführung von The Fall of Babylon fest: „If Spohr had attached the music to some dramatic story it would habe been in good keeping; but as it is, the composition has not the impress of a sacred work.“ [25] Demnach scheint die Kritik an der Akustik für eine Choraufführung in den Hanover Square Rooms gegenüber den Argumenten gegen den falschen Ort für ein geistliches Werk oder – weltlicher formuliert – gegen den für die Gattung nicht etablierten Ort zumindest nachrangig.

   

Preis

Eine oben zitierte Zeitungskritik nannte bereits den hohen Preis des Konzerts: „Doubtless the Professor’s conncection with the affair prevented many a young musician from spending his half-guinea in the purchase of a ticket„, und ergänzt: „half-guineas are not very plentiful now-a-days, and those that have them like to keep them. Three-shillingses, though scarce, are easier to be had, and are willinglier parted with. The Fall of Bablyon should have been given at Exeter Hall for Dr. Spohrs benefit, at the usual price of admission.[26]

Die Guinea war 1843 offiziell zwar nicht mehr im Umlauf („are not very plentiful now-a-days“), diente aber immer noch zur Auspreisung von 21 Shilling.[27] Eine halbe Guinea entsprach demnach 10½ Shilling, dem dreieinhalbfachen Eintrittspreis in Exeter Hall von 3 Shilling.[28] Es gab zwar deutlich günstigere Eintrittspreise in den Hanover Square Rooms; der Sänger Henry Russel verlangte für seine „Vocal Entertainments“ nur 2 Shilling und 6 Pence (= 2½ Shilling)[29], die „National Minstrelsy of Ireland. Messrs. White & Crouch“ sogar nur 2 Shilling.[30] Doch für Orchesterkonzerte mit prominenten Solisten wie den zeitgleich mit Spohr in London anwesenden Violinvirtuosen Camillo Sivori[31] und Heinrich Wilhelm Ernst[32] fielen ebenfalls 10 Shilling und 6 Pence (= ½ Guinea) an.[33]

   

Produkt

Nach der schlecht besuchten Aufführung in den Hanover Square Rooms war die Aufführung in der Exeter Hall ausverkauft. Demnach war das Produkt – Spohrs Oratorium – offensichtlich nicht der Grund für den Misserfolg des ersten Konzerts. Das bedeutet freilich nicht, dass es keine Kritik erregte: „it has been the fashion to urge against it, – namely, that it is not church music.[34] Um den Umfang dieses Texts nicht zu sprengen, ist es nicht möglich, diesem Diskurs hier nachzugehen. Daher nur der Hinweis, dass dieses Argument in Konfrontation mit jenen Quellen untersucht werden müsste, die gerade wegen des geistlichen Stoffs eine Wiederholung in der Exeter Hall forderten.

   

Zusammenfassung

Die bisherige Darstellung erweckt den Eindruck, Taylor habe in den Hanover Square Rooms ein Konzert veranstaltet, dessen Misserfolg gar nicht zu vermeiden war, statt von vornherein für die Exeter Hall zu planen. Jedoch gehörte Spohrs Bitte, eine offensichtlich schon geplante Aufführung in den Hanover Sqaure Rooms bis zu seiner Anwesenheit zu verschieben, zu seinen Forderungen für die Annahme der Einladung zu einem Gastdirigat bei der Philharmonic Society: „Eine zweite Frage wäre, on die Aufführung des Oratoriums ‚der Falls Babylons’sich nicht bis zu meiner Ankunft verschieben ließe? oder ob vielleicht alsdann eine Wiederholung zu veranstalten wäre?“[35] Taylor sagte dies in Rücksprache mit der Philharmonic Society zu, wies aber gleich auf die Probleme hin: „The Hanover Square Rooms will not contain more than 600 person, & the expense of such a band as you wd. require – hire of the Room, Advertisments &c. would be £ 250.“[36]

Ein Grund für die dann nur geringe Sitzauslastung war der für Oratorien nicht etablierte Konzertort, für den die Werbung hätte entsprechend deutlich stärker sein müssen. Zudem waren die Eintrittspreise zwar für die Hanover Square Rooms typisch, für diese Gattung jedoch extrem hoch. Dagegen fand das Konzert in der Exeter Hall nicht nur an einem für Oratorien eingeführten Ort statt, sondern auch zum üblich günstigen Eintritt. Inwieweit Taylors Person tatsächlich zum finanziellen Misserfolg des ersten Konzerts beitrug, lässt sich hier nicht entscheiden. Dafür waren die Presseberichte über das erste Konzert sicherlich eine wirkungsvolle Werbung: Sie verbanden den Bericht über die geringe Zuhörerzahl und die hohe künstlerische Qualität mit der Forderung nach einer Wiederholung in der Exeter Hall.


[1] Die englische Erstaufführung beim Norwich and Norfolk Triennal Musical Festival 1842, zu dem Spohr der Reiseurlaub verweigert wurde (vgl. Louis Spohr and Edward Taylor, 09. August 1842, in: Spohr-Briefe, hrsg. v. Karl Traugott GOLDBACH, Kassel 2016 ff., <http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?&m=1843080904>, 29.04.2021).

[2] Louis SPOHR: Louis Spohr‘s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel u. Göttingen 1861, S. 276 f., auch online: <https://books.google.de/books?id=G2lDAAAAcAAJ&pg=PA276>, 29.04.2021.

[3] Vgl. Martina WAGNER-ENGELHAAF, „Komposition und Aufführung. Louis Spohr‘s Selbstbiographie (1860/61)“, in: Die Oratorien Louis Spohrs. Kontext – Text – Musik, hrsg. v. Dominik HÖINK, Göttingen 2015, S. 43–58, hier S. 57 f.

[4] Zum Verhältnis zwischen Selbstbiographie und Marianne Spohrs Tagebüchern vgl. Karl Traugott GOLDBACH, „ ,… daß die dabei gehaltene Predigt großtentheils gegen sein Oratorium gerichtet war‘. Zur Rezeption von Des Heilands letzte Stunden in Großbritannien“, in: ebd., S. 307–339, hier S. 308f.

[5] Marianne SPOHR, Tagebucheintrag 07. Juli 1843, in: Spohr-Briefe, www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1843070790, 29.04.2021.

[6] Britannia, zit. n. „Concert given to Dr. Spohr“, in: Musical World 18 (1843), S. 240.

[7] Ebd.

[8] Vgl. Nils H. GRÖPPEL, Marketing im Kulturbetrieb. Zur Konzeption des Marketing im Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität, Wiesbaden 2019, S. 36 f.

[9] Vgl. Lorenz PÖHLMANN, Kulturmarketing. Grundlagen – Konzepte – Instrumente, Wiesbaden 2018, S. 154.

[10] Vgl. Clive BROWN, Popularity and Influence of Spohr in England, Phil. Diss. Exeter College Oxford 1980, S. 146 und S. 324 ff.; Die S. 324 ff. auch nachgedruckt als „Edward Taylor and Spohr“, in: Spohr Journal 12 (1985), S. 2–7, hier S. 4 f., auch online: <http://www.spohr-society.org.uk/Spohr_Journal_12_1985_p2_Brown_Edward_Taylor_and_Spohr.pdf#page=3>, 29.04.2021.

[11] Dominik HÖINK, „Louis Spohr Der Fall Babylons und die ‘Belsazerdramen‘ seit Georg Friedrich Händel“, in: Die Oratorien Louis Spohrs (wie Anm. 2), S. 343–377, hier S. 352–359.

[12] „Concert to Dr. Spohr“, in: Morning Post 08. Juli 1843, S. 5; Nachdrucke in: „Thursdy, July 13“, in: Musical World 18 (1843), S. 235 f., hier S. 235; Musical Examiner 1(1843), S. 271 f.

[13] „Thursday, July 13“, in: Musical World 18 (1843), S. 235 f., hier 236.

[14] „The Fall of Babylon“, in: Musical World 18 (1843), S. 245 f.

[15] Morning Post 13. Juni 1843, S. 4; John Bull 17. Juni 1843, S. 1; Atlas 24. Juni 1843, S. 25; Spectator 24. Juni 1843, S. 598, auch online: <https://books.google.de/books?id=4kM9AQAAIAAJ&pg=PA598>, 29. Juni 2021; Times 27. Juni 1843, S. 3; Evening Mail 28. Juni 1843, S. 8; Musical World 29. Juni 1843, S. 225; Examiner 01. Juli 1843, S. 414, auch online: <https://books.google.de/books?id=INVMAAAAcAAJ&pg=PA414>, 29. April 2021; mit abweichendem Text zuvor bereits in: Examiner 17. Juni 1843, S. 383, auch online: <https://books.google.de/books?id=INVMAAAAcAAJ&pg=PA383>, 29. April 2021. – Die Abdrucke in Sunday Times und Morning Herald waren mir bislang nicht zugänglich, sind aber belegt durch erhaltene Quittungen der Zeitungsinserate (D-Kl, Sign. 2° Mus 1500, Sp. 56, 8 und 9).

[16] „Spohr‘s Visit to London“, in: Times 27.06.1843, S. 6.

[17] „Miscellaneous“, in: Musical Examiner 1 (1843), S. 258.

[18] „Concert various“, in: Musical World 18 (1843), S. 239 f., hier S. 239.

[19] Einen Extremfall dieses Effekts bietet das Experiment, bei dem die Washington Post den Stargeiger Joshua Bell, der am gleichen Abend ein ausverkauftes Konzert gab, in der Rush hour in einer Washingtoner U- Bahn-Station Bach spielen ließ – von den meisten Passanten unbemerkt (Gene Weingarten, „Pearls before Breakfast. Can one of the nation’s great musicians cut through the fog of a D.C. rush hour?“, in: Washington Post 08.04.2007, Online-Version: <https://www.washingtonpost.com/lifestyle/magazine/ pearls-before- breakfast-can-one-of-the-nations-great-musicians-cut-through-the-fog-of-a-dc-rush-hour-lets-find-out/2014/09/23/8a6d46da-4331-11e4-b47c-f5889e061e5f_story.html>, 29.04.2021.

[20] „Spohr’s Visit to London“, in: Spectator 16 (1843), S. 636 f., hier S. 637, auch online: <https://books.google.de/books?id=4kM9AQAAIAAJ&pg=PA637>, 29.04.2021.

[21] Musical World 18 (1843), S. 346 und 384.

[22] „Philharmonic Concert by Command“, in: Spectator 16 (1843), S. 659 f., hier S. 659, <https://books.google.de/books?id=4kM9AQAAIAAJ&pg=PA659>, 29.04.2021.

[23] „Philharmonic Society“, in: Musical World 18 (1843), S. 239.

[24] „Philharmonic Concerts. Extra Concert by Command of the Queen. Monday, July 10“, in: Examiner (1843), S. 437, <https://books.google.de/books?id=INVMAAAAcAAJ&pg=PA437>, 29.04.2021.

[25] Britannia, zit. n. „Concert given to Dr. Spohr“, in: Musical World 18 (1843), S. 240.

[26] „Thursday, July 13“, in: Musical World 18 (1843), S.235 f., hier S.236.

[27] Zur damaligen britischen Währung vgl. Daniel POOL, What Jane Austen ate and Charles Dickens knew. From Hunting to Whist – The Facts of Daily Life in 19th-Century England, New York u. a. 1993, S. 19 f.

[28] Vgl. die Konzertankündigung zu Der Fall Babylons, in: Musical World 18 (1843), S. 242.

[29] Vgl. die Konzertankündigung in Musical World 18 (1843), S. 11 und 45.

[30] Vgl. ebd., S. 54.

[31] Vgl. ebd., S. 233.

[32] Vgl. ebd., S. 446.

[33] „The Fall of Babylon“, in: Musical World 18 (1843), S. 245 f.

[34] Louis Spohr an Edward Taylor, 08. Februar 1843, in: Spohr-Briefe, <http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?&m=1843020804>, 29.04.2021.

[35] Taylor an Spohr, 21. Februar 1843, in: ebd., <http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?&m=1843022134>, 29.04.2021.

Leonhard Summerer: Orpheus und Eurydike bei Kokoschka und Krenek

Der Orpheusmythos zieht sich wie ein roter Faden durch die Kunst- und Musikgeschichte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich unter anderem der vor allem als Maler bekannt gewordenen Oskar Kokoschka intensiv mit dem Mythos. Aus dieser Beschäftigung entsteht ein außergewöhnliches Drama. Der damals noch junge Komponist Ernst Krenek vertont dieses Drama schließlich als Oper. Im folgenden Post sollen diese beiden Werke näher beleuchtet werden.

»Zwischen Strukturalismus und Anarchie«. Michael Wollnys »bau.haus.klang. eine harmonielehre« als Interpretation von Idee und Geist des Bauhauses

Hanna Hammerich (HMT Leipzig)

Das Zitat im Titel stammt aus einem Gespräch mit Michael Wollny. – Das Konzert vom 16.1.2019 zur Eröffnungsfeier »100 Jahre Bauhaus« mit Michael Wollny in der Akademie der Künste lässt sich unter diesem Link abrufen: https://www.youtube.com/watch?v=NvNAWOF2rUE

Einleitung:
»Bauhaus. Ein Phänomen der Rezeption«[1]

Was ist das Bauhaus? Abstraktion oder Esoterik, Einfachheit oder Utopie, Industrie oder Handwerk, Gesamtkunstwerk oder Funktionalität? Die Reihe von Assoziationen an das Staatliche Bauhaus, wo zwischen den Jahren 1919 und 1933 Künstlerinnen, Architekten, Weberinnen, Grafiker und Gestalterinnen zusammen lernten, arbeiteten und lebten, ließe sich weiter fortführen. So gegensätzlich einige dieser Punkte auch sein mögen, sie alle gehören zum Bauhaus.

Es wird aber noch komplizierter: »Gemessen an der Ausbreitung und vielfältigen Fortwirkung seiner Ideen« ist das Bauhaus »das wichtigste Kunstereignis des 20. Jahrhunderts«,[2] schreibt Andreas Haus, der Herausgeber des Sammelbandes Bauhaus-Ideen 1919–1994 – und zeigt damit die große Bedeutung, die nicht nur dem Bauhaus selbst, sondern vor allem auch seiner Rezeptionsgeschichte zukommt. Dass das Bauhaus von einer Kunst- und Architekturschule zu einem (umgangssprachlichen) Stil bis hin zu einer weit über die Grenzen der Kunst hinausreichenden Idee gewachsen ist, verdankt sich seiner enormen, schon Zeit seines Bestehens forcierten Außenwirkung und Rezeption. Wenn man sich mit dem Bauhaus beschäftigt, beschäftigt man sich also immer auch mit seiner Rezeption und seinen »Mythenbildungen«.[3] Sowohl die kurze Lebensdauer von 14 Jahren als auch die Heterogenität der am Bauhaus wirkenden Meister_innen und Studierenden führen dazu, dass jede_r sich vom Bauhaus ein ganz eigenes Bild machen kann. In diesem Sinne ist auch der Titel von Wulf Herzogenraths Aufsatzsammlung zu verstehen: Das Bauhaus gibt es nicht – mit Betonung auf ›das‹, im Sinne von ›das eine‹ Bauhaus. Schon Herzogenraths Gliederung der kurzen Bauhaus-Jahre in fünf verschiedene Phasen macht diese Vielfältigkeit – ganz zu schweigen von den unterschiedlichen lebens- bzw. weltanschaulichen und politischen Ansichten, die am Bauhaus herrschten – deutlich. Der Anfang steht im Zeichen von Expressionismus und DADA, die zweite Phase ist gekennzeichnet durch eine Reduktion auf Grundformen, Geometrisches und Konstruktivistisches, in der dritten Phase wird die Zusammenarbeit mit der Industrie verstärkt ausgebaut, die vierte konzentriert sich auf die Herstellung von Objekten für den Volksbedarf und die fünfte schließlich ist geprägt von einer exklusiven Baukunst à la Ludwig Mies van der Rohe.[4] Die einzelnen Phänomene der Bauhaus-Rezeption beziehen sich also zwangsläufig auf nur einen oder wenige von zahlreichen Aspekten, die die Schule auszeichneten. Fest steht nur, dass die Beschäftigung mit dem Bauhaus noch immer nicht erschöpft ist, denn »[w]ir können uns das Bauhaus gar nicht anders vorstellen denn als unversiegbaren Quell der Erneuerung und des Experiments«.[5]

Auch Michael Wollnys Werk bau.haus.klang ist im Kontext der umfangreichen Rezeptionsgeschichte des Bauhauses zu sehen. Die Beschäftigung mit seiner Komposition als Form künstlerischer Rezeption bietet insbesondere Einblicke in die Rolle der Musik am Bauhaus und in einige Aspekte des musikalisch-kulturellen Klimas der 1920er Jahre. Auf ebenjene (musik-)ästhetischen bzw. (musik-)historischen Bezüge konzentriert sich die vorliegende Arbeit. Sie stellt den Versuch dar, anhand einer Kategorisierung der musikalischen Anlehnungen ans Bauhaus und seine Zeit die Vielfältigkeit und Offenheit der Möglichkeiten zu veranschaulichen, die innerhalb der Musik zur Verfügung stehen, um ein historisches Thema künstlerisch zu bearbeiten. Es werden dabei die Kategorien Handwerk, Technik, Ästhetik und Leben betrachtet und mit ihnen der Frage nachgegangen, welche Bezüge ans Bauhaus in Wollnys Komposition hergestellt werden. Anders gesagt: Wie viel Bauhaus – und welches – steckt im bau.haus.klang?

Das Stück wurde bei der Eröffnungsfeier des 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums im Januar 2019 in Berlin uraufgeführt und zu diesem Anlass auch komponiert. Die Anwesenheit des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier bei dieser feierlichen Eröffnung sowie die Tatsache, dass die Bundesregierung rund 70 Millionen Euro für das Jubiläumsprogramm und die neuen Museumsgebäude in Weimar und Dessau bereitgestellt hatte,[6] zeigt auch die politische Dimension dieses Ereignisses und die kulturpolitische Tragweite der Bauhaus-Rezeption. Neben den eindrucksvollen, zum Teil umstrittenen Neubauten sind im Jahr 2019 außerdem zahlreiche Publikationen – wissenschaftliche Abhandlungen, Biografien und Romane – erschienen sowie Fernseh- und Radiosendungen entstanden.[7]

Die wissenschaftliche Beschäftigung explizit mit der Musik am Bauhaus ist im Vergleich zur kunsthistorischen Auseinandersetzung relativ jung. Einen fundierten Hintergrund bieten hier die Forschungen von Andi Schoon sowie von Michael Siebenbrodt und Andreas Hüneke. Für einen allgemeinen Überblick zum Thema Bauhaus ist die seit 2019 in aktualisierter Auflage vorliegende Publikation Bauhaus 1919–1933 von Magdalena Droste sehr ergiebig. Die kompositionsspezifischen Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit werden insbesondere durch Gespräche mit Michael Wollny gestützt, die im Rahmen eines Seminars zum Thema Musik am Bauhaus an der HMT Leipzig im Sommersemester 2019 und zusätzlich Anfang Oktober 2020 stattgefunden haben. Das dieser Untersuchung zugrundeliegende Konzert in Berlin wurde von arte concerts in Ton und Bild aufgezeichnet.

