Magdalena Preißler und Undine Unger: Guten Blutes

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Magdalena Preißler und Undine Unger zur Musik in der Werbung für Hygieneprodukte.

Magdalena Preißler und
Undine Unger

HMT Leipzig

Guten Blutes

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Johanna Merker: Musik in den „Allianz“-Werbeclips aus den 1980er Jahren

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Johanna Merker zur Musik der „Allianz-Versicherungen“.

Johanna Merker

HMT Leipzig

Musik in den „Allianz“-Werbeclips aus den 1980er Jahren

Link zur Lernplattform: https://docs.google.com/presentation/d/1pBB_UHrYeQ8pDlQGFWoBmB-5q-H_-IHkBGSVhGc7nBA/edit#slide=id.gc6f980f91_0_10

Anna Tunger: Gleich und doch nicht gleich

Im (Corona-)Sommersemester 2020 haben Leipziger Studierende darüber nachgedacht, was Musik in der Werbung ist, wie sie funktioniert und was sie aussagt. Dem besonderen Semester mit E-Learning entsprechend, sollten die Ergebnisse auf besondere Weise präsentiert werden, also in einem Format abseits der akademischen Hausarbeit. Blog und VLog, Erklärvideo und Lernplattform, Comic und Hörbuch, alles war erlaubt. – Hier ist das Ergebnis von Anna Tunger zur Musik von Airlines.

   

Anna Tunger

HMT Leipzig

Gleich und doch nicht gleich

Betrachtet man Werbungen nationaler Airlines (also Flugzeuggesellschaften, welche sich in Besitz eines Staates befinden oder befanden) aus den letzten Jahrzehnten, so findet man auf einschlägigen Videoplattformen eine Menge in ihrer Machart, Strategie und Originalität teils sehr unterschiedliche Clips.

Gerade in den letzen 15 Jahren spielten viele dieser Werbungen offensiv mit nationalen Klischees, sodass sich zuerst die Frage aufdrängt, warum gerade ein Produkt, welches im wahrsten Sinne des Wortes auf Internationalität angelegt, mit solch einer Strategie beworben wird, und auf welchen Ebenen sich dies zeigt. Wie eine nationale Flugzeuggesellschaft ihr Land in der Werbung darstellt (und damit auch andere), ist eine nähere Betrachtung für sich wert.

Bei der Materialsuche fiel dann aber ein Phänomen auf, das im folgenden aus einem etwas anderen Blickwinkel dargestellt werden soll: Drei Airlines nutzten im Abstand von einigen Jahren oder gar Jahrzehnten das gleiche Musikstück.

Betrachten wir zuerst eine Werbung von El Al aus dem Jahr 2013…

…und eine aus dem Jahr 2015:

Beide sind mit einem Ausschnitt aus dem israelischen Popsong תמיד יחכו לך (tamid jechaku lecha: „Sie werden immer auf dich warten“) von Lea Schabbat[1] unterlegt, das erste Mal gesungen von Liran Danino, das zweite Mal von Yuval Dayan. Bis auf das Geschlecht des_der Sänger_in_s ändert sich musikalisch nichts, charakterlich bleibt es bei der typischen Spannung der aufbauenden, dramatisch-sehnsüchtigen Steigerung, die zum Höhepunkt (der Verkündung der Werbebotschaft) hinführt und sich am Ende wieder beruhigt.

Auch bei den folgenden Clips wird sich zeigen, dass die Wirkung der Musik in engem Zusammenhang mit der Botschaft steht, gerade dann, wenn im Gegensatz zu diesen beiden zwei unterschiedliche Arrangements verwendet werden.

Hier preist El Al zweimal etwas Neues an: neue Flugzeuge in der Flotte und eine neue Flugverbindung nach Boston. Zu beidem passt die prominent platzierte Liedzeile „sie warten auf dich!“ am Ende. Der Song liefert dabei nicht nur die erwartungsvolle Atmosphäre, sondern spricht den Adressaten persönlich an: Nur für „dich“ machen wir das alles! Im Sinne von „Never change a winning team“ bietet es sich also geradezu an, das Lied zwei Jahre später noch einmal zu verwenden.

Unfreiwillig komisch wirkt nur die Liedzeile כל מטוס שטס בשמיים (kol matoss, sche-tass ba-schamajim: „jedes Flugzeug, dass am Himmel fliegt“), wo doch in beiden Videos kein Flugzeug den Boden verlässt, von der Endcard abgesehen.

Deutlich spannender sind zwei Werbungen von British Airways. Die erste stammt aus dem Jahr 1989:

Die hier verwendete Musik ist „Aria“ von Yanni, einer Bearbeitung des Blumenduetts aus der Oper „Lakmé“ von Léo Delibes.

Diese Werbung sticht durch ihre ungewöhnliche Bildebene heraus – das Element Flugzeug taucht überhaupt nicht auf! Stattdessen werden aufeinanderzukommende und sich begrüßende Menschen gezeigt. Ikonisch tauchen ein lachendes Gesicht und die Weltkugel auf, welche von den Menschen gebildet werden. Die Botschaft wird am Ende explizit formuliert: British Airways bringt Menschen der ganzen Welt zusammen. Das Musikzitat aus einer populären französischen Oper, arrangiert von einem griechischen „Weltmusik“-Komponisten, unterstreicht diese Aussage. Die durch die vielen synthetischen Klänge beinahe abstrakt wirkende Bearbeitung korrespondiert dabei mit dem kubistisch anmutenden Gesicht.

Aus dem Jahr 2006 stammt eine weitere Werbung von British Airways, die den Refrain des Blumenduetts verwendet:

Anstatt der mit vorrangig synthetischen Klängen produzierten Yanni-Variante, die dadurch und durch die „Triolisierung“ der Melodie sehr statisch wirkt, liegt hier eine fast rein orchestrale Bearbeitung vor. Die Präsenz des Schlagwerkes ist aber ähnlich hoch. Besonders durch die Streicher und den sparsamen, auf dem Höhepunkt eingesetzten Vokalise-Gesang wirkt diese Fassung viel sehnsüchtiger, enthält viel mehr Steigerung.

Warum British Airways 17 Jahre später das gleiche Musikstück verwendet, lässt sich leicht mit der Popularität des Clips von 1989 erklären (vgl. die Kommentare unter dem YouTube-Video): Wer diesen kennt, hat ihn auch bei der neuen Werbung im Hinterkopf. Und auch die Botschaft scheint auf den ersten Blick gleich: British Airways bringt Menschen zusammen. 1989 wird das geradezu plakativ global dargestellt: alle Menschen auf der ganzen Welt. 2006 geschieht dies aber auf einer sehr viel persönlicheren Ebene, eine Familie fliegt von zwei verschiedenen Punkten der Welt zu einem dritten in den Urlaub. So einfach ist es also doch nicht: Wie die Musik beider Clips sind auch die Aussagen nicht völlig deckungsgleich.

Hier zeigt sich noch etwas anderes: In Werbung ist Mentalitätsgeschichte eingeschrieben.[2] Wenn 1989, am Ende des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert, solch eine Werbung entsteht, dann werden hier gezielt Träume der vergangenen Jahrzehnte angesprochen und abgebildet. Ersteres ist das, was sie will und womit der Kunde zum Kauf animiert werden soll; letzteres tut jede Werbung unfreiwillig. 2006 scheint das Um-die-Welt-Jetten normaler, das für immer mehr Menschen zugängliche Internet macht alle und alles erreichbar – global mit allen vernetzt zu sein ist keine Vision mehr. Der internationale Terrorismus lässt die Welt ebenfalls zusammenrücken, hat aber auch zu einem unsanften Erwachen geführt: Anstelle von Träumen und Visionen herrscht angesichts der nicht greifbaren Gefahr und Angst bei den Millenials, die mittlerweile schon erwachsen sind, quasi Biedermeierstimmung. Entsprechend zieht sich auch die Werbung ins Private zurück und die globale Familie will einfach nur zu viert Urlaub am Strand machen; rührselige, weil an hoffnungsvollere Zeiten erinnernde Musik, inklusive.