Michael Wollny: bau.haus.klang. eine harmonielehre 

Das ausgedehnte, knapp eineinhalbstündige Werk ist viersätzig aufgebaut: »werkstofflehre«, »lyrisches kabinett«, »spiel – zeug – arbeit«, »bauhaustanz«. Die einzelnen Sätze gliedern sich jeweils in drei bis sieben Teile auf. Besonders auffällig sind bereits die Titel der Sätze und der einzelnen Teile, mit denen in bauhaustypischer Kleinschreibung Bezüge zu spezifischen Termini und Phänomenen des Bauhauses hergestellt werden. Die Titel werden so zu einem wichtigen Kommunikationsmittel mit dem Publikum, um bestimmte Assoziationen zu erzeugen und, wie Wolly formuliert, »die Ohren und Gedanken in eine bestimmte Richtung zu lenken«.[8] 

Die Besetzung, welche als eine zentrale kompositorische Entscheidung und Grundsteinlegung zu verstehen ist, stellt Michael Wollny im Konzert als »zwei Mal Materialsammlungen aus dem Bauhaus und, […] zwischen Schlagzeug, Saxophon und Klavier, eine kleine Bauhauskapelle«[9] vor. Die Bauhaus-Materialien Metall, Glas, Farbe, Webstoff und Holz, wie sie neben Ton und Stein auch in Walter Gropius’ Lehrschema zu finden sind, werden vom Klangkünstler Leafcutter John ›gespielt‹ und elektronisch bearbeitet. Das zweite ungewöhnliche Instrument, das in Wollnys bau.haus.klang Verwendung findet, war gleichzeitig die erste Idee für seine Komposition: die Phonola, ein Klavierspielapparat aus der Bauhaus-Zeit, gespielt von Wolfgang Heisig. Wie Wollny bereits in seiner knappen Beschreibung andeutet, werden diesen eher technischen, experimentellen Klängen bzw. Spielweisen die im Kontext einer Jazzformation vertrauteren Instrumente von Schlagzeug (Max Stadtfeld), Sopransaxophon (Emile Parisien) und Klavier (Michael Wollny) gegenübergestellt. Die ungewöhnliche Besetzung in diesem Stück beschreibt Wollny als Personifizierung bestimmter Bauhaus-Ideen: Dabei verkörpert Leafcutter John das handwerkliche Arbeiten am Bauhaus und eine gewisse Ästhetik des Selbermachens, während die Phonola einen Einblick in die zeitgenössische Technik und Mechanik gibt. Der Saxophonist Emile Parisien bringe als Musiker laut Wollny wie kaum ein anderer seines Fachs das Anarchische, die Wildheit und den Tanz zum Ausdruck, die vor allem die Feste am Bauhaus prägten.

Mit dem Untertitel des Stückes – eine harmonielehre – nimmt Wollny einerseits Bezug auf die Harmonielehren zur Zeit des Bauhauses und unmittelbar danach, wie etwa Arnold Schönbergs Harmonielehre von 1911 und Paul Hindemiths Unterweisung im Tonsatz aus dem Jahr 1937. Andererseits betont er damit, ganz ähnlich der ›Harmonisierungslehre‹ von Bauhaus-Musikpädagogin Gertrud Grunow, die Idee des Integrativen. D. h. er unternimmt den Versuch »die fünf sehr unterschiedlichen Elemente, also Musiker und Instrumente, des Abends mit einer komponierten Struktur zu ›harmonisieren‹, um dann Räume für Improvisation und Klangexperimente zu öffnen«.[10] Es geht ihm dabei auch darum, immer wieder »Neuland« zu erkunden, und damit Fragen wie diesen nachzugehen:

[W]as ist eine Synthese aus Material und Klang? Wenn ich mit einer Maschine musiziere, was übernehme ich, was übernimmt die Maschine? Dabei ist die Suche nach den grundlegenden Elementen (Besetzung, Motivik, Harmonik, Rhythmik, Klang-Design etc.) ein essentieller Teil der Arbeit. Dieser Gedanke künstlerischer ›Forschung‹ stammt sicher aus dem Studium der genannten Werke von Hindemith und Schönberg.[11]

Insgesamt weckt das Bühnenbild mit den technischen Geräten, den Materialien von Leafcutter John, der Ausstattung der Phonola und den verschiedenen Instrumenten – es kommt noch ein Harmonium hinzu, an das Wollny in einigen Passagen, z. B. im Teil »metall (interludium 1)« wechselt – den Eindruck einer Werkstatt-Szenerie. Die spezifische Anordnung der Instrumente auf der Bühne ist beinahe spiegelsymmetrisch gehalten: Die Flügel stehen sich in horizontaler Linie direkt gegenüber: An einem Ende sitzt Michael Wollny am Flügel, am anderen Wolfgang Heisig an der Phonola. Auch die perkussiven bis geräuschhaften Klänge der Bauhaus-Materialien von Leafcutter John und von Schlagzeuger Max Stadtfeld stehen sich in derselben Linie an entgegengesetzten Enden gegenüber. Im Zentrum des Ganzen ist der Sopransaxophonist Emile Parisien positioniert. 

Die grobe Struktur des Stückes kann man als die Vorstellung der verwendeten musikalischen Materialien und Klänge im ersten Satz »werkstofflehre« und deren Verarbeitung im weiteren Verlauf des Werkes zusammenfassen.

Für die genauere Analyse der verschiedenen Bezüge zum Bauhaus ist es hilfreich eine, wenn auch nicht unbedingt bindende, Kategorisierung vorzunehmen, mit der die Vielschichtigkeit dieser Bezugnahmen dargestellt werden kann. Möglich wäre meiner Einschätzung nach die Einteilung in die Kategorien Handwerk, Technik, Ästhetik und Leben. Anhand dieser Kategorien wird schon die umfassende Art der Bezugnahme auf das Bauhaus deutlich. Denn es sind nicht ausschließlich musikalische Phänomene, die in Wollnys Werk aufgegriffen werden, sondern häufig lässt sich auch die Umsetzung von oder das Spiel mit einer allgemeineren ästhetischen Idee erkennen oder auch das Aufgreifen einer sozialen Praxis.

Handwerk

Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers. […] Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte![12]

So heißt es im vielzitierten Manifest und Programm des Bauhauses von Walter Gropius, 1919. Und weiter: »Die handwerkliche Ausbildung bildet das Fundament der Lehre im Bauhause. Jeder Studierende soll ein Handwerk erlernen«.[13] Die Bedeutung des Handwerks zeigt sich darüberhinaus auch im Titel der Kunstschule. Denn der Name ›Bauhaus‹ bezieht sich auf das mittelalterliche Bauhüttenwesen, das ebenfalls in Form eines Werkstattverbandes organisiert war. Daran angelehnt war auch am Bauhaus die praktische Arbeit in den Werkstätten »das Herzstück der Ausbildung«.[14] Im Sinne der angestrebten Einheit von Kunst und Handwerk wurden die einzelnen Werkstätten – Tischlerei, Metallwerkstatt, Stein- und Holzbildhauerei, Glasmalerei, Töpferei, Buchbinderei, Wandmalerei, Graphische Druckerei, Fotografie und Weberei – jeweils von einem Form- und einem Werkmeister geleitet. Auch die Lehre verlief dementsprechend nach einem zweipoligen Modell: Die Studierenden bekamen nach erfolgreichem Absolvieren des Vorkurses parallel bei einem bzw. einer Künstler_in und einer bzw. einem Handwerker_in Unterricht.[15] Dabei wurden in den Werkstätten sowohl traditionell handwerkliche als auch industriell technische Methoden angewandt. Diese konnten durchaus auch nebeneinander bestehen, wie z. B. in der erfolgreichen und produktiven Weberei.[16] Von Anfang an wurde jedoch betont, dass das Handwerk nicht zum Selbstzweck werden und die Ausbildung am Bauhaus schließlich über die rein handwerkliche Lehre hinausreichen sollte: »Die neuen Gestalter*innen sollen nach Gropius (wieder) fähig dazu sein, umfassende Prozesse von A bis Z zu verstehen – in handwerklicher, intellektueller und emotionaler Hinsicht, und natürlich mit allen Sinnen«.[17]

Die hohe Wertschätzung des Handwerks als Grundlage für die Künste[18] ist indes kein exklusives Bauhaus-Phänomen. So fand sich unter den verschiedenen musikalischen Strömungen der Bauhaus-Jahre von 1919 bis 1933 (Aufleben der Kammermusik, Einflüsse des Jazz und anderer moderner Rhythmen, musikalische Ausläufer der Wandervogelbewegung, Zwölftonmusik und Avantgarde, Klänge und Geräusche der alltäglichen Umgebung als ästhetisches Material, antiromantische Haltung) auch die u. a. von Arnold Schönberg und Paul Hindemith vertretene Forderung: »Fort von der Kunstreligion, zurück zum Handwerk«.[19] Dieser Gedanke entspricht, zumindest in den Gründungsjahren, der beschriebenen Hinwendung zum Handwerk am Bauhaus und er findet sich auch in einigen der musikalischen Tätigkeiten dort wieder. So ist am Bauhaus, vor allem bei Lyonel Feininger, die Fugenkomposition von großem Interesse. In der zeitgemäßen Ausgabe von Ferruccio Busoni studierte er Bachs Wohltemperiertes Klavier und komponierte Fugen nach dessen Vorbild. Denn er sah diese musikalische Form »als am höchsten entwickeltes System musikalischer Logik«[20] an.

Viele Bauhäusler, darunter Paul Klee und Wassily Kandinsky, vertraten zudem die These, dass das Handwerk nicht nur Grundlage für das Arbeiten als Künstler_in sei, sondern auch Grundlage für die Kunst selbst. Diesen Gedanken übertrugen sie sowohl auf die bildende Kunst als auch auf die Musik: »Aus der Bewegung eines Grundbausteins, sei dieser ein Punkt oder ein Ton, soll sich ein Werk der bildenden Kunst bzw. der Musik entwickeln«.[21]

In Michael Wollnys bau.haus.klang wird das am Bauhaus in zahlreichen Werkstätten betriebene Handwerk durch John Burton, der unter dem Künstlernamen Leafcutter John auftritt, und seine Bauhaus-Materialien direkt in Klänge und Geräusche umgesetzt. Es handelt sich dabei um fünf der sieben Materialien, die Walter Gropius in seinem »Schema zum Aufbau der Lehre am Bauhaus«[22] zusammenträgt: Metall, Glas, Farbe, Webstoff und Holz. Lediglich die Materialien Stein und Ton werden nicht ›vertont‹. Leafcutter John bringt die genannten Materialien z. B. durch das Streichen mit einem Geigenbogen über den Rand eines Weinglases oder das Klirren und Zerbrechen von Glas zum Klingen. Er schlägt einen kleinen Gong an und streift diesen mit dem hölzernen Schlägelschaft oder der weicheren Spielseite des Schlägels. Durch das elektronisch verstärkte Knittern und Reiben eines weißen Baumwollstoffes setzt er auch dieses an sich nicht klingende Material in Geräusch um. Schließlich erzeugt er – das ist auch optisch eindrucksvoll – mit einem aus dem Gerüst eines Regenschirms selbstgebauten Instrument in Form eines Oktagons, an dessen Enden weiße, abwechselnd leuchtende Kugeln angebracht sind, ein Geräusch wie das Knarren von Holz.

Mittels der Programmiersprache für Musiksoftware Max/MSP hat Leafcutter John im Vorfeld eine Software programmiert und Samples aus den unterschiedlichen Materialklängen erstellt, die er live während des Konzerts bearbeitet und übereinander schichtet. Dadurch fügt er der vertrauteren Kombination aus Klavier, Saxophon und Schlagzeug eine neue Klangebene hinzu. Die Präsentation der Bauhaus-Materialien in fünf Interludien, die sich auf die ersten drei Sätze des Stücks verteilen, sorgt für eine durch Kontraste hergestellte Gliederung: Die Interludien sind mit den neuartigen Klängen, der reduzierten Besetzung, der freien Struktur, dem ruhigeren Tempo und klanglich schwebenden Charakter Momente des Innehaltens zwischen den eher pulsierenden, bewegteren und teils mechanischen, teils wilden Teilen. Dadurch, dass die Materialien in diesen strukturell abgehobenen Interludien ganz für sich stehen, wird ihnen wird besondere Aufmerksamkeit zuteil und sie werden als wichtiges Charakteristikum der Komposition herausgestellt.

Die Art und Weise wie Leafcutter John mit seinen Materialien umgeht, erinnert außerdem an den experimentellen, sinnlich erforschenden Umgang mit den Werkstoffen am Bauhaus, so wie dieser in der Vorlehre bei Johannes Itten praktiziert wurde. Hier näherten die Studierenden sich fast schon synästhetisch übers Fühlen den verschiedenen Stoffen und deren Eigenschaften. Im Natur- und Materiestudium sollten sie ihr Materialgefühl ausbilden und verfeinern. Demgemäß beschreibt Itten sein Unterrichtskonzept in einem Brief an Josef Matthias Hauer mit den Begriffspaaren »Intuition und Methode« sowie »subjektive Erlebnisfähigkeit und objektives Erkennen«.[23]

Auch für die zum Teil selbstgebauten Material-Instrumente von Leafcutter John lassen sich Vorbilder am Bauhaus finden: so waren selbstgebaute Instrumente, wie der ›Bumbaß‹ oder das ›Flex-a-ton‹ besonders in den ersten Jahren charakteristisch für das Musizieren in der Bauhauskapelle, die unten noch ausführlicher thematisiert wird.

Insgesamt stellt die Beschäftigung mit den Bauhaus-Materialien eine ganz unmittelbare, anschauliche und spielerische Verbindung zwischen Bauhaus und Musik her. Damit unterscheidet sich diese Art der Umsetzung von den noch zu betrachtenden, stärker auf ästhetische Konzepte rekurrierenden Bezügen in Wollnys Komposition.

Technik

Die 1919 in Gropius’ Gründungsmanifest geforderte neue Einheit von Kunst und Handwerk wird nach nur wenigen Jahren von selbigem in eine neue Einheit von Kunst und Technik umgedeutet.[24] Droste macht für diese Wende eher politische und finanzielle als künstlerische Gründe aus. Dennoch sei dieser Umschwung »in der Geschichte des Bauhauses von grundsätzlicher Bedeutung«.[25] Eng mit dem Begriff der Technik hängt der der Industrie zusammen, wodurch Typisierung und Funktionalität im Gegensatz zur vorher angestrebten expressionistischen Individualität in den Vordergrund rückten.[26] Die Hinwendung zu einer Technisierung ist aber nicht mit einer gänzlich unkritischen Technikbegeisterung zu verwechseln. Die Technik sollte in die Kunst aufgenommen werden, um zeitgemäße Ausdrucksformen zu finden. Technische Entwicklungen wurden als Möglichkeiten der »Weiter- und Neuentwicklung kultureller Modelle und Praktiken« wahrgenommen: »Diese gegenwartsbejahende Haltung zum und im Modernisierungsprozess macht die Essenz der Bauhaus-Idee aus«.[27] Ein Beispiel, an dem das besonders gut deutlich wird, ist das ›Triadische Ballett‹ von Oskar Schlemmer an der Bauhaus-Bühne. Die menschliche Bewegung wird dabei u. a. mittels abstrakter, aus großen dreidimensionalen Formen bestehenden Kostümen in einen mathematisch-technischen Prozess überführt.[28] Damit wird das Verhältnis, ob nun Kontrast oder Zusammenhang, von organischer und mechanischer Bewegung, von Mensch und Maschine künstlerisch untersucht.

Neben Schlemmer stand v. a. auch László Moholy-Nagy für diese neue Hinwendung zur Technik. Gropius setzte ihn 1923 daher ganz bewusst als Nachfolger für Johannes Itten ein.[29] Moholy-Nagy führte Versuche zur Synästhesie durch und experimentierte mit Ton- und Geräuscherzeugern. Dabei bearbeitete er beispielsweise Schallplatten mit Nadeln und Messern, wodurch beim Abspielen rhythmisierte Geräusche entstanden sowie von Kratzen und Rauschen begleitete Glissandi.[30]

Musikhistorisch betrachtet, war der Beginn des 20. Jahrhunderts u. a. von der Entwicklung von Musikautomaten und der Diskussion um mechanische Klangproduktion geprägt. Bei diesen Debatten standen sich auf der einen Seite deren mitunter futuristischen Verfechter, die eine präzise Reproduktion schwierigster Werke, eine radikal neue Musik und sogar die Ablösung der Musiker_innen durch ›Musikmaschinen‹ erwarteten und auf der anderen Seite deren konservative Gegner gegenüber. Sie kritisierten »Unmenschlichkeit und Sterilität des Klangbilds« und sahen in den technischen Entwicklungen »den Untergang der Musikkultur schlechthin«.[31] Mechanische Musik polarisierte und regte Komponist_innen wie Künstler_innen zu Experimenten an: Während Moholy-Nagy am Entwurf einer zeichnerischen Ritzschrift arbeitete, um, wie beschrieben, Schallplatten zu bearbeiten, verfasste Paul Hindemith 1925 seinen Aufsatz »Zur mechanischen Musik« und experimentierte mit mechanischen Klavieren.[32]

Dass Wollny für den bau.haus.klang eine Phonola in seine Jazzcombo integriert, ist aus technischer Sicht also ein Stück Zeitgeschichte und das merkt man auch in der Umsetzung. Das Bedienen der Phonola ist auf der Bühne »gleichzeitig Musizieren auf einem Musikinstrument und das Bedienen einer Maschine, ein handwerklicher Akt, fehleranfällig und nicht ganz glatt«,[33] wie Wollny beschreibt. Genau darin liege für ihn aber auch der Reiz: nicht die reibungslose Funktionalität und die glatten Oberflächen, die auch auf das Bauhaus zurückzuführen sind, in den Vordergrund zu rücken, sondern eher das Handgemachte, den Werkstatt-Charakter, das im positiven Sinne Unfertige, also noch im Entstehen Begriffene der früheren Bauhaus-Jahre. Für heutige Hörgewohnheiten wirken Klang und Erscheinung der Phonola durch den merklich mechanischen Anschlag interessanterweise sowohl neu und experimentell als auch historisch – ist sie sonst doch eher im Museum als auf einer Konzertbühne zu sehen.

Die Bezeichnung ›Phonola‹ ist der Markenname der Firma Hupfeld aus Leipzig für ein von ihnen entwickeltes selbstspielendes Klavier. Selbstspielende Klaviere zählen zu den mechanischen Musikinstrumenten; d. h. die Tonfolge wird von einem Toninformationsträger, hier in Form einer gelochten Papierrolle und nicht von eine_m Musiker_in gesteuert. Mechanische Musikinstrumente funktionieren somit meistens ganz ohne Einwirkungsmöglichkeit eines Menschen. Im Falle der Phonola übernimmt jedoch ein_e Spieler_in durch das Betätigen von Pedalen den pneumatischen Antrieb des Instruments und hat damit auch Einfluss auf Dynamik und Geschwindigkeit. Eine weitere Besonderheit der Phonola, die Wolfgang Heisig spielt, ist, dass es sich um einen separaten Selbstspielapparat handelt, einen sogenannten ›Vorsetzer‹, den man vor jedem konventionellen Flügel oder Klavier anbringen und bedienen kann.[34]

Der Reiz, den die Phonola und andere selbstspielende Klavier mit sich brachten und bringen, ist der nur von einer Maschine zu erreichende Grad an technischer Perfektion. Über anatomische Beschränkungen, wie die Spannweite einer Hand oder die Anzahl der Finger, kann sich die Phonola hinwegsetzen und Tonfolgen in eigentlich ›unspielbarer‹ Geschwindigkeit und Gleichmäßigkeit erklingen lassen – und das in einer Gleichzeitigkeit, als spielten mindestens zwei oder drei Pianist_innen gemeinsam. Ihr charakteristischer Klang entsteht unter anderem durch den exakt gleichbleibenden Anschlag, der keine menschlichen Unregelmäßigkeiten kennt. Zwar kann die Dynamik generell variiert werden, allerdings ist es nicht möglich innerhalb einer Hälfte der Klaviatur zwei Töne in unterschiedlicher Lautstärke anzuschlagen. Das verstärkt den gleichmäßigen, ja mechanischen Klang.[35]

Sowohl äußerlich, im Aufbau auf der Bühne sichtbar, als auch innerhalb der musikalischen Form ist die direkte Gegenüberstellung von Flügel und Phonola ein zentrales Gestaltungsmittel im bau.haus.klang. Ein gutes Beispiel dafür ist schon der Anfang des Stückes. Da der erste Satz unter anderem als Materialvorstellung funktioniert, dient die Gegenüberstellung zu Beginn auch einer Charakterisierung der beiden Instrumente, die gleichzeitig identisch und grundverschieden sind. Ihre Stimmführung und ihr Verhalten zueinander lässt sich als antagonistisch beschreiben, wie im Folgenden genauer zu sehen sein wird.