Noch deutlicher zeigt sich der Zusammenhang von Werbung, Musik und Mentalitätsgeschichte in zwei Videos von Alitalia.

Zuerst ein Musikvideo[3] von 1977, einer Latin Jazz-Nummer gesungen von Raffaela Carrà, die mit einem Männerballet über Rollfeld und Flugzeug tanzt:

„Nel blu dipinto di blu“ war, schon lange bevor ihn Alitalia 1977 genutzt hat, ein bekannter italienischer Popsong,[4] besser bekannt als „Volare“, nach dem markanten ersten Wort des Refrains. In dieser Zeit wurde Italien beliebtes Urlaubsland (gerade von Deutschen). Alles „Italienische“, das das Flair von Ferien in den Alltag hinübertrug, war angesagt. Ein solch mitreißender Popsong wird so zu einem Schlager, der mit „Sonne, Strand, italienischem Essen, Urlaub, Spaß, Leichtigkeit, Ungezwungenheit“ (usw.) assoziiert wird. In diese Aufzählung passt eine Fluglinie, welche einen dort hinbringt, perfekt hinein.

Auffällig ist nun aber, dass Alitalia den Song in der Nuova-Kampagne von 2016 mit einem völlig anderen Charakter verwendet:

Eine Popballade, nachdenklich und ruhig von Malika Ayane zur dezenten Klavierbegleitung gehaucht, statt flottem Latin Jazz mit Bigband und Tanz. Der Musikcharakter unterstreicht nicht nur die Werbebotschaft der Oberfläche (auch die Musik ist altbekannt und doch neu), sondern spiegelt den Unterschied in der Mentalität wieder: Nicht der den vermeintlich ungezwungeneren mediterranen Lebensstil verehrende deutsche/ kalteuropäische Urlauber wird angesprochen, der für zwei Wochen Anzug und Büro entfliehen will, sondern Businessmenschen: Vielflieger, die keinen Spaß suchen, sondern die unvermeidliche Reise so entspannt wie möglich verbringen wollen. Man beachte auf der Bildebene das Zeigen der Lounge, des bequemen Flugzeugsitzes und des erlesenen Essens, auf der Tonebene das Versinken in der Musik und Ausblenden aller störenden Umgebungsgeräusche.

Hier stellt sich weniger die Frage, warum zweimal das gleiche Lied verwendet wurde, sondern warum man nicht einen ganz anderen Song nutzt, wenn doch die Botschaft so anders ist – weil die Businessmenschen von heute als Kinder „Volare“ aus dem Fernseher tönen hörten und damit Italien inklusive aller dazugehörigen Assoziationen und Emotionen verknüpft haben. Und auch wenn sie jetzt beherrscht und ernst ihrem Leben nachgehen (viel mehr als ihre Eltern), schwingen diese Gefühle beim Hören mit und wecken unbewusst Sehnsüchte. Ein Flug mit Alitalia scheint dann den Druck und den Ernst der Selbstoptimierungsgesellschaft mindern zu können – aber natürlich nur ein bisschen, man will sich ja nicht völlig gehen lassen und wie die Eltern auf dem Flugzeug tanzen…

Es finden sich also gute Gründe dafür, zweimal das gleiche Musikstück zu verwenden. Es hat sich nicht nur bewährt, sondern bringt einen starken Wiedererkennungseffekt mit sich: Der Adressat ist mit Gedanken und Gefühl sofort beim Produkt, die „Einschwingzeit“, wie der Komponist Klaus Wüsthoff[5] die ersten Sekunden einer Werbung nennt, verringert sich. Der Zuschauer muss nicht erst entschlüsseln, um welches Produkt es in dem Clip geht, sondern kann gleich damit beginnen, die spezifische Werbeaussage dieses Clips herauszufinden (dies geschieht freilich alles unbewusst). Gleiche bzw. ähnliche Musik bietet die Chance, ein bekanntes Produkt mit einer neuen oder erweiterten Botschaft zu versehen.

Betrachtet man nun noch die in die Werbung eingeschriebene Mentalitätsgeschichte, die sich schon allein durch ein anderes Arrangement der verwendeten Musik zeigt, ist das selbstreferenzielle Vorgehen speziell bei British Airways und Alitalia geradezu genial: Die angesprochene Werbezielgruppe wird nicht nur in ihrer aktuellen Verfassung abgeholt, sondern zugleich auch mit ihren tiefliegenden, durch Kindheit, Erziehung und Bildung erzeugten Prägungen.

Zugleich zeigt sich durch den Vergleich solcher aufeinander aufbauender Werbungen, was schon Marschall McLuhan schrieb:

„The historians and archeologists will one day discover that the ads of our time are the richest and most faithful daily reflections that any society ever made of its entire range of activities.“[6]

Endnoten

[1] https://shironet.mako.co.il/artist?type=lyrics&lang=1&prfid=575&wrkid=3185

[2] Marshall McLuhan zeigt in Understanding Media (besonders S. 248f.) auf, dass für funktionierende Werbestrategien die Gesellschaft analysiert werden muss, um sie perfekt anzusprechen. In der Werbung ist die ihr aktuelle Gesellschaft gleichsam als Kondensat enthalten. In einem umgekehrten Methodenschritt würde dies bedeuten, dass aus Werbung auf die sie umgebende Gesellschaft und Zeit geschlossen werden kann (vgl. S. 253). Das wird hier versucht.

[3] Es ist kein typischer Werbeclip (das hieße: nicht viel länger als ein bis zwei Minuten; Botschaft, warum man ein Produkt kaufen soll, wird in Bild und/oder Sprache klar vermittelt), aber trotzdem Werbung, weil das Produkt (Alitalia) auf der Bildebene klar im Mittelpunkt steht. Das Video steht in der Tradition der „Goodwill“-Strategie der Radiowerbung zu Beginn des aufkommenden Mediums in den 1920/30er Jahren (vgl. Taylor: Sounds of Capitalism, S. 22): Firmen lassen in ihrem Namen ausgesuchte Musik übertragen in der Hoffnung, dass die Konsumenten sich für das kostenlose Konzert durch den Kauf der Produkte des Sponsors revanchieren.

[4] Der Song von Domenico Modugno erreichte auf dem Grand Prix 1958 den dritten Platz und wurde später ein weltweit bekannter Hit. Vgl. https://www.eurovision.de/geschichte/1958-Grand-Prix-Eurovision-De-La-Chanson-Europeenne-in-Hilversum,hilversum103.html

[5] Vgl. Wüsthoff: Die Rolle der Musik, S. 9f.

[6] Marshall McLuhan: Understanding Media, S. 253.

Literatur

McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Man [1964]. London und New York: Routledge 2001.

Taylor, Timothy D.: The Sounds of Capitalism. Advertising, Music, and the Conquest of Culture. Chicago und London: University of Chicago Press 2012.

Wüsthoff, Klaus: Die Rolle der Musik in der Film-, Funk- und Fernsehwerbung: Mit Kompositionsanleitungen für Werbespots und einer Instrumententabelle der Gebrauchsmusik. Zweite, überarbeitete Auflage. Kassel: Merseburger 1999.

https://shironet.mako.co.il/artist?type=lyrics&lang=1&prfid=575&wrkid=3185

https://www.eurovision.de/geschichte/1958-Grand-Prix-Eurovision-De-La-Chanson-Europeenne-in-Hilversum,hilversum103.html

Paul Weinhold: South Park – The Stick of Truth

Paul Weinhold

South Park – The Stick of Truth: eine Fallstudie zur Funktion von Videospielmusik