Michael Wollny eröffnet den ersten Satz »werkstofflehre« mit einer 10-taktigen, metrisch ungebundenen Kadenz am Klavier.[36] Diese Kadenz wird in der Phonola zu Beginn des dritten Teils des ersten Satzes aufgegriffen und ebenfalls solistisch vorgetragen.[37] Obwohl Wolfgang Heisig an der Phonola leichte Unterschiede in Tempo und Dynamik erzeugen kann, wird doch der Kontrast zwischen dem härteren und weniger differenzierten Anschlag der Phonola und dem nuancierteren, agogisch feinsinnigeren Spiel Wollnys schnell deutlich. Dieser Moment veranschaulicht einerseits die Identität des einen mit dem anderen Instrument, da sie klanglich dieselbe Ausgangssituation teilen, sprich dieselbe Bauweise und dasselbe Tonspektrum haben. Andererseits wird im unterschiedlichen Spiel der beiden offenbar, dass sie diese Ausgangssituation nicht auf dieselbe Weise nutzen können. Das wird sowohl, wie beschrieben, an Klang und Anschlag deutlich, aber auch schon an der Haltung, die man am jeweiligen Instrument einnimmt. Das direkte, organische Spiel am Flügel steht der streng gleichmäßigen, monotonen Tretbewegung und dem Wechseln der Notenrollen an der Phonola gegenüber – eine Tätigkeit, die nicht an die Unberechenbarkeit und den persönlichen Ausdruck des Pianisten heranreicht.

Diese Beobachtungen, die direkt beim Zuhören und -schauen gemacht werden können, gipfeln schließlich darin, dass in Flügel und Selbstspielklavier der Gegensatz zwischen Mensch (Pianist) und Maschine (Phonola) wahrgenommen wird. Durch wechselnde Rollenverteilungen wie in der Kadenz des ersten Satzes wird das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine aber nicht als plakative Gegensätzlichkeit gezeigt, sondern gewinnt an Komplexität. So werden z. B. im ersten Teil »kadenz und vorspiel«, in dem die Phonola über 80 Takte hinweg durchgängig Viertel-Akkordrepetitionen spielt, während Klavier und Saxophon die Melodiestimme haben, Hörerwartungen gebrochen, indem Wollny in die Tonwiederholungen einsteigt und die Phonola kurze, freie Melodiefetzen spielt.[38] Diese würde man vom Gestus her zwar eher beim Menschen als bei der Maschine vermuten, beim genaueren Hören haben sie allerdings etwas Starres und leicht Stockiges an sich, weil diese Maschine das »Stufenlose«[39] des menschlichen Klavierspiels, wie Wollny passend beschreibt, nicht nachahmen kann. Insgesamt sorgen das Zusammenspiel und die Kontraste zwischen Flügel und Phonola während des ganzen Stückes für spannende Ambivalenzen: Gegensätze werden aufgebaut, um wenige Takte später wieder hinterfragt zu werden.

Eine wichtige Anmerkung in diesem Zusammenhang ist außerdem, dass die Phonola typischerweise kein Ensembleinstrument ist, da man darauf zwar im Tempo variieren kann, aber ihre Reaktionen durch den pneumatischen Antrieb über die Pedale unflexibel und zeitlich verzögert sind. Das Zusammenspiel von Phonola und der restlichen Band stellt also durchaus eine Herausforderung dar.

Das ›Bedienen‹ der Phonola – darauf verweist schon die Wortwahl – ist ein Akt, der zwischen dem Steuern einer Maschine und dem Spielen eines Instruments angesiedelt ist. Das Stanzen und Einlegen der Notenrollen und das Treten der Pedale gleichen einer handwerklichen Tätigkeit. Wie oben gesehen, ist auch dies ein Punkt, der neben den neuen technischen Entwicklungen eine Verbindungslinie zum Bauhaus zieht. 

Ästhetik

Die besondere Besetzung mit Wolfgang Heisig an der Phonola sowie Leafcutter John an den Bauhaus-Materialien bildet einen Schwerpunkt, der sich durch das gesamte Stück zieht und damit Aufbau und Struktur maßgeblich bestimmt. Darüberhinaus gibt es aber weitere konkrete Bezüge zum Bauhaus, die vielfältig und spezifisch sind und dabei jeweils auf bestimmte ästhetische Ideen und Phänomene des Bauhauses und dessen Umfeld zurückgehen. Um diese unterschiedlichen musikalischen Gestaltungsmittel zu fassen und zu beschreiben, ist deshalb eine so offene Kategorie wie die der Ästhetik nützlich. Sie dient als Sammelbegriff für musikalische und bildkünstlerische Ideen, die am Bauhaus entwickelt oder rezipiert wurden sowie für deren Vertreter.

Anders als in den vorangegangenen Abschnitten zu den Themen Handwerk und Technik soll hier nun nicht der Versuch unternommen werden, ›die‹ Ästhetik des Bauhauses bzw. die Rolle der Ästhetik am Bauhaus darzustellen, denn das würde in jedem Fall zu kurz greifen. Stattdessen sollen unter dem Oberbegriff der Ästhetik die unterschiedlichen musik- und kunstästhetischen Bezüge zum Bauhaus beleuchtet werden, die mittels bestimmter kompositorischer Verfahren und der Titel der jeweiligen Teile ausgedrückt werden.

Bachrezeption

Im Abschnitt 2.1 wurde bereits erwähnt, dass am Bauhaus eine Begeisterung für die Musik von Johann Sebastian Bach verbreitet war sowie ein Interesse an barocken Formprinzipien.[40] Am offenkundigsten gilt dies für Lyonel Feininger, der selbst Fugen komponierte, aber auch in den Kunstwerken von Paul Klee finden sich direkte Bezugnahmen auf Bach, wie beispielsweise in seinen Gemälden Im Bachschen Stil (1919) oder Fuge in Rot (1921). Feininger und Klee ist außerdem gemein, dass sie beide eine langjährige musikalische Ausbildung genossen.[41] Auch wenn das nicht im selben Ausmaß für Johannes Itten gilt, hatte er dennoch ein großes Interesse an Musik als Inspirationsquelle. Dabei spielte auch für ihn die Musik von Bach eine herausragende Rolle und so schrieb er über seine frühen Jahre: »Ich spielte in dieser Zeit Bachsche zweistimmige Fugen und Inventionen jeden Tag vor Beginn des Arbeitens an den Bildern. Ich kam auf den Gedanken, Bilder zu malen, die motivisch ebenso abstrakt wären wie die Intervalle von Bachs Fugenmotiven«.[42]

Im dritten Satz »spiel – zeug – arbeit« in Wollnys Komposition bau.haus.klang ist der dritte Teil mit »bach am bauhaus« überschrieben. Dieser Teil ist aus der Bachrezeption am Bauhaus erwachsen und stellt gleichzeitig ein eigenes Stück Rezeption dar, das es so zu Bauhaus-Zeiten nicht hätte geben können: eine Rezeption der Rezeption also.

Der Teil ist in drei Abschnitte gegliedert, wobei die Phonola eine Improvisation von Michael Wollny am Klavier und Leafcutter John an den Electronics einrahmt. Sowohl die Phonola-Stimme als auch die Klänge von Leafcutter John sind Bearbeitungen aus Bachs Goldberg-Variationen. Eine dieser Bearbeitungen, die Leafcutter John im Voraus hergestellt hat, dient als Grundlage für die Notenrolle, die Wolfgang Heisig für die Phonola stanzt. Nach dem ersten, vielstimmigen und in hohem Tempo vorgetragenen Abschnitt in der Phonola[43] spielt Leafcutter John über einen Lautsprecher im Resonanzraum des Flügels seine in Sinustöne verwandelte Bearbeitung aus den Goldberg-Variationen ab.[44] Die elektronischen Klänge und Wollnys Improvisationen dazu stammen dadurch aus demselben Resonanzraum – ein Spiel mit der Wahrnehmung der Zuhörenden. Indem Leafcutter John die verschiedenen Phasen des Klangverlaufs Attack, Decay, Sustain und Release, d. h. Anstieg, Abfall, Halten und Freigeben, steuert, kann er gemeinsam mit Wollny improvisieren. Der dritte Abschnitt wird wieder von der Phonola solo gespielt und bildet den kurzen, gesteigerten Abschluss dieses Teils.

Bachs Goldberg-Variationen werden in »bach am bauhaus« folglich in zwei neue Medien übersetzt: in die Notenrolle der Phonola und die Sinustöne der elektronischen Klangerzeugung. Außerdem werden sie u. a. durch Wollnys Improvisation auch in eine andere Gattung, den Jazz, übertragen, wobei Bach als originale Grundlage die ganze Zeit hörbar bleibt. Durch diese Art der Bearbeitung und Bezugnahme kommt eine große Experimentierfreude zum Ausdruck, die auch im Sinne der Satzüberschrift »spiel – zeug – arbeit« zu verstehen ist. 

Zwölftonmusik

Dass am Bauhaus neben der Barock- und Klassikrezeption[45] auch ein reges Interesse für moderne zeitgenössische Musik, darunter die avantgardistische Zwölftonmusik, herrschte, wird vor allem an zwei Dingen deutlich: erstens an den dort veranstalteten Konzerten, bei denen im Rahmen der Bauhaus-Woche 1923 beispielsweise Werke von Paul Hindemith, Ferruccio Busoni, Ernst Krenek und Igor Strawinsky aufgeführt wurden[46] und zweitens an den Beziehungen zwischen Bauhäuslern und bedeutenden Komponisten der Zeit. Es waren gerade diese »persönlichen Kontakte zwischen Komponisten, bildenden Künstlern und Architekten, die den Austausch über synästhetische Phänomene zwischen den verschiedenen Gattungen gefördert haben«.[47] Hier sind vor allem die Bekanntschaften zwischen Itten und Josef Matthias Hauer sowie zwischen Kandinsky und Schönberg zu nennen. Itten und Hauer hatten sich 1919 in Wien kennengelernt und pflegten nach Ittens Umzug nach Weimar einen intensiven Briefwechsel zu kunst- und musiktheoretischen Fragen. Sie verband die Vision vom Aufbau einer Musikschule in Weimar in enger Zusammenarbeit mit dem Bauhaus, die sie jedoch nie verwirklichen konnten.[48] 

In Wollnys bau.haus.klang gibt es zwei Teile, die sich explizit auf Avantgarde-Komponisten und Zwölftonmusik beziehen. Einer davon ist im ersten Satz der vierte Teil »mechanische passacaglia – für josef matthias hauer« – eine Widmung an den österreichischen Komponisten Hauer, der im Sommer 1919 noch vor Schönberg eine eigenständige Zwölftonmusik entwickelte.[49] Der Teil ist auf einem 19-taktigen ostinaten Bassmodell aufgebaut, das zuerst drei Mal im Klavier, dann in der Phonola und schließlich im Harmonium erklingt. Dieses Bassmodell ist im Grunde gleichbleibend, es gibt nur leichte Abweichungen oder Tonartwechsel, ohne dass jedoch das gesamte Bassmodell transponiert oder variiert werden würde. Während der ersten drei Durchläufe spielen Klavier und Saxophon dazu weitgehend unisono die Melodiestimme. Als die Phonola in T. 57 die Bassstimme übernimmt,[50] schweigen beide und das Schlagzeug mit Glockenspiel sowie Leafcutter John mit den Bauhaus-Materialien dominieren den nun eher metallisch-perkussiven Ausdruck, bevor ab T. 76 bei der letzten Wiederholung des Passacaglia-Basses auf dem Harmonium das Saxophon seine Melodielinie vom Anfang noch einmal aufgreift.[51] Der Teil endet mit den ersten drei Tönen des Bassmodells, gemeinsam in der Phonola und am Harmonium. In der »mechanischen passacaglia« verwendet Wollny nun nicht, wie man bei einer Widmung an Hauer vermuten könnte, dessen Zwölftontechnik. Stattdessen dient ihm das Hörerlebenis von Hauers Werk Atonale Musik op. 20 von 1922 als Inspirationsquelle und direkter Ausgangspunkt für seine eigene Komposition. Das bedeutet, er verwendet kein musikalisches Material oder konkrete Ideen aus dessen Werk, sondern erarbeitet sein Stück unter dem intensiven Eindruck von Hauers Musik. Diese beschreibt Wollny als halb tonal und halb atonal, als eine sehr besondere Musik, die dem oder der Zuhörenden keinen klassischen Spannungsverlauf bietet, sondern vielmehr in eine Art Zustand oder Trance versetzt.[52]

Bassmodell in der »mechanischen passacaglia«

Im siebten Teil des zweiten Satzes mit dem Titel »schliesse mir die augen beide – nach einem motiv von alban berg« ist die Vorgehensweise dagegen eine andere. Hier bezieht Wollny sich auf Alban Bergs Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Theodor Storm, das in zwei verschiedenen Fassungen vorliegt: Zuerst vertonte Berg das Gedicht im Jahr 1907 für eine Singstimme und Klavier und 1925 ein zweites Mal – nun im Zwölftongewand. Die erste Konstruktionsidee für Wollnys Bearbeitung dieses Liedes war es, den Zwölfton-Satz aus der zweiten Fassung in die Phonola, die Maschine, zu übertragen, während Wollny am Klavier die Melodie der ersten Fassung spielt. Diese Idee fand aber schließlich keine Umsetzung.[53] Die Melodie der ersten Fassung findet sich jedoch deutlich erkennbar in der Melodiestimme am Klavier sowie im Sopransaxophon wieder. Wollnys Bearbeitung setzt mit dem Anfang der zweiten Strophe von Fontanes Gedicht ein und übernimmt Bergs Melodie dabei bis auf ein Vorzeichen quasi wortwörtlich.

Bergs Fassung »schliesse mir die augen beide«; unten: Wollnys Bearbeitung

Vier Takte später wird diese Melodielinie eine große Sekunde tiefer wiederholt. Wollny überträgt außerdem noch andere Ausschnitte bzw. Bausteine aus Bergs Lied, setzt sie neu zusammen und harmonisiert sie anders. Auf diese Weise verfährt er auch bei seinen Coverversionen anderer Stücke und Jazzstandards. So könne man sich klanglich auch relativ weit von der Vorlage entfernen und damit etwas Eigenes schaffen, ohne dass die »DNA eines Stückes« verloren gehe.[54]

Alban Berg stand zwar nicht wie Schönberg oder Hauer mit Bauhäuslern in direktem künstlerischen Austausch, war aber über ein tragisches Ereignis dennoch mit dem Bauhaus verbunden. Er war mit Alma Mahler, der ersten Frau von Walter Gropius befreundet. Als deren Tochter Manon Gropius im April 1935 an Kinderlähmung starb, war Berg zutiefst erschüttert, woraufhin er sein Violinkonzert »Dem Andenken eines Engels« als Requiem für Manon Gropius gestaltete.[55]

Geometrie

Exemplarisch für die Bezüge zu den bildkünstlerischen Anschauungen am Bauhaus, die besonders von ihren wohl berühmtesten Vertretern Paul Klee und Wassily Kandinsky geprägt sind, sollen hier die Teile »quadratisches lento«, »punkt linie fläche« und »abstraktion« aus dem bau.haus.klang betrachtet werden. Schon die Titel weisen auf die besondere Bedeutung des Geometrischen hin. Diese kam vor allem in der von Herzogenrath festgelegten zweiten Phase des Bauhauses auf. So wird nach Ittens Weggang vom Bauhaus 1922 die Reduktion auf die Grundformen, Geometrisches und Konstruktivistisches eine wichtige ästhetische Grundlage in Bildender Kunst und Gestaltung.[56] Davon ausgehend entwickeln sich auch die Maxime von Klarheit der Form, Funktionalität und Abkehr vom Ornament.

An ebendiese Überzeugung erinnert auch die Schlichtheit der Grundform Quadrat, der Wollny den ersten Teil »quadratisches lento« des zweiten Satzes musikalisch widmet. Programmatisch schreibt er mit vier verschiedenen Elementen gleichsam quadratische Musik.[57] Die erste Ebene bildet eine Art musikalisches Metronom in der Phonola. Im 4/4-Takt notiert, hat die Phonola von Anfang bis Ende gleichmäßige, im Staccato vorgetragene Achtelnoten im Viertelabstand – eine Sekunde aus zweigestrichenem g und a, die die gesamte Dauer dieses Teils über deutlich hörbar und als Puls spürbar ist. Außerdem erklingen in der Phonola als zweites Element einfache Dur- oder Moll-Akkorde, die meist über zwei Takte gehalten werden. Zu dieser Grundlage kommt ab T. 14 eine von Wollny als »Spieluhrmelodie«[58] bezeichnete Melodie hinzu, die Schlagzeuger Max Stadtfeld am Glockenspiel und Michael Wollny am Klavier spielen.[59] Zusammen mit dem vierten Element, den tiefen Trommeln, werden diese verschiedenen Gestaltungsmittel auf eine Weise kombiniert, dass jedes einzelne Element immer klar von den anderen unterscheidbar und nachvollziehbar bleibt. Zusammen mit dem Titel »quadratisches lento« lässt sich dieser Aufbau daher mit den vier Seiten eines Quadrats vergleichen sowie mit der Klarheit seiner Form. Ein auf dieser Basis improvisierter Abschnitt ab T. 32 fügt dem »quadratischen lento« Expressivität hinzu.[60]

Sowohl Klee als auch Kandinsky verfolgten in ihren Unterrichten und Vorträgen das gestalterische Grundprinzip »Punkt und Linie zu Fläche«. Klee hielt bereits 1921 eine Vorlesung zu diesem Thema[61] und von Kandinsky liegt aus dem Jahr 1926 eine Lehrschrift mit ebenjenem Titel vor.[62] Dieses Prinzip eröffnet eine Verbindungslinie zwischen Malerei und Musik, welche in der Zeitlichkeit und der Bewegung liegt: »Wenn ein Punkt in Bewegung kommt und zur Linie wird, erfordert das Zeit. Ebenso wenn sich eine Linie zur Fläche verschiebt. Desgleichen die Bewegung von Flächen zu Räumen«.[63] Daraus folgt, dass ohne Bewegung keine Form entstehen kann. Dies ist eine Annahme, die Klee und Kandinsky von der statischen Definition der Elemente und Formen in der Antike unterscheidet.[64] 

Wollny greift dieses Prinzip konkret im zweiten Teil des vierten Satzes mit dem Titel »punkt linie fläche« auf, verwendet es darüberhinaus aber auch grundsätzlicher als Gestaltungsweise der Phonola-Stimme. Der Zusammenhang zwischen dieser »bildnerischen Formlehre«[65] und ihrer musikalischen Umsetzung wird vor allem in der Darstellung einer MIDI-Spur sichtbar. Die einzelnen Punkte, d. h. Töne, reihen sich zu Linien aneinander und ergeben v. a. in der außergewöhnlich großen Tonmenge und Ambitus der Phonola eine Fläche, die als solche nicht nur in der Übertragung der MIDI-Spur sichtbar, sondern auch klanglich hörbar ist.

Darstellung der Phonola-Stimme in »punkt linie fläche« mit dem Sequenzer-Programm Logic

Diese Darstellungsweise einer MIDI-Spur ähnelt im Übrigen den gestanzten Lochkarten bzw. Notenrollen der Phonola, die Wolfgang Heisig herstellt.

Ein weiterer Aspekt, der zwar nicht direkt Geometrisches beschreibt, der sich aber auch in die Vorstellung von Reduktion und Einfachheit einreiht und ebenfalls bei Klee und Kandinsky essentieller künstlerischer Ausdruck ist, ist die Abstraktion. Der dritte Teil des letzten Satzes im bau.haus.klang ist so betitelt und ähnlich wie bei den geometrischen Formen ist die Frage naheliegend, wie sich Abstraktion eigentlich musikalisch umsetzen lässt. 

Im Gespräch mit Michael Wollny ging es bei dieser Frage sehr bald nicht nur um den kurzen Teil »abstraktion« im vierten Satz, sondern um eine allgemeinere Ebene, denn der Begriff der abstrakten Musik nimmt auch auf den Kontrast zwischen Programmmusik und absoluter Musik Bezug, wobei das Abstrakte dem Absoluten sehr nahesteht. Natürlich ist das Werk bau.haus.klang programmatisch zu verstehen, dafür spricht schon der Auftrag zur Eröffnungsfeier des Bauhaus-Jubiläums, ebenso wie die beziehungsreichen Titel der einzelnen Teile. Gleichzeitig bleiben die hergestellten Bezüge aber immer auch abstrakt, und müssen es auch, weil sich der Gegenstand Bauhaus nicht auf dieselbe Weise musikalisch umsetzen lässt, wie etwa eine Erzählung oder ein Naturschauspiel und weil schon die Idee eines Bauhausklangs eine abstrakte ist – es hat ihn nie gegeben. Außerdem spricht die Tatsache, dass Wollny einige Teile aus der Komposition auskoppelt und in andere Zusammenhänge setzt (z. B. erscheint das »quadratische lento« unter dem Titel »Mondenkind« als Soloversion auf seinem im September erschienenen gleichnamigen Album), für einen abstrakten Charakter dieser Musik, weil sie eben nicht auf einen bestimmten Kontext festgelegt bleibt. Auch die Flüchtigkeit von Musik, insbesondere von improvisierter Musik, mache sie laut Wollny zu etwas Abstraktem.[66]

Der Begriff der Abstraktion meint für ihn aber noch etwas anderes, wie er im Gespräch erläutert. Und zwar geht es ihm um die Frage, wie der kreative Prozess der Übertragung von etwas aus einem in ein anderes Medium eigentlich funktioniert:

Wenn ich eine Musik zum Thema Bauhaus schreibe, kann ich versuchen eine Menge konkreter Bezüge anzuhäufen; fast noch wichtiger scheint mir aber, die Bauhaus-Idee in mein Stück zu integrieren, für die Zeit des Schreibens, Probens und Musizierens ein Stück weit das Bauhaus zu leben. Das lässt sich sehr schwer konkret fassen; da spielen plötzlich abstrakte Begriffe wie Freiheit, Risikofreude, Vorläufigkeit, Prozessorientierung eine große Rolle. Vielleicht trifft das auf jede Form von außermusikalisch inspirierter programmatischer Musik zu, dass man vom Thema abstrahieren muß, um zu einer befriedigenden konkreten Form zu finden.[67]

Konkret innerhalb des Stückes reiht sich der Teil »abstraktion« im letzten Satz »bauhaustanz« nach »reprise und durchführung«, »punkt linie fläche« und vor »verdichtung« und das Finale »kinetisches fest«. Die Abstraktion wird durch diese spezifische Anordnung erst entwickelt, d. h. sie entsteht erst im Kontrast zu den anderen Teilen. Spürbar wird sie z. B. durch eine weniger sangbare Melodieführung und durch eine Reduktion der Mittel. Dramaturgisch könne man im Hinblick auf den folgenden, beinahe chaotischen Teil »verdichtung«, der in den Noten als »open noise pendulum« beschrieben wird, und schließlich das wilde, ausgelassene »kinetische fest«, diese Abstraktion und Reduktion auch als die nötige ›Fallhöhe‹ vor dem Ende beschreiben, so Wollny.[68]

Abschließend bleibt zum Thema Ästhetik am Bauhaus festzuhalten, dass diese nicht nur in einem abstrakten, künstlerischen Kontext gedacht wurde, sondern sich im Gegenteil auch auf das konkrete, gesellschaftliche Leben beziehen sollte. Das Ziel war es, »gesellschaftsreformerischen Ideen eine ästhetische Form zu geben«.[69]

Leben

Im Katalog zur ersten Bauhausausstellung 1923 schrieb Walter Gropius: 

Der beherrschende Gedanke des Bauhauses ist also die Idee der neuen Einheit, die Sammlung der vielen ›Künste‹, ›Richtungen‹ und Erscheinungen zu einem unteilbaren Ganzen, das im Menschen selbst verankert ist und erst durch das lebendige Leben Sinn und Bedeutung gewinnt.[70]

Damit stellt Gropius eine Verbindung zwischen Kunst und Leben her, die sich auf verschiedene Weise in der Geschichte des Bauhauses wiederfindet und weiterentwickelt. Unter anderem wird sich diese Auffassung unter dem zweiten Bauhaus-Direktor Hannes Meyer zu einer sozialen Utopie ausweiten. Denn es geht diesem um nichts Geringeres als um »eine grundsätzlicheÄnderung des menschlichen Lebensraumes«.[71] Der Prozess des Bauens sollte seiner Ansicht nach »biologische, geistige, seelische [und] körperliche Bedürfnisse berücksichtigen« und hatte die Wohlfahrtspflege zum Ziel.[72] In der Rezeption ist das Bauhaus im 20. Jahrhundert damit zum ›Urbild‹ einer Position der Kunst geworden, die das Leben betrifft, verwandelt und verändert. Auch die von Gropius betonte künstlerische Ganzheitlichkeit kann als ein soziales Anliegen verstanden werden, da sie ein »kollektives Bewußtsein, Gleichberechtigung und Zusammenwirkung der verschiedenen künstlerischen Bereiche und Produktionsweisen bedeutet«.[73] Man kann also sagen, dass das Bauhaus als Hochschule für Gestaltung auch das Ziel und den Anspruch hatte, das Leben selbst zu gestalten. Davon zeugen auf einer künstlerisch-dokumentarischen Ebene z. B. die Fotografien von Lux Feininger, Sohn des Bauhausmeisters und Malers Lyonel Feininger: »Das Leben als solches, erzählen uns die Bilder, wird zum Gegenstand der Kunst – ein Rohstoff, der bereit ist, gestaltet, aber auch vermarktet und konsumiert zu werden«.[74] Diese Fotografien rücken in der Rezeptionsgeschichte das Thema Leben am Bauhaus in den Fokus und stellen den Versuch dar, »ein bestimmtes ›Lebensgefühl‹ zu erfassen, das am Bauhaus geherrscht haben soll«.[75]

Bevor man entsprechend dieser emotional geprägten Rezeption in den 1980er Jahren Fotoausstellungen besuchen konnte, zeigte schon die Ausstellung »von idee und arbeit, von geist und leben am bauhaus von 1919–1933« im Jahr 1961, dass nunmehr nicht nur die greifbaren Erzeugnisse, sondern eben auch ›Geist‹ und ›Leben‹ des Bauhauses von Interesse waren.[76] Claudia Heitmann, die 1989 Teil des Forschungsprojektes bauhaus medial war, sieht in der Beschäftigung mit dem Leben am Bauhaus auch den Ursprung seiner Mythisierung. Sie beschreibt pointiert, wie das Leben am Bauhaus in der nachträglichen Betrachtung idealisiert und verklärt wurde:

Dieser ›Geist einer Zeit im Aufbruch‹ blieb weitestgehend undefinierbar und vergangen. Aus dieser Aufbruchsstimmung resultierte das sagenumwobene Leben am Bauhaus, in dem es keine Kontaktschwierigkeiten, keine Frustrationen, keinen Ausländerhaß und keinen Neid gab. Die Feste waren zwar ausschweifend und rauschend, aber niemand war betrunken oder belästigte Frauen. […] Übrig blieb der Mythos von der kreativen Lebensgemeinschaft außergewöhnlicher Menschen.[77]

Was diesen Mythos stärker füttert als die ganzheitliche Kunstästhetik oder die Arbeit in den Werkstätten, sind wohl die berühmten Bauhaus-Feste. Stefan Kraus nennt seinen Aufsatz zu diesem Thema daher passend: »Wie auf einem vulkanischen Gelände. Vom Leben am Bauhaus«. Darin beschreibt er die verschiedenen Feiern, von denen manche alljährlich, manche einmalig stattfanden. Sonntäglich gab es Tanzveranstaltungen in der Kantine; größere Feste waren das Laternen- oder das Drachenfest und Mottofeste wie »das weiße fest« oder das »Metallische Fest«.[78] Deren zeitaufwendige und phantasievolle Vorbereitung spricht für ihre besondere Bedeutung und veranschaulicht darüberhinaus die künstlerische Gestaltung des Lebens am Bauhaus. Sowohl in Weimar als auch in Dessau waren diese ausgelassenen Feiern wohl der stärkste Kontrast zum eher konservativ geprägten und bürgerlichen Leben dieser Kleinstädte.[79]

Mittelpunkt der Feste war stets die sogenannte Bauhauskapelle. In verschiedenen zeitgenössischen Quellen, wie z. B. bei Felix Klee, dem Sohn von Paul Klee, oder Lux Feininger, wird sie eindrücklich beschrieben. Feininger nennt die Musik der Bauhauskapelle »wild und zugleich melancholisch, aufbrausend und heimlich wieder abklingend; anklagend und verheißend«.[80] Den dazu improvisierten Bauhaus-Tanz beschreibt Felix Klee als »ein temperamentvolles Stampfen, wozu man viel Platz brauchte«[81] und der Student Farkas Molnár erinnert sich:

Der Tanz nimmt kein Ende. Die Jazzkapelle zerbricht ihre Instrumente. Der Kneipier verliert seine Geduld. Draußen stellt die Polizei Maschinengewehre aus Cherry-Brandy Flaschen auf. Drinnen ist der Höhepunkt erreicht, Barometer 365. Spannungsmaximum. Zapfenstreich der Henker erscheint. Roter Pfeil. Notausgang.[82]

Die Bauhauskapelle war ein häufig wechselndes Ensemble, das aus Studierenden bestand. Gegründet hatte sie 1924 Andor Weininger, der Klavier spielte und dazu sang – »ekstatisch über die Tasten gebeugt und leise lächelnd den Kopf schüttelnd«.[83] Ein besonderes Merkmal der Band waren die selbstgebauten Instrumente. Dazu gehörten neben Schlagzeug und einer Variante der Lotusflöte auch eigene Kreationen wie der sogenannte ›Bumbaß‹ und das ›Flex-a-ton‹. Die Wirkung dieser Instrumente beschreibt Lux Feininger besonders anschaulich: so erzeuge der Bumbaß »das Um-pa-Um-pa der taktmäßigen Begleitung des Tanzes« und das »[m]ehr oder minder heftige[ ], anhaltende[ ] Vibrieren« des Flex-a-tons produziere »eine Art von klingelndem basso continuo«, während auf der Lotusflöte »[e]in tongerechtes Treffen von größeren Intervallen […] Glücksache« war.[84]

Anhand dieser Beschreibungen kann man sich das eigenwillige, lebendige und unkonventionelle Auftreten der Bauhauskapelle gut vorstellen. Die Musik, die sie spielten, war ebenso singulär: eine Mischung aus osteuropäischen folkloristischen Elementen mit Jazz und Blues, dazu die Geräuscheffekte der selbstgebauten Instrumente.[85] Der Charakter der Band und ihrer Musik wandelte sich allerdings, als Weininger 1928 das Bauhaus verließ, hin zu einer stärkeren Professionalisierung, die sich z. B. darin bemerkbar macht, dass neue Instrumente, wie Saxophon, Posaune und Klarinette angeschafft wurden.[86] Insgesamt galt die Bauhauskapelle auch über ihre internen Auftritte hinaus als eine der temperamentvollsten Jazzbands in Deutschland, wie Hüneke feststellt.[87] 

Wenn sich ein Jazzmusiker wie Michael Wollny mit der Musik am Bauhaus auseinandersetzt, kann die Beschäftigung mit dieser außergewöhnlichen Band kaum ausbleiben. Auf der Ebene der Besetzung finden sich Parallelen zur Bauhauskapelle, wie Wollny selbst im Konzert bemerkt.[88] Zwar ist die Formation aus Klavier, Schlagzeug und Saxophon natürlich kein Alleinstellungsmerkmal der Bauhauskapelle, aber sie hätte so doch zumindest auch dort zu erleben sein können. Vor allem aber der experimentelle Charakter, der u. a. durch die sozusagen selbstgebauten Klänge von Leafcutter John der Jazzband hinzugefügt wird, ähnelt der Eigenart der Bauhauskapelle.

Wollny nimmt in seinem Werk bau.haus.klang aber nicht nur im Aufbau auf die Bauhauskapelle Bezug, sondern auch musikalisch. Der vierte und letzte Satz, der als »bauhaustanz« betitelt ist, könnte als Hommage an das ausgelassene Leben am Bauhaus, an die Feste und die kreative Wildheit gelesen werden. Dafür arbeitete Wollny seine frühere Komposition Hexentanz von 2007 um; hauptsächlich indem er den zweiten Teil in die »Punkt-Linie-Fläche-Orchestration« umarrangierte und den letzten Teil austauschte. Dieser Teil, das »kinetische fest« ist – genau wie auch die Titelbezeichnungen, die im Hexentanz einfach »Teil 1–5« hießen – speziell für den bau.haus.klang entstanden.[89] Der Schluss des Stückes ist energiegeladen, betont rhythmisch und treibend. Freie, improvisierte Abschnitte wechseln sich mit auskomponierten, wiederkehrenden Passagen ab, die aus sehr schnellen Akkordbrechungen auf- und abwärts in Klavier und Saxophon bestehen (T. 47 ff.). Während das Stück insgesamt eher als eine aktuelle Interpretation des musikalischen Umfelds der Bauhaus-Zeit zu verstehen ist, ist nun der Abschluss fast schon eine Zeitreise in die 20er Jahre und zu den wilden Bauhaus-Festen. Bezeichnenderweise schweigen sowohl Leafcutter John als auch die Phonola, denn dieser Teil ist Ausdruck von Wildheit und Ekstase. Die organischen, unberechenbaren Entwicklungen wären nicht mit der Phonola-Stimme vereinbar, die Wollny auch als »unaufhaltsam und unveränderbar« beschreibt.[90]

Fazit:
»Changieren zwischen Gesetz und Intuition«[91]

Als wichtigste Pfeiler im bau.haus.klang können abschließend folgende Elemente bestimmt werden: erstens die Umsetzung der Bauhaus-Materialien in Klänge sowie deren elektronische Bearbeitung, zweitens der Einsatz der Phonola als Zeitzeuge der 20er Jahre und als Gegenspieler zu Michael Wollny am Flügel, drittens die Verweise auf ästhetische Konzepte der Bauhaus-Zeit, aber viertens auch auf das gemeinschaftliche Zusammenleben, die zahlreichen Feste und die kreative Energie am Bauhaus. Die entsprechende Kategorisierung in die Bereiche Handwerk, Technik, Ästhetik und Leben hatte einerseits zum Ziel, diese verschiedenen Facetten und Pfeiler der Komposition darzustellen. Andererseits sollte dadurch ein Zugang zum Bauhaus kreiert werden, der besonders einen Blick für die Vielschichtigkeit, die inspirative Kraft, aber auch die Widersprüchlichkeiten ermöglicht. 
Das weite ästhetische Feld, mit dem man dabei konfrontiert ist, legt durchaus die überspitzte Frage nahe: »Ist nicht alles ein bisschen Bauhaus?«[92] Das mag irritierend scheinen, ist aber im Grunde nur folgerichtig, denn »[n]icht etwa vorgefasste Lehrmeinungen oder Stilvorgaben charakterisierten das Bauhaus, sondern ein hohes Maß an Individualität und Pluralismus«.[93] In der Kunst könne gerade diese Vielfalt, die eben auch Spannungen und Widersprüche mit sich bringt, eine Inspiration sein, meint Wollny: 

Generell ist die Spannung zwischen Strukturalismus und Anarchie sehr inspirierend für die kompositorische Arbeit. Genauso wie das Bauhaus eine ausgesprochen minuziös strukturierte Schule war, in einer architektonisch und konzeptionell durchkomponierten Architektur, in dem Platz war zum eigenständigen Arbeiten, zum Neu-Denken, zum Ausprobieren, für strenge Empfänge und wilde Partys, so sollte mein Stück ein sehr streng aufgebauter Rahmen sein, in dem fünf Instrumentalisten mit Maschinen und Instrumenten diese Ideen musikalisch darstellen können. Quasi zwischen Klangstudien, formaler Strenge und Charleston-Ekstase.[94]

Andi Schoon nennt dieses Phänomen der so dicht beieinander liegenden Gegensätze am Bauhaus »[d]as Changieren zwischen Gesetz und Intuition«.[95] Man könnte auch den bau.haus.klang als ein solches Changieren verstehen. In diesem Sinne beschreibt Wollny seine Komposition als eine Art Parcours oder Spielplatz, bestehend aus den Instrumenten, der Struktur und dem zeitlichen Rahmen.[96] Sie bildet sozusagen das Gerüst – oder in Anlehnung an Schoon das Gesetz bzw. die Spielregeln –, auf dem die einzelnen Spieler mit ihren unterschiedlichen Charakteristika in Aktion treten, d. h. gemeinsam spielen. Vor allem, aber nicht nur, in den improvisierten Passagen ist dieses Spiel von Intuition geprägt, wodurch sich also eine Analogie von Schoons Charakterisierung des Bauhauses zu Wollnys bau.haus.klang ziehen lässt.

Ein Parcours birgt allerdings, so kann man die Metapher verstehen, auch Hindernisse. Einige davon sind gewisse »Balancerechnungen«, wie Wollny sie nennt, die Teil der Arbeit werden, auch wenn man versucht, möglichst frei davon zu sein. Hier geht es z. B. um die Einberechnung der speziellen Umstände eines Konzerts zur offiziellen Eröffnung des 100. Bauhaus-Jubiläums, bei dem nicht nur die vorgegebene Länge der Darbietung, die akustischen Möglichkeiten des Saals und die Größe der Bühne die Komposition beeinflussen, sondern auch die Tatsache, dass das Publikum beispielsweise nicht unbedingt in erster Linie aus Jazzfans oder Kenner_innen der Musik des frühen 20. Jahrhunderts besteht. »Man überlegt sich schon, wie viel Obskurität kann da sein, gerade weil sich das Thema, Bezüge zum Bauhaus herzustellen und hörbar zu machen, nicht stilistisch konkretisieren lässt«, so Wollny. An solchen Überlegungen merke man, dass manchmal äußere Widersprüche oder Zwiespälte schwieriger zu vereinen sind als ästhetische Widersprüche in der Kunst.[97] 

Eingangs war die Rede von Wulf Herzogenraths Buchtitel Das Bauhaus gibt es nicht. Ebensowenig wie nur ›das eine‹ Bauhaus existiert, kann man ›den einen‹ Bauhaus-Klang finden. Vielmehr ist Wollnys Komposition bau.haus.klang daher vielleicht als eine persönlich-künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Bauhaus und den damit verbundenen Ideen und Materialien zu sehen. Es geht ihm nicht um die generalisierende – und darüberhinaus wohl kaum haltbare – These: ›So klingt das Bauhaus!‹.[98] Stattdessen werden auf der Bühne Prozesse von Spiel, Experiment und Grenzüberschreitung erforscht.


Anmerkungen

[1] Andreas Haus: »Bauhaus – Ein Phänomen der Rezeption. Eine Vorbemerkung«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, hrsg. von dems., Berlin 1994, S. 7.

[2] Ebd., S. 9.

[3] Christoph Wagner: »Ist die Moderne unsere Antike? Eine Nachlese zur Mythenbildung in der Bauhaus-Rezeption mit einer Fallstudie zu Boris Kleints Bildlehre«, in: Mythos Bauhaus. Zwischen Selbsterfindung und Enthistorisierung, hrsg. von Anja Baumhoff, Berlin 2009, S. 17.

[4] Wulf Herzogenrath: Das Bauhaus gibt es nicht, Berlin 2019, S. 14.

[5] Philip Ursprung: »Leben entwerfen. Warum wir von den Bauhaus-Schülern mehr als von seinen Meistern lernen können«, in: Our Bauhaus Heritage. Unser Bauhaus Erbe, hrsg. von Sandra Hofmeister, München 2019, S. 13.

[6] Ines Weizmann: »Auf den Spuren der ›Bauhaus-Moderne‹. Zur Geschichte und Wirkung einer Schule«, in: APuZ 13–14 (2019), https://www.bpb.de/apuz/287810/auf-den-spuren-der-bauhaus-moderne-zur-geschichte-und-wirkung-einer-schule, eingestellt: 22.3.2019, zugegriffen: 2.9.2020.

[7] Sandra Hofmeister: »100 Jahre Bauhaus: Was bleibt?«, in: Our Bauhaus Heritage. Unser Bauhaus Erbe, hrsg. von ders., München 2019, S. 7.