Die Serie South Park stellt nach mittlerweile 22 Jahren kontinuierlicher Ausstrahlung eine Institution in der Cartoon-Welt dar. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an das 2014 veröffentlichte Videospiel South Park – The Stick of Truth (Obsidian Entertainment), nachdem es in der vorletzten Episode der 17. Staffel angekündigt worden war. Die beiden Schöpfer der Serie, Trey Parker und Matt Stone, hatten zu dieser Zeit bereits durch diverse musikalische Parodien innerhalb der Serie, durch einzelne Musical-Episoden und durch die Produktion des Broadway-Musicals The Book of Mormon gezeigt, dass sie der Musik eine überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit widmeten. Das bereitete South Park eine Sonderstellung unter den Cartoon-Serien, ein entsprechend bewusster Umgang mit der Musik war also auch in The Stick of Truth zu erwarten. In einem Interview erhob Stone außerdem den Anspruch, das Spiel müsse so gut sein, dass der Spieler das Gefühl habe, ›die Serie zu spielen‹.[1] Im Folgenden möchte ich untersuchen, wie die Musik in South Park – The Stick of Truth dazu beiträgt, diesen Anspruch einzulösen.

* * *

In der Kategorisierung von Gamesounds folge ich dem Raster von Daniel Ernst, der in Anlehnung an die Filmmusikforschung am Beispiel von Nintendos The Legend of Zelda: Ocarina of Time eine grundsätzliche Zweiteilung in diegetischen und extradiegetischen Ton vornahm, wobei er innerhalb beider Kategorien jeweils noch zwischen interaktiv beeinflussbarer und unbeeinflussbarer Musik unterschied.[2] In den Bereich des nicht interaktiv beeinflussbaren diegetischen Tons fallen in The Stick of Truth sämtliche natürlichen Geräusche wie das Vogelgezwitscher und Windrauschen in den interaktiven und gescripteten Sequenzen. Hinzu kommen Hintergrundgeräusche an bestimmten Orten: sakrale Chormusik in der Kirche, Filmtrailer im Kino und vor allem die im Folgenden von mir als »South-Park-Radio« bezeichnete Hintergrundmusik. Dieses South-Park-Radio ist in fast allen Geschäften und öffentlichen Gebäuden in verschiedener Lautstärke zu hören. Es spielt in variabler Reihenfolge den Großteil der Songs, die bis zum Erscheinen des Spiels in der Serie vorkamen. Dabei sind die Songs beim jeweils ersten Betreten eines Gebäudes so ausgewählt, dass sie inhaltlich zur Funktion des Gebäudes oder der darin auftretenden Person(en) passen.[3] Hieraus lässt sich eine doppelte Funktion des South-Park-Radios ableiten: Die Songs unterstützen die Authentizität der Spiel- in Relation zur Serienwelt, da sie unverändert der Serie entnommen sind, und bilden gleichzeitig eine plausible Klangkulisse für diverse Orte.

Zum aktiv beeinflussbaren diegetischen Ton zählen ebenfalls Songs aus verschiedenen Episoden der Serie. Beispielsweise steht in Cartmans Zimmer ein Kassettenrecorder, den der Spieler ein- und ausschalten kann. Er spielt auf Wunsch sämtliche Songs, die in der Serie von dem Charakter Cartman gesungen wurden. Ähnlich verhält es sich mit den Fernsehgeräten in den Häusern der Familien: Werden sie eingeschaltet, ist zwar kein Bild zu sehen (alle Fernseher stehen mit der Rückseite zum Spieler), aber es sind Ausschnitte aus Terrance & Phillip zu hören, der fiktiven Kinderserie innerhalb der Serie South Park. Teilweise wird auch die Sondersendung The Queef Sisters angekündigt, die in der Episode Eat, Pray, Queef (S13 E04) anstelle von Terrance & Phillip gezeigt wird. Fast alle Fernseher sind beim ersten Betreten eingeschaltet; sie stellen in den Wohnhäusern zusammen mit den Geräuschen von Türen und Schubladen den einzigen diegetischen Ton dar. Somit machen das South-Park-Radio und das Fernsehprogramm einen ersten großen Teil der Hintergrundmusik des Spiels aus, der ausschließlich aus der Serie entnommen wurde.