[8] Michael Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[9] ARTE Concert: Videoaufzeichnung des Konzerts mit Michael Wollny in der Akademie der Künste am 16.1.2019 zur Eröffnungsfeier »100 Jahre Bauhaus«, 00:29:00. 

[10] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[11] Ebd.

[12] Walter Gropius: Manifest und Programm des Bauhauses, zitiert nach: Magdalena Droste: Bauhaus 1919–1933, Köln 2019, S. 33.

[13] Walter Gropius: Manifest und Programm des Bauhauses, zitiert nach: Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 35.

[14] Übersicht über die Bauhaus-Werkstätten, https://www.bauhauskooperation.de/wissen/das-bauhaus/lehre/werkstaetten/, zugegriffen: 4.11.2020.

[15] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 76.

[16] Siehe Anmerkung 13. 

[17] Andi Schoon: »Nicht nur für, sondern auch gegen etwas ausbilden! Ein Plädoyer, die spartenübergreifende Kunsthochschule politisch zu denken«, in: Bauhaus Imaginista 4 (2019), http://www.bauhaus-imaginista.org/articles/5956/to-train-not-only-for-but-also-against-something/de, zugegriffen: 21.10.2020.

[18] Auffällig ist im Übrigen, dass sich Gropius im Nachhinein von diesem emphatischen Plädoyer für das Handwerk distanziert, indem er betont, es sei ihm immer nur auf die Verbindung der künstlerischen Dinge des Entwurfs mit der Industrie angekommen – was seinem Bauhaus-Manifest allerdings widerspricht. Die Gründe dafür können an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Hier soll nur darauf verwiesen sein, dass die Betonung des Handwerks zwar als konstitutiv für die Schule angesehen werden kann, sich aber mit den Jahren und von Lehrmeisterin zu Lehrmeister auch andere Ansichten finden.

[19] Christoph Metzger: »Musik am laufenden Band – eine kleine Musikgeschichte des Bauhauses«, in: Bauhaus, hrsg. von Jeannine Fiedler und Peter Feierabend, Köln 1999, S. 141.

[20] Ebd., S. 279.

[21] Régine Bonnefoit: »Paul Klee und die ›Kunst des Sichtbarmachens‹ von Musik«, in: Archiv für Musikwissenschaft, 65/2 (2008), S. 126.

[22] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 73.

[23] Brief Johannes Itten an Josef Matthias Hauer vom 5.11.1919, in: Johannes Itten. Werke und Schriften, hrsg. von Willy Rotzler, Zürich 1972, S. 68, zitiert nach: Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 48. 

[24] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 121.

[25] Ebd., S. 126.

[26] Ebd., S. 104. 

[27] Philipp Oswalt: »Das untote Bauhaus. Oder: Warum ist das Bauhaus aktuell? – Essay«, in: APuZ 13–14 (2019), https://www.bpb.de/apuz/287812/das-untote-bauhaus-oder-warum-ist-das-bauhaus-aktuell, eingestellt: 22.3.2019, zugegriffen: 2.9.2020.

[28] Gabriele Diana Grawe: »Der Kristall zersplittert. Tendenzen in der Bauhaus-Rezeption am Ende des 20. Jahrhunderts«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994, hrsg. von Andreas Haus, S. 96.

[29] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 127.

[30] Metzger: »Musik am laufenden Band – eine kleine Musikgeschichte des Bauhauses«, S. 151.

[31] Andi Schoon: Die Ordnung der Klänge. Das Wechselspiel der Künste vom Bauhaus zum Black Mountain College, Bielefeld 2006, S. 82.

[32] Ebd., S. 82 f.

[33] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[34] Jürgen Hocker: Art. Mechanische Musikinstrumente, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., https://www.mgg-online.com/mgg/stable/11490, zugegriffen: 21.10.2020.

[35] Ebd.

[36] Videoaufzeichnung des Konzerts vom 16.1.2019: 1. Satz, Teil 1 »kadenz und vorspiel«, 00:01:25. 

[37] Ebd., 1. Satz, Teil 3 »kadenz und skalenstudie«, 00:09:55.

[38] Ebd., 1. Satz, Teil 1 »kadenz und vorspiel«, ab 00:03:55.

[39] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[40] Metzger: »Musik am laufenden Band – eine kleine Musikgeschichte des Bauhauses«, S. 150.

[41] Ebd., S. 278.

[42] Johannes Itten: »Fragmente zu Leben und Werk«, in: Johannes Itten. Werke und Schriften, hrsg. von Willy Rotzler, Zürich 1972, S. 31, zitiert nach: Andreas Hüneke: »Musik am Bauhaus«, in: Musikkultur in der Weimarer Republik, hrsg. von Wolfgang Rathert und Giselher Schubert, Mainz 2001 (= Frankfurter Studien. Veröffentlichungen des Hindemith-Institutes Frankfurt/Main, Band 8), S. 196.

[43] Videoaufzeichnung des Konzerts vom 16.1.2019: 3. Satz, Teil 1 »bach am bauhaus«, 00:53:55.

[44] Ebd., 00:54:28.

[45] Neoklassizistische Tendenzen, wie sie in der Musik der 1920er Jahre ebenfalls aufkommen und am Bauhaus z. B. mit der Rezeption der Werke Ferruccio Busonis präsent waren, können in diesem Kontext vernachlässigt werden, da sie auf das Stück von Wollny keine besondere Auswirkung haben.

[46] Schoon: Die Ordnung der Klänge, S. 52.

[47] Metzger: »Musik am laufenden Band – eine kleine Musikgeschichte des Bauhauses«, S. 143.

[48] Michael Siebenbrodt: »Jazzkapelle und Gesamtkunstwerk. Musik am Bauhaus in Weimar«, in: Übertönte Geschichten. Musikkultur in Weimar, hrsg. von Hellmut Th. Seemann und Thorsten Valk, Göttingen 2011, S. 128.

[49] Barbara Boisits: Art. Hauer, Josef Matthias: in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., https://www.mgg-online.com/mgg/stable/45957, zugegriffen: 21.10.2020.

[50] Videoaufzeichnung des Konzerts vom 16.1.2019: 1. Satz, Teil 4 »mechanische passacaglia«, 00:17:19.

[51] Ebd., 00:18:28.

[52] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[53] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[54] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[55] Thomas Ertelt: Art. Berg, Alban in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., https://www.mgg-online.com/mgg/stable/46622, zugegriffen: 4.11.2020.

[56] Herzogenrath: Das Bauhaus gibt es nicht, S. 18.

[57] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[58] Ebd.

[59] Videoaufzeichnung des Konzerts vom 16.1.2019: 2. Satz, Teil 1 »quadratisches lento«, 00:32:02.

[60] Ebd., 00:33:37.

[61] Bonnefoit: »Paul Klee und die ›Kunst des Sichtbarmachens‹ von Musik«, S. 123.

[62] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 149.

[63] Paul Klee: Schriften, Rezensionen und Aufsätze, Köln 1976, S. 130 f., zitiert nach: Schoon: Die Ordnung der Klänge, S. 36. Teil des Kunstwerks sind für Klee auch der Malvorgang und die spätere Bildbetrachtung. (Schoon: ebd., S. 37) Diese Vorstellung lässt sich auch auf die Musik übertragen, da in dieser der Entstehungs- und Aufführungsprozess sowie das Hören der Rezipierenden essentiell sind.

[64] Bonnefoit: »Paul Klee und die ›Kunst des Sichtbarmachens‹ von Musik«, S. 123.

[65] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 134.

[66] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[67] Ebd.

[68] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[69] Weizmann: »Auf den Spuren der ›Bauhaus-Moderne‹. Zur Geschichte und Wirkung einer Schule«, siehe Anmerkung 5.

[70] Walter Gropius: »Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses«, in: Staatliches Bauhaus Weimar 1919–1923, Ausstellungskatalog, hrsg. von Karl Nierendorf, Weimar/München 1923, S. 9, zitiert nach: Herzogenrath: Das Bauhaus gibt es nicht, S. 11.

[71] Petra Eisele: »Kunst und Design – eine neue Einheit! Zur Rezeption des Bauhauses in den achtziger Jahren«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994, hrsg. von Andreas Haus, S. 80.

[72] Droste: Bauhaus 1919–1933, S. 404.

[73] Grawe: »Der Kristall zersplittert. Tendenzen in der Bauhaus-Rezeption am Ende des 20. Jahrhunderts«, S. 98.

[74] Philip: »Leben entwerfen. Warum wir von den Bauhaus-Schülern mehr als von seinen Meistern lernen können«, S. 19.

[75] Eisele: »Kunst und Design – eine neue Einheit! Zur Rezeption des Bauhauses in den achtziger Jahren«, S. 83.

[76] Claudia Heitmann: »Etablierung des Mythos Bauhaus. Die Rezeption in den 60er Jahren – Zwischen Erinnerung und Aktualität«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994, hrsg. von Andreas Haus, S. 59.

[77] Ebd.

[78] Stefan Kraus: »Wie auf einem vulkanischen Gelände. Vom Leben am Bauhaus«, in: Herzogenrath: Das Bauhaus gibt es nicht, S. 134 f. 

[79] Ebd., S. 135.

[80] Lux Feininger: »Die Bauhauskapelle«, in: Das frühe Bauhaus und Johannes Itten. Katalogbuch anläßlich des 75. Gründungsjubiläums des Staatlichen Bauhauses in Weimar, hrsg. von Rolf Bothe u. a., Ostfildern 1994, S. 375.

[81] Felix Klee: »Erinnerungen an das Bauhaus«, in: Bauhaus und Bauhäusler. Erinnerungen und Bekenntnisse, hrsg. von Eckhard Neumann, Köln 1985, S. 82 f.

[82] Farkas Molnár: »Das Leben am Bauhaus«, 1925, zitiert nach: Kraus: »Wie auf einem vulkanischen Gelände. Vom Leben am Bauhaus«, S. 136.

[83] Feininger: »Die Bauhauskapelle«, S. 374 f.

[84] Ebd., S. 375 f.

[85] Kraus: »Wie auf einem vulkanischen Gelände. Vom Leben am Bauhaus«, S. 136.

[86] Feininger: »Die Bauhauskapelle«, S. 378.

[87] Hüneke: »Musik am Bauhaus«, S. 191.

[88] Videoaufzeichnung des Konzerts vom 16.1.2019, 00:29:00.

[89] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[90] Oliver Uschmann: »Der Kampf gegen die schwarze Hand. Gespräch mit Michael Wollny«, https://www.bauhausfestival.de/news/interviews/interview-mit-michael-wollny/, zugegriffen: 4.11.2020.

[91] Schoon: Die Ordnung der Klänge, S. 44.

[92] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[93] Michael Siebenbrodt und Lutz Schöbe: Bauhaus 1919–1933, New York 2012, S. 7.

[94] Michael Wollny: Schriftliche Antworten aus dem Gespräch vom 5.10.2020.

[95] Schoon: Die Ordnung der Klänge, S. 44.

[96] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[97] Wollny: Gespräch vom 5.10.2020.

[98] Romy Sydow: Video Hundert Jahre Bauhaus – musikalisch, https://www.arte.tv/de/videos/087317-000-A/hundert-jahre-bauhaus-musikalisch/, zugegriffen: 4.11.2020, 00:00:24.

Literatur

Boisits, Barbara: Art. Hauer, Josef Matthias: in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., https://www.mgg-online.com/mgg/stable/45957, zugegriffen: 21.10.2020.

Bonnefoit, Régine: »Paul Klee und die ›Kunst des Sichtbarmachens‹ von Musik«, in: Archiv für Musikwissenschaft, 65/2 (2008), S. 121–151.

Droste, Magdalena: Bauhaus 1919–1933, Köln 2019.

Eisele, Petra: »Kunst und Design – eine neue Einheit! Zur Rezeption des Bauhauses in den achtziger Jahren«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, hrsg. von Andreas Haus, Berlin 1994, S. 75–86.

Ertelt, Thomas Art. Berg, Alban in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., https://www.mgg-online.com/mgg/stable/46622, zugegriffen: 4.11.2020.

Feininger, Lux: »Die Bauhauskapelle«, in: Das frühe Bauhaus und Johannes Itten. Katalogbuch anläßlich des 75. Gründungsjubiläums des Staatlichen Bauhauses in Weimar, hrsg. von Rolf Bothe u. a., Ostfildern 1994, S. 374–380.

Grawe, Gabriele Diana: »Der Kristall zersplittert. Tendenzen in der Bauhaus-Rezeption am Ende des 20. Jahrhunderts«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, hrsg. von Andreas Haus, Berlin 1994, S. 87–101.

Haus, Andreas (Hrsg.): Bauhaus-Ideen 1919–1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, Berlin 1994.

Haus, Andreas: »Bauhaus – Ein Phänomen der Rezeption. Eine Vorbemerkung«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, hrsg. von dems., Berlin 1994, S. 7–9.

Heitmann, Claudia: »Etablierung des Mythos Bauhaus. Die Rezeption in den 60er Jahren – Zwischen Erinnerung und Aktualität«, in: Bauhaus-Ideen 1919–1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, hrsg. von Andreas Haus, Berlin 1994, S. 51–65.

Herzogenrath, Wulf: Das Bauhaus gibt es nicht, Berlin 2019.

Hocker, Jürgen: Art. Mechanische Musikinstrumente, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., https://www.mgg-online.com/mgg/stable/11490, zugegriffen: 21.10.2020.

Hofmeister, Sandra (Hrsg.): Our Bauhaus Heritage. Unser Bauhaus Erbe, München 2019.

Hofmeister, Sandra: »100 Jahre Bauhaus: Was bleibt?«, in: Our Bauhaus Heritage. Unser Bauhaus Erbe, hrsg. von ders., München 2019, S. 7–9.

Holler, Wolfgang: Vorwort, in: Das Bauhaus gibt es nicht, Berlin 2019, S. 6–9.

Hüneke, Andreas: »Musik am Bauhaus«, in: Musikkultur in der Weimarer Republik, hrsg. von Wolfgang Rathert und Giselher Schubert, Mainz 2001 (= Frankfurter Studien. Veröffentlichungen des Hindemith-Institutes Frankfurt/Main, Band 8), S. 189–197.

Klee, Felix: »Erinnerungen an das Bauhaus«, in: Bauhaus und Bauhäusler. Erinnerungen und Bekenntnisse, hrsg. von Eckhard Neumann, Köln 1985, S. 78–85.

Kraus, Stefan: »Wie auf einem vulkanischen Gelände. Vom Leben am Bauhaus«, in: Das Bauhaus gibt es nicht, Berlin 2019, S. 125–141.

Metzger, Christoph: »Musik am laufenden Band – eine kleine Musikgeschichte des Bauhauses«, in: Bauhaus, hrsg. von Jeannine Fiedler und Peter Feierabend, Köln 1999, S. 140–151.

Oswalt, Philipp: »Das untote Bauhaus. Oder: Warum ist das Bauhaus aktuell? – Essay«, in: APuZ 13–14 (2019), https://www.bpb.de/apuz/287812/das-untote-bauhaus-oder-warum-ist-das-bauhaus-aktuell, eingestellt: 22.3.2019, zugegriffen: 2.9.2020.

Piepenbrink, Johannes: »Bauhaus. Editorial«, in: APuZ 13–14 (2019), https://www.bpb.de/apuz/287807/editorial, eingestellt: 22.3.2019, zugegriffen: 2.9.2020.

Schoon, Andi: »Nicht nur für, sondern auch gegen etwas ausbilden! Ein Plädoyer, die spartenübergreifende Kunsthochschule politisch zu denken«, in: Bauhaus Imaginista 4 (2019), http://www.bauhaus-imaginista.org/articles/5956/to-train-not-only-for-but-also-against-something/de, zugegriffen: 21.10.2020.

Schoon, Andi: Die Ordnung der Klänge. Das Wechselspiel der Künste vom Bauhaus zum Black Mountain College, Bielefeld 2006.

Siebenbrodt, Michael und Schöbe, Lutz: Bauhaus 1919–1933, New York 2012.

Siebenbrodt, Michael: »Jazzkapelle und Gesamtkunstwerk. Musik am Bauhaus in Weimar«, in: Übertönte Geschichten. Musikkultur in Weimar, hrsg. von Hellmut Th. Seemann und Thorsten Valk, Göttingen 2011, S. 121–136.

Sydow, Romy: Video Hundert Jahre Bauhaus – musikalisch, https://www.arte.tv/de/videos/087317-000-A/hundert-jahre-bauhaus-musikalisch/, zugegriffen: 4.11.2020.

Ursprung, Philip: »Leben entwerfen. Warum wir von den Bauhaus-Schülern mehr als von seinen Meistern lernen können«, in: Our Bauhaus Heritage. Unser Bauhaus Erbe, hrsg. von Sandra Hofmeister, München 2019, S. 11–19.

Uschmann, Oliver: »Der Kampf gegen die schwarze Hand. Gespräch mit Michael Wollny«, https://www.bauhausfestival.de/news/interviews/interview-mit-michael-wollny/, zugegriffen: 4.11.2020.

Wagner, Christoph: »Ist die Moderne unsere Antike? Eine Nachlese zur Mythenbildung in der Bauhaus-Rezeption mit einer Fallstudie zu Boris Kleints Bildlehre«, in: Mythos Bauhaus. Zwischen Selbsterfindung und Enthistorisierung, hrsg. von Anja Baumhoff, Berlin 2009, S. 16–33.

Weizmann, Ines: »Auf den Spuren der ›Bauhaus-Moderne‹. Zur Geschichte und Wirkung einer Schule«, in: APuZ 13–14 (2019), https://www.bpb.de/apuz/287810/auf-den-spuren-der-bauhaus-moderne-zur-geschichte-und-wirkung-einer-schule, eingestellt: 22.3.2019, zugegriffen: 2.9.2020. 

Wollny, Michael: Gespräch vom 5.10.2020.

Ablaufplan des Konzertes

bau.haus.klang

eine harmonielehre

1. WERKSTOFFLEHRE

teil 1: 00:01:25

kadenz und vorspiel

teil 2: 00:06:30

metall (interludium 1) 

teil 3: 00:09:55

kadenz und skalenstudie

teil 4: 00:15:05

mechanische passacaglia – für josef matthias hauer

teil 5: 00:19:50

glas (interludium 2) 

teil 6: 00:22:37

die schwarze hand

2. LYRISCHES KABINETT

teil 1: 00:30:55

quadratisches lento 

teil 2: 00:35:41

lyrisches stück 

teil 3: 00:38:32

farbe (interludium 3)

teil 4: 00:40:55

kleiner dreier

teil 5: 00:43:52

webstoff (interludium 4)

teil 6: 00:45:20

nachklang-groteske

teil 7: 00:47:23

schliesse mir die augen beide – nach einem motiv von alban berg

3. SPIEL – ZEUG – ARBEIT

teil 1: 00:53:55

bach am bauhaus

teil 2: 00:56:29

holz (interludium 5)

teil 3: 00:58:50

achtzehn vierundneunzig – mixolydische hexametrik-synthese

4. BAUHAUSTANZ

teil 1: 01:04:00

reprise und durchführung

teil 2: 01:08:40

punkt linie fläche

teil 3: 01:11:50

abstraktion

teil 4: 01:14:43

verdichtung

teil 5: 01:15:55kinetisches fest

Tonsatz / Komposition / Musiktheorie in der SBZ/DDR

Arne Lüthke

Lehrende im Bereich Tonsatz / Komposition / Musiktheorie an Musikhochschulen und Universitäten in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR (1945–1960er Jahre) 

Die nachfolgende Übersicht ist nach Institutionen eingeteilt, innerhalb dieser sind die Personen alphabetisch sortiert. Zu jeder Person wurden, so weit bekannt und nachweisbar, die Lebensdaten, die Fachbezeichnung, der Beginn der Lehrtätigkeit, die jeweiligen Kompositions- und Theorielehrer sowie gegebenenfalls einschlägige Publikationen hinzugefügt. Die Kurztitel bei den Nachweisen erschließen sich mit Hilfe des am Ende stehenden Verzeichnisses. Sollten sich neue Erkenntnisse ergeben, werden Ergänzungen und Korrekturen vorgenommen (z. B. fehlen bisher Personen, die an der Humboldt-Universität zu Berlin unterrichtet haben).

Zwingend erforderlich erscheint ein Hinweis bezüglich der Fachbezeichnungen. Die Bezeichnungen Tonsatz, Komposition und (Musik-)Theorie wurden häufig ausgetauscht, zwischen den Nachschlagewerken gibt es Differenzen. Beispielhaft erwähnt seien hierfür die Fachzuordnungen der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Berlin. Im Verzeichnis von 1950 werden die Dozenten nach den Fächern Komposition, Theorie und Gehörbildung sortiert, im Verzeichnis von 1965 werden alle Lehrenden dem Fach Komposition zugeordnet. Im Verzeichnis von 1974 sind die Fächer Tonsatz und Komposition aufgeführt.[1] Der Verfasser hat die Angaben (bis auf Ausnahmen) nicht durch eigene Recherche mittels Personalakten aus Hochschularchiven, sondern durch die Literatur ermittelt. Im Einzelfall könnte eine eigene tiefergehende Recherche geboten sein.

Hinweise auf Fehler oder Ergänzungsvorschläge nimmt der Verfasser dieser Übersicht gern unter arne.luethke@hmt-leipzig.de entgegen.

Deutsche Hochschule für Musik / Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Berlin

Asriel, André (1922–2019)
Theorie (Stand) 1950, Komposition (Stand 1965)
Studium bei E. H. Meyer, R. Schwarz-Schilling, H. Wunsch, H. Eisler
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39–40; SL 2019; Seeger 1966 (Bd. 1), S. 56.

Bumcke, Gustav (1876–1963)
Theorie (Stand 1950)
Studium bei G. Kuhlenkampff, M. Bruch, E. Humperdinck (nicht gesichert)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39.
Publikationen: Aufgaben für die Harmonielehre: nebst einer Sammlung cantus firmi für den Kontrapunkt, Berlin 1911; Harmonielehre 1. u. 2. Teil, Berlin 1921.

Dittrich, Paul-Heinz (* 1930)
Komposition (Stand 1965); ab 1960
Studium bei F. F. Finke, R. Wagner-Régeny
Nachweis: Amzoll 2001 / 2016; HfM Hanns Eisler 1975, S. 40; Seeger 1966 (Bd. 1), S. 231.

Eisler, Hanns (1898–1962)
Komposition (Stand 1950)
Studium bei A. Schönberg
Nachweis: Ahrend 2001 / 2016; HfM Hanns Eisler 1975, S. 39.

Heicking, Lieselotte (?)
Komposition (Stand 1965)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40.

Heicking, Wolfram (1927–?)
Komposition (Stand 1965)[2]; ab 1952
Studium bei P. Schenk, W. Weismann
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40; VDK 21966, S. 74.
Publikation: Die Entwicklung von Klangvorstellungen im Fach ‚Musiktheorie mit Gehörbildung‘, unveröffentlichte Dissertationsschrift, Potsdam 1959.

Hemmann, ? (?)
Theorie (Stand 1950)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39.

Hermann, Jürgen (1927–2018)[3]
Arrangieren; ab 1964
Studium bei M. Trapp, W. Jentsch
Nachweis: VDK 21966, S. 77.

Hohensee, Wolfgang (1927–2018)[4]
Komposition (Stand 1965); ab 1955
Studium bei P. Höffer, K. F. Noetel, H. Eisler, L. Spies
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40; VDK 21966, S. 80–81.

Hunold, ? (?)
Theorie (Stand 1950)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39.

Kochan, Günter (1930–2009)
Theorie (Stand 1950), Komposition (Stand 1965)
Studium bei K. F. Noetel, B. Blacher, H. Wunsch, H. Eisler
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39–40; Thein 2016.

Manicke, Dietrich (1923–2013)[5]
Theorie (Stand 1950)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39.
Publikationen: Der polyphone Satz, Köln 1965 (1. Teil) und 1979 (2. Teil).

Nier, Helmut (1919–2002)[6]
Gehörbildung (Stand 1950)
Studium bei O. Neubert
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39; VDK 21966, S. 150.

Oschatz, Ruth: siehe Zechlin, Ruth

Ragwitz, Erhard (* 1933)
Komposition; ab 1973
Studium bei O. Gerster, W. Weismann, F. Reuter, P. Schenk
Nachweis: BGHB 1997 (Bd. 2), S. 681; HfM Hanns Eisler 1975, S. 42.
siehe auch Hochschule für Theater und Musik Halle/Saale + Hochschule für Musik Leipzig

Rahnsch, Helmut (?)
Theorie (1950)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39.

Volny, Adolf (?)
Komposition (Stand 1965)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40.

Wagner-Régeny, Rudolf (1903–1969)
Komposition; ab 1950
Studium bei Fr. E. Koch, E. N. v. Reznicek, F. Schreker, S. Ochs
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39–40; Teutsch 2007 / 2016; VDK 21966, S. 216–217.
siehe auch Hochschule für Musik Rostock

Walter, Ludwig (?)
Komposition (Stand 1965)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40.

Wilbrandt, Jürgen (1922–?)
Komposition (Stand 1965); ab 1954
Studium bei R. Wagner-Régeny
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40; VDK 21966, S. 223.
Publikation: Schöpferischer Kontrapunkt, Leipzig 1959 (mit Johannes Forner)

Zechlin, Ruth (geb. Oschatz; 1926–2007)
Gehörbildung (Stand 1950), Komposition (Stand 1965)
Studium bei J. N. David, W. Weismann, P. Schenk
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 39–40; Mutschelknauss / SL 2016.

Zühlsdorf, Renate (?)
Komposition (Stand 1965)
Nachweis: HfM Hanns Eisler 1975, S. 40.

Staatliche Akademie für Musik und Theater / Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber« Dresden

Finke, Fidelio F. (1891–1968)
Komposition; 1946–1951; auch Rektor
Studium bei V. Nóvak
Nachweis: Fuchs 2001 / 2016; VDK 21966, S. 53–55.

Geißler, Fritz (1921–1984)
Komposition; 1969–1975
Studium bei M. Dehnert, W. Weismann, B. Blacher
Nachweis: Seeger 1966 (Bd.1), S. 315; SL 2002 / 2016; VDK 21966, S. 60–61.
siehe auch Hochschule für Musik Leipzig + Universität Leipzig

Griesbach, Karl-Rudi (1916–2000)[7]
Theorie, Komposition; ab 1952
Studium bei P. Jarnach
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 351; VDK 21966, S. 69–70.

Klix, Helmut (?)
Nachweis: nicht gesichert
Publikationen: Lehrbriefe für das Fernstudium. Lehrbrief 4. Der vierstimmige Satz, Halle/Saale 1964.

Thilman, Johannes Paul (1906–1973)
Komposition; ab 1948 oder 1953
Studium bei H. Grabner
Nachweis: Grützner 2006 / 2016; Seeger 1966 (Bd. 2), S. 485–486.
Publikationen: u.a. Probleme der neuen Polyphonie, Dresden 1949; Musikalische Formenlehre in unserer Zeit, Dresden 1951.

Weiss, Manfred (* 1935)
Musiktheorie, Komposition; ab 1959
Studium bei H. Stieber, F. v. Glasenapp, R. Zechlin, J. Wilbrandt, R. Wagner-Régeny
Nachweis: VDK 21966, S. 220; http://www.manfredweiss.com/, 06.12.2020

Staatliche Hochschule für Theater und Musik Halle / Saale

Draeger, Walter (1888–1976)[8]
Theorie, Komposition; 1952–1955
Studium bei O. Taubmann, F. Schreker
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 238; VDK 21966, S. 45–46.
siehe auch Hochschule für Musik Weimar

Glasenapp, Franz von (?)
Musiktheorie
Nachweis: https://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Hochschule_f%C3%BCr_Theater_und_Musik_Halle, 06.12.2020

Görner, Hans-Georg (1908–1984)[9]
Komposition; ab 1953
Studium bei L. Schrattenholz
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1) S. 344–345; VDK 21966, S. 65–66.

Reuter, Fritz (1896–1963)
Theorie, Komposition; 1950–1955
Studium bei S. Krehl, H. Riemann, H. Abert (Musikwissenschaft) u. a.
Nachweis: Holtmeier 2005 / 2016; VDK 21966, S. 169–171.
Publikationen: u.a. Methodik des musiktheoretischen Unterrichts auf neuzeitlichen Grundlagen, Halle 21951; Praktische Harmonik des 20. Jahrhunderts, Halle 1952.

Stieber, Hans (1886–1969)
Komposition; 1948–1955 (eventuell ab 1947); baute 1947 die Hochschule auf
Studium in Leipzig und Sondershausen
Nachweis: BGHB (Bd. 2) 1997, S. 898–899; VDK 21966, S. 204–205.

Universität Halle-Wittenberg

Kallausch, Kurt (1926–2017)[10]
Musiktheorie; ab 1958 (Lektor)
Studium bei P. Schenk, O. Gerster, F. Reuter
Nachweis: VDK 21966, S. 90.

Wohlgemuth, Gerhard (1920–2001)
Musiktheorie; 1956–1972
Studium bei F. Reuter (privat); Medizinstudium
Nachweis: Klingberg 2007 / 2016.

Staatliche Hochschule für Musik – Mendelssohn Akademie Leipzig

Beilschmidt, Curt (1886–1962)[11]
Theorie (Stand 1948/49); Theorie (Stand 1956)
Nachweis: Prospekt 1948/49, S. 18; Prospekt 1956, S. 24.

Dehnert, Max (1893–1972)[12]
Theorie, Instrumentation, Partiturspiel, Schulmusik (Stand 1948/49); ab 1948
Studium bei J. G. Mraczek
Nachweis: Prospekt 1948/49, S. 18; Seeger (Bd. 1), S. 200; VDK 21966, S. 36–37.
Publikation: Vom musikalischen Hören, Leipzig 1962 (populärwissenschaftlich).

Deuticke, Annette (?)
Theorie (Stand 1948/49)
Nachweis: Prospekt 1948/49, S. 18.

Drechsel, Hans-Joachim (?)
Theorie; Assistent (Stand 1956)
Nachweis: Prospekt 1956, S. 24.

Finke, Fidelio F. (1891–1968)
Komposition; ab 1951
Studium bei V. Nóvak
Nachweis: Fuchs 2001 / 2016; VDK 21966, S. 53–55.
siehe auch Staatliche Akademie für Musik und Theater Dresden

Geißler, Fritz (1921–1984)
Komposition; 1965–1970, 1974–1978
Studium bei M. Dehnert, W. Weismann, B. Blacher
Nachweis: Seeger 1966 (Bd.1), S. 315; SL 2002 / 2016; VDK 21966, S. 60–61.
siehe auch Hochschule für Musik Dresden, Universität Leipzig

Gerster, Ottmar (1897–1969)
Komposition; ab 1952
Studium bei B. Sekles
Nachweis: SL / Stieglitz 2002 / 2016, VDK 21966, S. 63–64.
siehe auch Hochschule für Musik Weimar

Matz, Arnold (1904–1991)
Theorie (Stand 1948/49)
Studium bei J. N. David
Nachweis: Prospekt 1948/49, S. 18; http://www.arnold-matz.de/, 07.12.2020
hauptberuflich Solo-Bratscher des Gewandhausorchesters

Ortwein, Carlernst (1916–1986)[13]; Pseud.: Conny Odd
Komposition, Instrumentation, Filmmusik; ab 1962
Studium bei G. Raphael, J. N. David
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 2), S. 261; VDK 21966, S. 156–157.

Oschatz, Ruth (1926–2007; später Zechlin, Ruth)
Gehörbildung (Stand 1948/49)
Studium bei J. N. David, W. Weismann, P. Schenk
Nachweis: Mutschelknauss / SL 2016; Prospekt 1948/49, S. 18.
siehe auch Hochschule für Musik »Hanns Eisler Berlin«

Ragwitz, Erhard (* 1933)
?; ab 1964
Studium bei O. Gerster, W. Weismann, F. Reuter, P. Schenk
Nachweis: BGHB (Bd. 2) 1997, S. 681.
siehe auch Hochschule für Musik Berlin

Schenk, Paul (1899–1977)
Theorie, Gehörbildung, Methodik und Geschichte der Musiktheorie (Stand 1948/49); seit 1925
Studium bei S. Karg-Elert, S. Krehl
Nachweis: Goltz 2013, S. 394; Holtmeier 2005 / 2016; Prospekt 1948/49, S. 18; Prospekt 1956, S. 24; Seeger 1966 (Bd. 2), S. 381.
Publikationen: Gehörbildungslehre, 8 H., Trossingen 1951; Schule des Blattsingens, Leipzig 1953; Funktioneller Tonsatz. Arbeiten am Klavier., 2 Bde., Leipzig 1954; Modulationslehre, Leipzig 1954.

Singer, Ingeborg (?)
Theorie; Oberassistentin (Stand 1956)
Nachweis: Prospekt 1956, S. 24.

Stolte, Siegfried (1925–1991)
Tonsatz; ab 1961 oder ab 1958
Studium bei W. Weismann
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 2), S. 452–453; VDK 21966, S. 206–207.

Wagner, Ruth (?)
Theorie; Assistentin (Stand 1956)
Nachweis: Prospekt 1956, S. 24.

Weismann, Wilhelm (1900–1980)
Theorie und Komposition (Stand 1948/49); Komposition (Stand 1956); ab 1946
Studium bei H. Lang, H. Schlegel, S. Karg-Elert, M. Ludwig
Nachweis: Liedtke 2007 / 2016; Prospekt 1948, S. 18; Prospekt 1956, S. 24; Seeger 1966 (Bd. 2), S. 542.

Weyrauch, Johannes (1897–1977)[14]
Komposition und Theorie (Stand 1948/49), Komposition (Stand 1956); ab 1946
Studium bei C. Beilschmidt (privat), S. Krehl, S. Karg-Elert
Nachweis: Prospekt 1948/49, S. 18; Prospekt 1956, S. 24.

(Karl-Marx-)Universität Leipzig

Geißler, Fritz (1921–1984)
Musiktheorie; ab 1954
Studium bei M. Dehnert, W. Weismann, B. Blacher 
Nachweis: Seeger 1966 (Bd.1), S. 315; SL 2002 / 2016; VDK 21966, S. 60–61.
siehe auch Hochschule für Musik Dresden + Hochschule für Musik Leipzig

Lohse, Fred (1908–1987)[15]
Theorie, Komposition; ab 1952
Studium bei H. Grabner 
Nachweis: VDK 21966, S. 127–128.
Publikationen: Probleme des zweistimmigen vokalen Satzes, unveröffentlichte Dissertationsschrift, Leipzig 1959; Die musikalische Linearität des 20. Jahrhunderts als ordnendes Prinzip einer historisch begründeten und neu entwickelten Systematik des Tonsatzes, unveröffentlichte Habilitationsschrift, Leipzig 1967.

Hochschule für Musik, Theater und Tanz Rostock

Pistor, Carlfriedrich (1884–1969)
Tonsatz; 1948–1954 (Lektor)
Studium bei H. Kaun
Nachweis: VDK 21966, S. 163–164.

Wagner-Régeny, Rudolf (1903–1969)
Komposition; 1947–1950
Studium bei Fr. E. Koch, E. N. v. Reznicek, F. Schreker, S. Ochs
Nachweis: Teutsch 2007 / 2016
siehe auch Deutsche Hochschule für Musik Berlin

Staatliche Hochschule für Musik / Hochschule für Musik »Franz Liszt« Weimar

Böckmann, Alfred (1905–1995)[16]
Komposition, Tonsatz; ab 1952
Studium bei W. Maler, W. Braunfels, W. Jarnach
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 114–115.
Publikation: Modulations-Lehre, Leipzig und Berlin 1953.

Cilenšek, Johann (1913–1998)
Komposition, Tonsatz; 1947–1980
Studium bei J. N. David
Nachweis: Härtwig 2000 / 2016; Huschke 2006, S. 323.

Draeger, Walter (1888–1976)[17]
Theorie, Komposition; 1955–1963
Studium bei O. Taubmann, F. Schreker
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 238; VDK 21966, S. 45–46.
siehe auch Hochschule für Theater und Musik Halle/Saale

Gerster, Ottmar (1897–1969)
Komposition, Musiktheorie; ab 1947; 1948–1951 Direktor
Studium bei B. Sekles
Nachweis: SL / Stieglitz 2002 / 2016; VDK 21966, S. 63–64.
siehe auch Staatliche Hochschule für Musik Leipzig

Hlouschek, Theodor (1923–2010)[18]
Musiktheorie, Instrumentation, Musikgeschichte, Dirigieren; ab 1951
Studium bei O. Gerster, Promotion bei H. Besseler
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 393–394; VDK 21966, S. 78–79.
Publikation: Hermann Zilcher, sein Leben, sein Werk, Dissertationsschrift, Weimar 1952.

Hübschmann, Werner (1901–1969)[19]
Komposition[20]; ab 1952
Studium bei H. Grabner, E. Wolff
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 404–405.

Kirmße, Herbert (1924–2015)[21]
Musiktheorie, Gehörbildung; ab 1951
Studium bei O. Gerster
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 1), S. 478.

Nowka, Diether (1924–1998)[22]
Musiktheorie, Komposition; ab 1974
Studium bei H. Grabner, H. Eisler, M. Butting
Nachweis: BGHB (Bd. 2), S. 607; Seeger 1966 (Bd. 2), S. 230.
Publikation: Europäische Kompositionsgeschichte, Landsberg 1999.

Osten, Elisabeth von der (1903–1976)[23]
Theorie, Cembalo, Gehörbildung; ab 1939
Studium bei K. Hänsgen, R. Wetz
Nachweis: Hochschularchiv Weimar, StA-AR538 und PA715
Publikationen: Der musikalische Satz, Leipzig 1955; Singende Völker, Leipzig 1957.

Pischner, Hans (1914–2016)[24]
Theorie, Klavier, Musikgeschichte; ab 1946; Cembalo (Stand 1948)
Nachweis: Huschke 2006, S. 362; VDK 21966, S. 162.
Publikation: Die Harmonielehre Jean-Philippe Rameaus. Ein Beitrag zur Geschichte des musikalischen Denkens, Leipzig 1963.

Rasch, Kurt (1902–1986)
Komposition; 1946–1947
Studium bei R. Wetz
Nachweis: Huschke 2006, S. 323; Rectanus 2005 / 2016.

Riethmüller, Helmut (1912–1966)[25]
Komposition, Musiktheorie; 1947–1959
Studium bei H. Unger, E. Rummel
Nachweis: Seeger 1966 (Bd. 2), S. 345.

Thurm, Joachim (1927–1995)[26]
Tonsatz, Musiktheorie, Gehörbildung; ab 1957
Studium bei O. Gerster, J. Cilenšek
Nachweis: nicht gesichert

Abkürzungsverzeichnis

BGHB: Biographisches Handbuch der SBZ / DDR 1945–1990 

HfM Hanns Eisler: Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Berlin

Prospekt 1948/49: Staatliche Hochschule für Musik Leipzig, Prospekt, Leipzig [1948–1949].

Prospekt 1956: Hochschule für Musik Leipzig, Prospekt, hrsg. anlässlich des 10. Jahrestages der Wiedereröffnung der Hochschule, Leipzig 1956.

VDK: Verband Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler

Anmerkungen

[1] HfM Hanns Eisler, S. 39–48. 