Innerhalb der spielbaren Welt verursachen diverse Gegenstände ein Interaktionsgeräusch: beispielsweise das Öffnen von Türen, Truhen oder Schränken oder die Zerstörung herumliegender Dinge. An bestimmten Stellen ist das Öffnen eines Gegenstandes zusätzlich mit einem der Serie entnommenen Klang verbunden. Versucht der Spieler beispielsweise den Schrank in Stans Zimmer zu öffnen, ist der Satz »I’m never coming out« zu hören: Hierbei handelt es sich um ein Zitat aus der Episode Trapped in the Closet (S09 E12), in der sich eine Cartoon-Version des Schauspielers Tom Cruise in Stans Schrank eingeschlossen hatte. An anderen Stellen sprechen die Bewohner von South Park, wenn die Spielfigur an ihnen vorbeiläuft. Diese Sätze sind nicht aus der Serie entnommen und stellen gerade am Beginn des Spiels einen weiteren großen Teil des diegetischen Tons dar.

Wird die Spielfigur in einen Kampf verwickelt, so findet dieser in einer speziellen Arena statt. Diese Arenen sind mit einem eigenen diegetischen Sounddesign ausgestattet, welches teilweise auch interaktiv beeinflusst werden kann. Der größte Teil der Geräusche wird durch die Durchführung eines Angriffes ausgelöst, der entweder als Videosequenz gezeigt oder durch Quick-Time-Events ausgelöst wird. Ein Beispiel für Letzteres stellt im Falle des Charakters Jimmy unter anderem das Singen eines Liedes und das Spielen seiner Laute dar. Um diesen Angriff erfolgreich auszuführen, muss der Spieler ein etwa zehn Sekunden dauerndes Schlaflied auslösen. Verfehlt er den richtigen Zeitpunkt oder die richtige Taste, verspielt sich auch Jimmy oder beginnt zu stottern, wodurch die Gegner in der Folge dann nicht einschlafen. Der Modus dieses Angriffes ist deutlich erkennbar aus der Videospielreihe Guitar Hero zitiert. Der Spieler produziert über den Avatar in diesen Momenten interaktive diegetische Musik.

Ähnlich der Arenen können weitere Teile der spielbaren Welt nicht verlassen werden, ohne eine Aufgabe, meist in Form eines Minigames, zu lösen. Innerhalb der Alien-Raumschiff-Welt etwa muss der Spieler eine vorgespielte Melodie durch Drücken bestimmter Tasten wiederholen, um so eine Maschine zu steuern. Dabei erhält er Anweisungen von einem anderen Spielcharakter. Jeder Taste ist ein Ton zugeordnet, so dass beim falschen Drücken auch ein falscher Ton erklingt und die Maschine dann eine falsche Anweisung ausführt. Der diegetische Ton wird also auch außerhalb der Kämpfe an bestimmten Stellen interaktiv beeinflussbar, er wird teilweise sogar erst durch Spielerinteraktion produziert.

Die spielbare Welt mit ihren Arenen und Minigames wird durch Videosequenzen erweitert, die durch das Betreten eines Gebäudes oder das Ansprechen einer Person ausgelöst werden. Innerhalb dieser Videosequenzen lässt sich kein Geräusch beeinflussen. Fast dauerhaft erklingt dann extradiegetische Hintergrundmusik, während die typischen Umgebungsgeräusche der spielbaren Welt aussetzen: Es findet also ein vollständiger Wechsel von der Videospiel- zur serieneigenen Musik statt.

Die gesamte Klangwelt der Serie wird in den verschiedenen Videosequenzen verwendet. Sie umfasst neben den für Cartoons typischen suggestiven Klängen wie crescendierenden Streichertremoli oder melancholischer Klaviermusik auch serieneigene Jingles und Songs.[4] Alle diese Videosequenzen zusammen ergeben mit ca. 120 Minuten mindestens die Dauer von fünf Episoden der Serie, die auf diese Art Stück für Stück in die Handlung des Spiels integriert ist. Somit sind eben diese zwei Stunden der Spielzeit in ihrem Klang völlig identisch mit der Serie.