[2] Laut VDK 21966, S. 74: Tonsatz

[3] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Hermann, 06.12.2020

[4] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Hohensee, 06.12.2020

[5] Todesjahr laut https://www.boosey.com/composer/Dietrich+Manicke, 06.12.2020

[6] Siehe https://www.nmz.de/kiz/nachrichten/komponist-helmut-nier-ist-tot, 06.12.2020

[7] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Rudi_Griesbach, 06.12.2020

[8] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Draeger, 06.12.2020

[9] Todesjahr laut https://de.schott-music.com/shop/autoren/hans-georg-goerner, 06.12.2020

[10] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Hochschule_f%C3%BCr_Theater_und_Musik_Halle, 06.12.2020

[11] Todesjahr laut https://de.schott-music.com/shop/autoren/curt-beilschmidt, 07.12.2020

[12] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Dehnert, 07.12.2020

[13] Todesjahr laut http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70236866, 07.12.2020

[14] Todesjahr laut https://merseburger.de/autor/weyrauch-johannes/, 07.12.2020

[15] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Lohse, 06.12.2020

[16] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_B%C3%B6ckmann, 06.12.2020

[17] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Draeger, 06.12.2020

[18] Todesjahr laut http://www.dohr.de/autor/hlouschek.htm, 07.12.2020

[19] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_H%C3%BCbschmann, 07.12.2020

[20] Ebd.

[21] Todesjahr durch Internetsuchmaschine ermittelt

[22] Todesjahr laut https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Nowka, 07.12.2020

[23] Todesjahr laut Information des Gemeindearchivs Rosenheim an den Verfasser dieser Übersicht

[24] Todesjahr laut https://www.tagesspiegel.de/kultur/zum-tod-von-hans-pischner-tasten-traeume-taten/14700170.html, 15.12.2020

[25] Todesjahr laut https://www.universaledition.com/helmut-riethmueller-597, 07.12.2020

[26] Geburts- und Todesjahr laut http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90054064, 07.12.2020

Quellen und Literatur

Ahrend, Thomas: Eisler, Hanns, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2001, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/14735

Amzoll, Stefan: Dittrich, Paul-Heinz, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2001, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/22205

Baumgartner, Gabriele und Herbig, Dieter (Hrsg.): Biographisches Handbuch der SBZ / DDR 1945–1990, 2 Bde., München u. a. 1996 / 1997.

Fuchs, Torsten: Finke, Fidelio F., in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., veröffentlicht November 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/374859

Goltz, Maren: Musikstudium in der Diktatur. Das Landeskonservatorium für Musik / die Staatliche Hochschule für Musik Leipzig in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945, Stuttgart 2013.

Grützner, Vera: Thilman, Johannes Paul, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u.a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2006, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/23675

Härtwig, Dieter: Cilenšek, Johann, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u.a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2000, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/21000

Hochschularchiv der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar / Thüringisches Landesmusikarchiv, Studentenakte StA-AR538 und Personalakte PA715 von Elisabeth von der Osten (geb. Müller).

Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Berlin, Jubiläumsschrift, erschienen zum 25-jährigen Bestehen der Hochschule, Berlin 1975.

Hochschule für Musik Leipzig, Prospekt, hrsg. anlässlich des 10. Jahrestages der Wiedereröffnung der Hochschule, Leipzig 1956.

Holtmeier, Ludwig: Reuter, Fritz, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2005, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/27133

Ders.: Schenk, Paul, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2005, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/25894

Huschke, Wolfram: Zukunft Musik. Eine Geschichte der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, Köln u. a. 2006.

Klingberg, Lars: Wohlgemuth, Gerhard, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2007, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/21750

Liedtke, Ulrike: Weismann, Wilhelm, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2007, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/22138

Mutschelknauss, Eduard und SL: Zechlin, Ruth, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., veröffentlicht November 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/46998

Rectanus, Hans: Rasch, Kurt, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2005, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/27391

Seeger, Horst (Hrsg.): Musiklexikon, 2 Bde., Leipzig 1966.

SL: Geißler, Fritz, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2002, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/24694

SL und Georg Stieglitz: Gerster, Ottmar, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2002, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/24817

SL: Asriel, Andre, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., veröffentlicht Juni 2019, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/375466

Staatliche Hochschule für Musik Leipzig, Prospekt, Leipzig [1948–1949].

Teutsch, Karl: Wagner-Régeny, Rudolf, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., zuerst veröffentlicht 2007, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/22400

Thein, Annette: Kochan, Günter, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel u. a. 2016ff., veröffentlicht November 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/50093

Verband Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler (Hrsg.): Komponisten und Musikwissenschaftler der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 11959 und 21966.

Wagner-Régeny, Rudolf: Aufzeichnungen »Die Tage« (1962–63). Schweigen im Schatten der Mauer, übertragen und kommentiert von Matthias Tischer, in: Musik in der DDR. Beiträge zu den Musikverhältnissen eines verschwundenen Staates, hrsg. von Matthias Tischer, Berlin 2005.


zuletzt aktualisiert am 15.12.2020

Forum der Fakultät III: „Musik und Musikforschung im digitalen Wandel“

Mit Themen rund um Musik und Digitalität beschäftigte sich am 13.11.2020 das Forum der Fakultät III unter dem Titel „Musik und Musikforschung im digitalen Wandel“. Die Veranstaltungsreihe „Forum“ hat das Ziel, Vertreter_innen der drei Säulen von Kunst, Pädagogik und Wissenschaft an der Fakultät III miteinander ins Gespräch zu bringen, indem Studierende und Lehrende aktuelle Arbeitsvorhaben und Interessensgebiete kurz und zwanglos zur Diskussion stellen. Der Austausch soll nicht nur über diese Themen informieren, sondern auch das spezifische Profil der Fakultät III in seiner ganzen Bandbreite sichtbar machen.

Die Referentinnen und Referenten stellten Themen und Projekte rund um Arbeitsvorhaben zur Digitalität fast aus der gesamten Fakultät vor. Den Anfang der ersten Sektion, „Digital lehren“, machte Prof. Ipke Starke (Fachrichtung Komposition/Tonsatz) mit Gedanken über „Technik und Methodik: Zur Infrastruktur für die digitale Lehre an der HMT“. Ein besonderes Augenmerk lenkte er auf Open-Source-Lösungen zur digitalen Lehre wie die Videoplattform BigBlueButton, zeigte zugleich aber auch die Grenzen auf: Digitale Lehre darf in Zukunft nicht zur Kostensenkung gegen Präsenzlehre ausgespielt werden. Es folgten Nora-Elisabeth Leinen-Peters und Daniel Prantl (Institut für Musikpädagogik) mit ihrer Präsentation „Digitale Lehre in der Musikdidaktik an der HMT Leipzig“, in der sie diesbezügliche Überlegungen und Projekte aus dem Institut für Musikpädagogik mit viel Beispielmaterial anschaulich vorstellten. Julia Bartha (Institut für Musikpädagogik) zeigte sodann in ihrem Arbeitsbericht „Digitaler Klavierunterricht und digitale Korrepetition“ Werkzeuge und Unterrichtsmethoden aus dem instrumentalpädagogischen Bereich, die sie während des Corona-Shutdowns im Frühjahr 2020 selbst entwickelt hatte.

Die zweite Sektion, „Digital spielen“, beschäftigte sich mit Themengebieten rund um das Computerspiel und seine Musik. Beste Özçelebi (Meisterklassenabsolventin der Fachrichtung Komposition/Tonsatz) kommentierte ihr Stück „SFF“, in dem sie Material aus der „Street Fighter“-Serie für eine Tänzerin, einen Sänger und Multimedia kompositorisch verarbeitet, und stellte sodann die Komposition im Video ausschnittsweise vor. Christoph Hust berichtete eingangs des folgenden Vortrags über Aktivitäten am Institut für Musikwissenschaft in der Forschung zur Musik im digitalen Spiel; Dr. Alexandra Vinzenz (Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg) stellte ausgehend von einer Leipziger Tagung Gedanken zum bildwissenschaftlichen Umgang mit dem Phänomen „Pixel-Art“ vor. Carsten Göpfert (Absolvent des Instituts für Musikpädagogik) präsentierte im Anschluss auf der Grundlage seiner Staatsexamensarbeit eine Fallstudie zur Funktion von Sounds in der Spieleserie „Far Cry“.

In der folgenden Sektion, „Digital forschen“, machte Maximilian Rosenthal M.A. (Institut für Musikwissenschaft) den Anfang mit seiner Vorstellung des DFG-Projektes „Geschmacksbildung und Verlagspolitik“, das mit dem Einsatz von Methoden der Digital Humanities einen neuen Blick auf die Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts werfen möchte. Christina Jany (Absolventin des Instituts für Musikpädagogik) präsentierte eine facettenreiche Fallstudie zur Musik auf Streamingplattformen, indem sie sich mit dem Konzept von „Glokalität“ und der Musik in deutschen Netflix-Produktionen auseinandersetzte. Im Kontext eines DHI-Projektes zu Gioseffo Zarlino stellten sodann Daniel Muzzulini (Institute for Computer Music and Sound Technology der Zürcher Hochschule der Künste) und Prof. Dr. Christoph Reuter (Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien) digitale Rekonstruktionen von Instrumenten und Stimmungssystemen des 16. Jahrhunderts vor. Johanna Mehler (Institut für Musikpädagogik) setzte mit ihrem Vortrag über „Digitale Suffizienz“ den Schlusspunkt, in dem sie sich mit Themen zu Digitalität und Nachhaltigkeit wie Energiebedarf, Medienzugang, Umweltschutz und Datensparsamkeit beschäftigte und am Schluss nochmals den Bogen zurück zu den Open-Source-Lösungen schlug.

Dass das Forum, erstmals thematisch gebunden und erstmals (themengerecht) digital abgehalten, breit wahrgenommen wurde und die knappen Zeiten für Diskussionen immer lebhaft ausgefüllt waren, unterstrich die Relevanz des Themas: Nicht nur ist im Zuge der Coronakrise die digitale Lehre mit ihren Möglichkeiten und Grenzen in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, sondern auch unabhängig davon sind Digitalität und der digitale Wandel in Kunst, Pädagogik und Wissenschaft Themen, denen zahlreiche Studierende und Lehrende der HMT ihre Aufmerksamkeit widmen. Es ist zu erwarten, dass die Möglichkeit und Notwendigkeit, sich hiermit (auch kritisch) auseinanderzusetzen, in der Zukunft bestehen bleiben: Digitalität ist weit mehr als ein ephemeres „Corona-Phänomen“ und wird den künstlerischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Alltag von uns allen immer mehr bestimmen.

Lena Herrmann und Richard Koal: Musik und Werbung – US-Wahlwerbespots 2020

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Lena Herrmann und Richard Koal zur Musik im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2020.

Lena Herrmann und Richard Koal

HMT Leipzig

Musik im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2020

Mara Muck: Musik in der Tabakwerbung

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Mara Muck zur Musik in der Tabakwerbung.

Mara Muck

HMT Leipzig

Musik in der Tabakwerbung

Jakob Treptow: Das Ende der Geschichte und die neoliberale Hybrid-Musik

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Bernadette Bickel und Anila Mannl zum Vergleich des Musikeinsatzes in der Bier- und in der Sektwerbung.

Jakob Treptow

HMT Leipzig

Das Ende der Geschichte und die neoliberale Hybrid-Musik

„Co-branding“ featuring Apple

We’re not in the business of content or commerce but in creativity. We are in the business of creating brand experiences. Brands are the central focus of what we do.[1]

Dieses Zitat eines Werbeagenturchefs von 2002 fasst gut zusammen, worum es im neoliberalen, auf Massenkonsum orientierten Kapitalismus geht: Marken müssen in der riesigen Konkurrenz eines unübersichtlichen Marktes herausstechen und Konsument_innen an sich binden. Dies kann nur gelingen, wenn sie es schaffen, für mehr zu stehen als nur ein zu verkaufendes Produkt. Im Vergleich zur klassischen Ware des frühen Kapitalismus braucht eine Marke mitsamt ihren Produkten nicht nur einen Gebrauchswert, also einen für die Menschen ersichtlichen Nutzen – heutzutage muss „Brand identity“ mit allen Sinnen erlebbar sein:

You can see it, touch it, hold it, hear it, watch it move.[2]

Und hier kommt spätestens die Musik ins Spiel. „Spätestens“, weil es naiv wäre zu glauben, erst die moderne Markenkultur hätte zu einer Kommerzialisierung der „reinen, edlen“ Musik geführt. Nein, Musik wurde als soziale Praxis und Teil der Kultur immer von den gesellschaftlichen Umständen und ihren Verwertungszwängen mitgeprägt, vor allem seit Beginn des Kapitalismus.[3] Jedoch ist die Verbindung zwischen Werbung und Musik seit der anhaltenden Krise der „klassischen“, auf Tonträger-Verkäufe angewiesenen Musikindustrie so intensiv wie nie.[4] Damit ist aber auch die Unterscheidung zwischen Marke, Produkt, Musik und Interpret_in / Künstler_in so verschwommen und unklar wie nie. Pinie Wang bezeichnet diese zunehmende Vermischung aus Werbung und Musik in ihrer Dissertation als „hybride Musikform“.[5]Musik ist nur noch „Nebencontent“[6] und wird funktional eingesetzt, um andere Medien in ihrer Wirkung zu unterstützen.

Wirkungen der Musik auf Konsumentscheidungen werden im Bereich der Werbung schon lange genutzt. Bereits 1981 konstatierte Siegmund Helms, dass es „außerordentlich wichtig“ sei, „dass der Werbungstreibende eine Beeinflussung der Gefühle der Umworbenen erreicht“.[7] Dies ist umso mehr gültig, bedenkt man, dass der Neoliberalismus einen extremen, wie Grant D. McCracken sagt, „expansiven Individualismus“[8] forciert und dieser wiederum ganz im Sinne der Marktlogik vorrangig im Konsum ausgelebt wird. Für Vertreter_innen der Kreativindustrie ist es in diesem Spannungsfeld essenziell, dass eine Marke und die zugehörige Musik „part of the DNA of how a person defines him- or herself“ wird.[9] Einer erfolgreichen Marke muss es vor allem gelingen, ein Massenprodukt, das abertausende Menschen besitzen, zu etwas Persönlichem und Einzigartigem umzudeuten, dies obendrein noch für möglichst viele Individuen gleichzeitig. In dieser individualistischen Verwertungslogik ist aber nicht nur das zu bewerbende Produkt eine Marke. Auch der_die Künstler_in selbst muss sich über mehr als „nur“ seine_ihre Musik am Markt behaupten. Genau genommen ist in moderner Werbung also ein Prozess des „co-brandings“[10] zu beobachten, sprich: die wechselseitige Unterstützung (mindestens) zweier Marken – der Konzern mit seinem zu verkaufenden Produkt einerseits und der_die Musikschaffende mit seiner_ihrer zu vermarktenden Musik andererseits.

Dafür gibt es unzählig viele Beispiele. Eines der klassischsten ist wohl Stings Song Desert Rose von 2001, der sowohl Jaguar-Werbung und Musikvideo in einem verkörpert,[11] … 

…, quasi ein Prototyp hybrider Marketing-Kunstform. Doch die Industrien entwickeln sich weiter. Durch Globalisierung, Digitalisierung und daraus neu entstehender Werbekonzepte verschmelzen auch die einzelnen Medienindustrien immer weiter.

Das Beispiel, das uns im Weiteren beschäftigen wird, stammt aus der Technologiebranche. Diese hat ein besonderes Verhältnis zur Musik, ist sie doch wesentlich für den sich verändernden, digitalisierten Musikmarkt mitverantwortlich. iTunes und Spotify haben CD und Vinyl längst verdrängt.

Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum die Analyse von Werbungen der Technologiebranche lohnend ist. So ist sie es doch, die besonders erfolgreich darin ist, sich selbst immer wieder neu zu „branden“. Allen voran steht das auf Lifestyle und hippen (Massen-)„Luxus“ setzende kalifornische Unternehmen Apple.[12] Als eines der wertvollsten Unternehmen der Welt schafft es Apple immer wieder, sein Image von „exklusiv, aber bediener_innenfreundlich“, von „innovativ, aber auch markentreu“ in den Köpfen der Konsument_innen zu etablieren. Vieles davon zeigt sich im Werbespot zum derzeit aktuellsten MacBook Pro.

Apple und die Kreativität der „Co-Brander“

Dass Apple erneut ein für diese Firma typisches Image bedient, wird schon durch die dominierende Schwarz-weiß-Optik deutlich: zeitloser Luxus im gestochen scharfen Retrolook.

Der Clip ist grob in zwei Teile gegliedert. Im ersten wird der Fokus darauf gesetzt, das Markenimage mit vielerlei Bedeutung aufzuladen, ehe der zweite wiederum voll auf das zu verkaufende Produkt fokussiert. Durchweg begleitet wird der Spot vom Song Tokyo Drifting von den Glass Animals & Denzel Curry.

Teil 1

Es beginnt mit chorischem Gesang im Forte, der an Gospel-Sounds erinnert. Dieses erste Motiv taucht im originalen Songintro genau ein Mal auf, ehe Gesang mit Text einsetzt. Bei Apple wird es hingegen zwei zusätzliche Male wiederholt. Beim ersten Mal sieht man das Monument Valley in Arizona und in der Pause vor der ersten Wiederholung darf sich der (Werbe-)Fotograf Chris Burkhard dazu äußern, was „Kreativität“ für ihn bedeutet. Ein zweites Mal erklingt das Motiv eher im Hintergrund, wenn Burkhard weiter ausführt, dass es für ihn vor allem darum geht, immer besser zu werden – Kreativität als zeitgeistiges Mantra der Selbstoptimierung.

Noch in der zweiten musikalischen Wiederholung tritt eine neue Person auf, der Produzent Oak Felder. Er beschreibt Kreativität als einen „casual but intense process“ und wird gezeigt, wie er im Studio mit einem Schlagzeuger zusammen aufnimmt. Der Hintergrundtrack wird hier mit einer zweiten musikalischen Ebene, die visuell sichtbar ist, verbunden: Zuerst laufen die Drum-Fills unabhängig, ja fast schon kontrapunktisch zur Hintergrundmusik, ehe ab 0:26 vier Mal hintereinander das gleiche Fill ertönt und auf der antizipierten neuen 1 der nächste entscheidende Schnitt mit einer gewichtigen Veränderung der Musik einhergeht.

Nun ist eine geremixte Variante des Originalsongs (Glass Animals: 0:28) zu hören. Es erklingen laute elektronische Beats, das chorische Anfangsmotiv ist nur leise und verfremdet im Hintergrund wahrzunehmen. Gleichzeitig tauchen auch zwei neue Personen auf: die Visual Effects Artist Charmaine Chan und die Spieleentwicklerin Laure de Mey. Der Wechsel in elektronischere Sounds ist also nicht zufällig: Vielmehr verbindet er die Aussage des Bildes, also die Darstellung zweier vor allem digital arbeitender Berufe, mit ebenfalls digital produzierter Musik. Im Kontrast dazu war der Anfang des Clips gestaltet: Ein Fotograf in der Natur, ein Produzent beim Aufnehmen eines akustischen Schlagzeugs, unterlegt mit akustischer, nicht elektronischer Musik – eine Symbiose also aus Musik und Bild die für „das Handgemachte“ steht.

Es erscheint im Anschluss dann auch logisch, dass, als der Fotograf Burkhard und der Produzent Felder ein zweites Mal erscheinen, die Musik von elektronischen Beats geprägt ist, da beide nun nicht mehr über Kreativität reden, sondern über die Technologie, die sie zum Ausleben dieser Kreativität benötigen. Bis hierhin verschmelzen die musikalischen Aussagen des benutzten Tracks subtil und elegant mit der Message von Visuellem und Gesagtem – ein Eindruck, der sich im Verlauf des Werbespots noch steigern wird. Eigentlich unauffällig und damit besonders auffallend ist der Teil ab 0:55, in dem sich erneut eine zweite musikalische Ebene mit dem Hintergrundsong verbindet. Oak Felder fängt im Auto an zu seinem MacBook Pro zu singen. Dabei wirkt es ganz natürlich und „casual“, wie seine Melodie eine Quinte über dem Grundton des Hauptloops anfängt und sich danach auch gut in den Tonraum von H-Dur als Skala dieses Vamps einfügt. Genau das ist aber höchstwahrscheinlich kein Ausdruck einer intensiven und völlig beiläufigen Eingebung, sondern ein kalkulierter Kniff, um den Werbespot zu einem hybriden Gesamtwerk zu machen.

Ab ca. 0:59 wird dann übergeblendet zu einem Remix der Bridge des Originaltracks (Glass Animals: ab 1:35). Bemerkenswert ist, dass, wie auch in den Teilen davor, von dem im Originalsong eigentlich sehr vordergründigen Text nichts zu hören ist.

Die Musik im Hintergrund steigert sich, die Schnitte zwischen den Darstellungen der Protagonist_innen werden häufiger und bei 1:22 erscheint zum ersten Mal und alleinstehend mit weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund der Produktname. Die bis zu diesem Punkt gesteigerte Musik mündet parallel zum Schnitt im Synthie-Trompeten-Motiv der Bridge des Songs (Glass Animals: 2:12). Oak Felder will dann mal kurz nebenbei die technischen Daten seines Laptops checken; eine kurze Einblendung verrät uns ganz subtil, dass es sich um das leistungsstärkste MacBook aller Zeiten handelt, ehe bei 1:29 der zweite große Teil beginnt.

Teil 2

Im zweiten Teil ändert sich vieles gleichzeitig. Wenn auch nur für eine gute Sekunde, wird das Bild plötzlich farbig, das MacBook Pro ist alleine vor schwarzem Hintergrund zu sehen und wird mit unzähligen Schnitten, die synchron zum einsetzenden Trap-Beat verlaufen, aus verschiedenen Perspektiven gezeigt. Exakt auf dem nächsten Backbeat (die 2 oder 3, je nach Zählweise in half- oder real-time) wird das Bild wieder schwarzweiß und die Visual Artist Charmaine Chan ist erneut zu sehen. Doch auch bei den Protagonist_innen scheint der kurze Einfall farbigen Lichtes nachhaltige Veränderungen verursacht zu haben. Plötzlich geht es gar nicht mehr um tiefe philosophische Ausführungen zur Kreativität. Vielmehr darf jetzt jede_r mal sagen, welche technischen Eigenschaften an diesem Laptop so unwiderstehlich sind. Passend zu ihren Berufen, loben der Fotograf und die Visual Artist das Display, wobei das Bild wieder kurz farbig wird (1:36 bis 1:38), und der Musikproduzent, wiederum im Schwarzweiß, preist die eingebauten Lautsprecher an. Für die Spieleentwicklerin scheint nur noch die Escape-Taste übrigzubleiben, die aber beim Runterdrücken einen perfekt in die Musik integrierten Sound ausstößt, der im Original-Song gar nicht vorkommt (ein ähnlicher Sound bei Glass Animals: 2:38).

Die Werbestrategie dieses Teils ist offensichtlich. Der vorher lang aufgebaute Eindruck einer Expertise der einzelnen Protagonist_innen in einem bestimmten Bereich wird genutzt, um die Ausstattungen möglichst glaubwürdig als funktional und „high-end“ zu vermarkten.

Das, was ab 1:53 einsetzt, könnte man dann wiederum als kleine Synthese der beiden großen Teile beschreiben: Erst wurden verschiedene Perspektiven auf Kreativität aus Sicht unterschiedlicher Branchenvertreter_innen dargestellt, immer mit dem MacBook Pro im Bild, aber doch stets nur am Rande. Dann wurde der Laptop mit all seinen technischen Eigenschaften präsentiert. Jetzt wird eine Brücke zwischen beidem geschlagen.

Mit einem sich abermals ganz „casual“ und elegant in die Tonart des Backing-Tracks einfügenden „Ohh“ eines gerade aufgenommenen Sängers ertönt wieder das Synthie-Trompeten-Motiv. Das Bild wird für einen kaum wahrnehmbaren Moment farbig und Oak Felder sagt „I love that bro“. Die Nachricht ist doppeldeutig. Meint er den Sänger oder fügt sich der Satz nicht vielmehr in die anhaltenden Lobpreisungen des MacBook Pros ein? Letztere Lesart seines jauchzenden Ausrufs wird noch verstärkt durch die direkt folgende Aussage, dass ja der Name des Produkts schon alles sage – „Pro“, wie gemacht für Profis eben. Charmaine Chan und Laure De Mey pflichten schnellstmöglich bei. So wird der Name des Laptops, der bis hierhin nicht ein einziges Mal ausgesprochen worden war, innerhalb von nur sieben Sekunden (1:56 bis 2:03) gleich dreimal von drei verschiedenen Personen genannt und mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen: zuerst von Oak Felder als professionelles Werkzeug, dann von Laure de Mey als einziges Gerät, das sie zu brauchen scheint, und schließlich kulminierend im allgemeingültigen Finale von Charmaine Chan:

With MacBook Pro there is nothing stopping people from… making what they really wanna make.

Hier schließt sich der Kreis. Die Kreativität des Menschen, nein: sogar alles, was (alle?) Leute wirklich machen wollen, kann endlich völlig frei ausgelebt werden. Man muss nur eines tun: das MacBook Pro kaufen. Es kann manchmal so einfach sein…

Hier stoppt auch die Musik für einen Moment. Alles scheint gesagt zu sein. Doch Oak Felder hatte zu viel Spaß und startet im Stile eines DJs, der den nächsten ermüdenden Drop gibt, nochmals die Musik, und der eigentliche Star des Clips hat einen erneuten Auftritt. Gemeinsam mit dem sich andauernd wiederholenden Trompetenmotiv erscheint das MacBook Pro wieder in Farbe vor schwarzem Grund, mitsamt einer Liste all seiner technischen Ausstattungsmerkmale, die synchron zur Trap-HiHat auftauchen.

Auf dem übernächsten Backbeat verschwindet der Laptop wie in einem schwarzen Loch mit einer Bewegung, die aussieht, als würde er zuklappen. Nur der Slogan …

the best for the brightest

… bleibt stehen und wird auf Zählzeit 2+ mit dem letzten Trompetenton vom Apple-Logo abgelöst. MacBook zu – keine Fragen offen.

Wer „brandet“ hier eigentlich wen?

Der Werbespot ist ein hybrides Werk par excellence. Von dem eigentlich gefeatureten Song der Glass Animals bleibt bei genauem Hinhören nicht viel übrig. Einzelne Teile des Tracks wurden herausgeschnitten und neu gemixt. Mal die Beats, mal die Samples lauter. Den Text hat man gleich ganz weggelassen. Der Ablauf des Songs wurde im Vergleich zum Original komplett verändert. Hinzu kommen während des ganzen Spots musikalische Einspielungen, die nicht in der Musik, sondern im Visuellen angelegt sind und dabei geschmeidig in den Gesamtsoundtrack eingefügt wurden.

Trotz dieses hybriden Charakters (oder gerade deswegen) werden Song und Interpret in der Videobeschreibung genannt. Wir sehen also, wie „Co-Branding“ heute funktionieren kann. Der_die Künstler_in stellt sein_ihr musikalisches Material zur Verfügung, damit dieses möglichst funktional eingebettet und genutzt werden kann, egal ob das noch etwas mit dem ursprünglichen Song zu tun hat. Die Reichweite der Marke Apple sorgt wiederum für Bekanntheit und eine damit erhoffte Steigerung der Verkaufszahlen. Praktisch, dass die Werbung einen knappen Monat vor Erscheinen der gefeatureten Single schon bei YouTube zu sehen war. Das dazu passende Album kam nur ein paar Monate später auf den Markt. Diese Praxis erinnert an das, was Timothy Taylor als „breaking bands“[13] beschreibt: Ende der 1990er / Anfang der 2000er Jahre machten sich unbekanntere Indie-Labels Werbungen zunutze, um kleinere Bands gleich mit ihrem Debüt einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Glass Animals hatten zwar schon zwei Alben davor herausgebracht. Diese waren aber nie über höhere zweistellige Chartplatzierungen hinausgekommen.

Doch hier hört das „co-branding“ nicht auf. Die Namen und Berufe der vier im Verlauf des Videos auftretenden Protagonist_innen werden eingeblendet und in der Videobeschreibung explizit genannt. Bei Oak Felder wird sogar noch erwähnt, dass er einmal für den Grammy nominiert war, bei Laure de Mey, wie ihre Videospiel-Firma heißt. Versteht man gemäß dem neoliberalen Zeitgeist jede_n der hier auftretenden Akteur_innen als eine eigene Marke, dann ist es nicht nur ein „co-branding“ zwischen Band und Produkt, sondern ein ganzes Geflecht aus sich gegenseitig bewerbenden „brands“.

Es zeigen sich weitere Bezugspunkte zur neoliberalen Ideologie: das ausufernde Benutzen des Begriffs „Kreativität“ zum Beispiel. Von der Selbstoptimierungsszene bis in die Musikpädagogik scheint „Kreativität“ einer der wichtigsten Schlüsselbegriffe unserer Zeit zu sein. In dieser Werbung steht er für vieles, aber vordergründig für ein flexibles, leistungsbereites, immer an seine Grenzen gehendes Individuum. Dieses Bild verbreitet Apple gerne, z. B. auch in diesem Clip, in dem eine entgrenzte, selbstausbeuterische Arbeitskultur dann doch mit einem Augenzwinkern gefeiert wird.

Auch hier ist es wiederum die Musik (von Jack White), die vor allem wegen des Textes ausgesprochen plakativ, aber damit umso funktionaler eingesetzt wird.

Zurück zu unserem ursprünglichen Werbevideo: Wenn die Visual Effects Artist Charmaine Chan ab Minute 1:02 beispielhaft eine immer schneller werdende Arbeitswelt beschreibt, scheint doch das im Hintergrund positionierte MacBook Pro die Lösung zu sein. Das ist ein Urglaube einer auf Wachstum und wirtschaftlichen Fortschritt gerichteten Gesellschaft: Die Probleme und Strapazen werden schon irgendwie aushaltbar sein, wir brauchen nur noch mehr Technik. Eine Werbung, in der Apple diesen Topos noch zugespitzter thematisiert, ist die für das iPhone 11: Erneut scheint man nur ein neues Produkt kaufen zu müssen, um sowohl Zumutungen als auch Versuchungen der gehetzten Gegenwart aushalten zu können. Getragen wird auch hier die Message von einem äußerst funktionalen, da hektischen Soundtrack.

Vergleicht man diese Strategien mit dem Beispiel von Sting von vor fast 20 Jahren, wird klar, dass die Kommerzialisierung der Kreativindustrien auf einem so fortgeschrittenen Stand ist, dass ihre einzelnen Produkte regelmäßig zu einem Ganzen verschmelzen. Ob dieses „Ganze“ noch irgendetwas mit dem ohnehin schwierigen Begriff der „Kunst“ zu tun hat, ist fragwürdig: dass es eine Ware ist, hingegen augenscheinlich.

Exkurs: Apple und die Vielfalt des Lebens

Spannend ist auch, wie Apple den Faktor „Diversität“ im Marketing einsetzt. Im MacBook-Pro-Clip sind Menschen unterschiedlichen Genders, unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft, Muttersprache und sexueller Orientierung zu sehen: Charmaine Chan bezeichnet sich in einem Interview als „Chinese queer woman“, Laure de Mey ist Belgierin, Oak Felder in İstanbul geboren, Chris Burkhard kommt aus den USA und die Glass Animals aus Großbritannien.

Das ist natürlich zum einen Ausdruck einer globalisierten, hippen Kreativszene. Zum anderen transportiert es aber auch ein Bild von „Vielfalt“. Dass Apple diese Strategie primär benutzen würde, um gesellschaftliche Machtverhältnisse aufzudecken und zu bekämpfen, wäre unwahrscheinlich. Vielmehr ist „Diversity-Marketing“ ein gebräuchliches Mittel, um individueller und wirksamer werben zu können,[14] also den oben genannten Widerspruch zwischen Massenprodukt und Individualität ein Stück weit aufzuheben:

Under neoliberalism, race, ethnicity, and other markers of difference are embraced by a superficial multiculturalism that celebrates diversity while shutting down any discussion of power and inequitable access to resources.[15]

Apple bedient dieses liberal-weltoffenen, progressiven Image regelmäßig: mal impliziter wie im analysierten Spot, mal expliziter wie im Spot zum Weltfrauentag.

In diesem werden die Bilder erfolgreicher Frauen mitsamt MacBook mit Musik von Beyoncé unterlegt. Das als rein ästhetische Entscheidung zu betrachten wäre naiv. Vielmehr steht Beyoncé für eine bestimmte Art der Emanzipation, der hier gehuldigt wird: Gleichberechtigung durch (kommerziellen) Erfolg. Dieser hängt gemäß neoliberaler Ideologie sowieso in erster Linie von einem selbst ab. Hat man es also als Individuum geschafft, gegen alle Widerstände erfolgreich zu sein, darf man auch als Teil einer marginalisierten Gruppe sein MacBook (Pro) in die Kamera strecken.

Dabei ist es völlig egal, ob das irgendetwas an den Unterdrückungsstrukturen und Ungerechtigkeiten ändert. Wenn jede_r seines_ihres Glückes Schmied_in ist, ist man auch selbst schuld, wenn man die 7.000 € für die im MacBook-Pro-Clip gefeierte Ausstattungsvariante nicht hat. Zum Glück kostet die einfachste Version nur 2.500 € – vermutlich Peanuts für z. B. viele nach wie vor sozial stigmatisierte und benachteiligte Afroamerikaner_innen oder gar die Arbeiter_innen in Apples chinesischen iPhone-Fabriken. (Das aktuelle MacBook Pro wird ausnahmsweise in den USA gefertigt. Das kann sich Apple „leisten“, da sie ihren größten Umsatz nach wie vor mit Produkten machen, die mit riesiger Gewinnspanne von chinesischen Subunternehmen gefertigt werden. Außerdem stand selbst bei dieser Generation des Laptops zuerst eine Verlagerung der Produktion nach China im Raum, gegen welche die Firma sich dann vermutlich eher aus politischen und weniger aus wirtschaftlichen Gründen entschieden hat.)

Das alles soll nicht heißen, dass es prinzipiell schlecht wäre, die Heterogenität der Gesellschaft in Werbung darzustellen. Es ist ja durchaus ein positiver Spiegel unserer Zeit, dass Diversität kein grundsätzliches Tabu mehr sein muss. Aber es wäre naiv zu glauben, dass ausgerechnet die vorderste Front des neoliberalen Marktes, die Werbeindustrie, strukturelle Ungleichheiten bekämpfen würde oder gar könnte. Die ständig implizit transportierte Nachricht, dass der Kauf eines Apple-Produktes irgendwie für die Bekämpfung von Ungleichbehandlungen sorgen würde, ist Augenwischerei. Es geht hier in erster Linie um eine gezielte und wirksame Marketing-Strategie, die sich erhofft, individuell und gleichzeitig breit wahrgenommen zu werden und die Käufer_innen anzusprechen. Dass die wirkliche Auseinandersetzung um Emanzipation in all ihren Dimensionen nicht mit unseren Kreditkarten ausgefochten wurde und wird, das wussten im Vergleich zu Apple und anderen Marktgiganten, die Begründerinnen des Weltfrauentags schon vor mehr als 100 Jahren.

Reprise

Was bleibt zu sagen? Gut 30 Jahre nach dem „Ende der Geschichte“, wie Fukuyama Anfang der 1990er Jahre den Zusammenbruch des Ostblocks und das Überleben des Kapitalismus als angeblich einzige zukünftige Wirtschaftsform beschrieb,[16] ist die Verwertungslogik des Neoliberalismus in jede Pore der Kreativindustrie gekrochen. Die Einheit von Musik und Werbung ist weder eine naturgegebene Notwendigkeit noch eine rein zufällige Erscheinung, sondern Ausdruck der Neoliberalisierung unserer Gesellschaft. Die Medienindustrie besteht längst aus riesigen Monopol-Giganten, die sowohl in ihren Unternehmensstrukturen als auch in ihren Produkten folgerichtig alles mit Werbung verbinden.[17]

„The sounds of capitalism are everywhere“[18] ist Timothy Taylors nüchterne Schlussfolgerung. Und sie sind nicht nur überall, sie zeigen sich zusammen mit Werbung, Produkten, Marken, Ideologien etc. in einem unentwirrbaren Geflecht verbunden: Musik, die bewirbt und gleichzeitig beworben wird; Waren, die zunehmend mit künstlerisch-ästhetischer Bedeutung aufgeladen werden, um zum Ausleben individuellen Ausdrucks zu taugen; Werte und Ideologien, die man gleich mit dem Produkt, quasi „kostenlos“, aber als vielleicht essenziellsten Teil, dazu erwirbt.

Ein Geflecht also, bei dem sich die Frage aufdrängt, ob es wünschenswert ist, in einer Spirale der Kommerzialisierung sämtliche Grenzen des Kulturbetriebs dem Verkauf von Waren zu opfern, nur um wiederum die eigene Kunst verkaufen zu können. Doch da man ja von irgendetwas leben muss, die Gesellschaft so funktioniert wie sie eben funktioniert und die „alt-linke“ Erkenntnis, dass der Kapitalismus alles zur Ware macht, noch gültig zu sein scheint, bleibt nur zu hoffen, dass die Geschichte doch noch zu einem anderen Ende gebracht werden kann.

Endnoten

[1] Timothy Taylor, The Sounds of Capitalism, S. 218.

[2] Alina Wheeler, zitiert nach Timothy Taylor, Music and Capitalism. A History of the Present, S. 56.

[3] Ebd., S.79.

[4] Ebd., S. 50–53; ders., The Sounds of Capitalism, S. 205f.

[5] Pinjie Wang, Musik und Werbung, S. 233f.

[6] Ebd.

[7] Siegmund Helms, Musik in der Werbung, S. 153.

[8] Grant D. McCracken, zitiert nach Timothy Taylor, Music and Capitalism, S. 67.

[9] Peter Nicholson, zitiert nach dems., The Sounds of Capitalism, S. 207.

[10] Alina Wheeler, zitiert nach ebd., S. 56.

[11] Genauer besprochen ebd., S. 220.

[12] Ders., Music and Capitalism, S. 61.

[13] Ders., The Sounds of Capitalism, S. 211.

[14] Michael Stuber, Diversity-Marketing, passim.

[15] Patrick Grzanka und Justin Maher, Different, like everyone else, S. 374.

[16] Philipp Ther, Neoliberalismus, S. 12.

[17] Pinjie Wang, Musik und Werbung, S. 233f.

[18] Timothy Taylor, The Sounds of Capitalism, S. 229.

Literatur

Grzanka, Patrick R., und Justin Maher: Different, like everyone else: Stuff White People Like and the Marketplace of Diversity. In: Symbolic Interaction 35/3 (2012), S, 368–393.

Helms, Siegmund: Musik in der Werbung. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 1981 (Materialien zur Didaktik und Methodik des Musikunterrichts für den Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen 10).

McCracken, Grant D.: Transformations. Identity Construction in Contemporary Culture. Indiana usw.: Indiana University Press 2008.

Stuber, Michael: Diversity-Marketing. Eine Lösung des (scheinbaren) Widerspruchs zwischen Massen-und Individual-Marketing. St. Gallen: Thexis 2003.

Taylor, Timothy D.: The Sounds of Capitalism. Advertising, Music, and the Conquest of Culture. Chicago und London: University of Chicago Press 2012.

Ders.: Music and Capitalism. A History of the Present. Ebd. 2015.

Ther, Philipp: Neoliberalismus, 2016, https://docupedia.de/zg/Ther_neoliberalismus_v1_de_2016.

Wang, Pinjie: Musik und Werbung: Wie Werbung und Medien die Entwicklung der Musikindustrie beeinflussen. Wiesbaden: Springer 2013.

Wheeler, Alina: Designing Brand Identity: An Essential Guide for the Whole Branding Team. 3rd. ed., Hoboken, NJ: John Wiley & Sons 2009.

Bernadette Bickel und Anila Mannl: Musik in Bier- und Sektwerbung

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Bernadette Bickel und Anila Mannl zum Vergleich des Musikeinsatzes in der Bier- und in der Sektwerbung.

Bernadette Bickel und Anila Mannl

HMT Leipzig

Ab in … die unerhörte Welt der Werbung

Bernadette Bickel und Anila Mannl: Ab in … die unerhörte Welt der Werbung

Ruben Seilnacht und Josephine Wahrenburg: Musik in der Autowerbung

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Magdalena Preißler und Undine Unger zur Musik in der Werbung für Hygieneprodukte.

Ruben Seilnacht und Josephine Wahrenburg

HMT Leipzig

Musik in der Autowerbung