Die nicht interaktiv beeinflussbare extradiegetische Musik innerhalb der spielbaren Welt unterscheidet sich von der Musik der Videosequenzen. Innerhalb der Videosequenzen dient die Musik hauptsächlich der Spannungssteigerung, während die Hintergrundmusik der spielbaren Welt die Atmosphäre der jeweiligen Orte unterstützt.[5] Jeder Ort hat eine spezielle Musik in Form eines kurzen Loops. Der Wechsel der Musik erfolgt abrupt mit dem Ortswechsel. Weder verändert sich diese Musik, wenn Gefahr droht, noch hilft sie bei der Suche nach Gegenständen oder Lösungen. Läuft an einem Ort das South-Park-Radio, so ersetzt dies die Hintergrundmusik. Die extradiegetische, nicht beeinflussbare Musik hat demnach ausschließlich eine untermalende Funktion. Sie trägt insbesondere nicht zur Annäherung der Spiel- an die Serienwelt bei, da sie sich von der Hintergrundmusik der Serie unterscheidet. Die einzige Ausnahme ist die der Serie entnommene Hintergrundmusik auf der Farm, die allerdings keinen thematischen Bezug zur Serie enthält.[6]

Oft kommt es zu Überlagerungen der nicht beeinflussbaren Musik-/Geräuschkulisse mit den aktiv beeinflussbaren extradiegetischen Geräuschen. Jedes Aufsammeln von Gegenständen, Schließen von Freundschaften sowie die Bedienung des Interfaces produziert einen kurzen Klang. Diese (weder klar intra- noch extradiegetischen) Interfaceklänge sind, anders als die üblichen Hintergrundklänge der Spielwelt, synthetisch generiert und signalisieren Bewegungen oder Aktionen des Cursors bzw. des Avatars in der Spielwelt. Sie kommentieren eine erfolgreiche Aktion und lenken die Aufmerksamkeit auf Gegenstände, die gefunden werden können, wie beispielsweise die »Chinpokomon«, eine Pokémon-Parodie, die in der Serie mit einem parodistischen Jingle beworben wurden. Findet der Spieler ein Chinpokomon, erklingt auch im Spiel dieses Jingle. In diesem Moment hört man nicht interaktiv beeinflussbare extradiegetische Musik und nicht interaktiv beeinflussbare extradiegetische Musik gleichzeitig.

Im Lauf des Spiels ist es möglich, die bekannte Welt zu verlassen und aus den USA nach Kanada zu reisen. Dieser Teil der spielbaren Welt ist in seiner Erscheinung der Ästhetik alter 16-Bit-Games nachempfunden, weshalb auch die Musik eine Sonderstellung einnimmt: Die extradiegetische Hintergrundmusik ist eine 16-Bit-Version des Stücks Blame Canada aus dem Film South Park: Bigger, Longer and Uncut! und wird, wie in Spielen der 16-Bit-Ära üblich, dauerhaft geloopt. Im Unterschied zu den anderen Kompositionen, die ebenfalls thematisch mit bestimmten Orten verknüpft sind und aus der Serie stammen, enthält die 16-Bit-Version keinen Text und kann daher nur dann als Blame Canada identifiziert werden, wenn das Original dem Hörer bereits bekannt ist.

Diese Veränderung einer serieneigenen Komposition ist wie gesagt in der Veränderung der grafischen Darstellung bzw. dem Wechsel zu einer 16-Bit-Ästhetik begründet. Schon innerhalb der Serie wird generell ein Unterschied zwischen der Darstellung der USA und Kanadas gemacht. Während US-amerikanische Figuren und Objekte aus diversen Formen zusammengestellt sind, werden kanadische fast ausschließlich in Rechtecken und Quadraten repräsentiert, sind also visuell noch stärker reduziert. Eine Assoziation zu Animationen in niedriger Auflösung liegt nahe. Die Idee einer grafischen Vereinfachung führt im Rahmen eines digitalen Spiels dann letztlich zum Zitat von Gestaltungsprinzipien der frühen Videospielkonsolen. Die Darstellung Kanadas im Spiel ist demnach die konsequente Umsetzung der grafischen Vereinfachungsstrategie der Serie, bezogen auf die Tradition der Videospielästhetik in Bild und Ton.

Die der Serie entnommenen Stücke helfen nicht beim Lösen der Aufgaben und schaffen im Gegensatz zur spieleigenen Hintergrundmusik auch keine genretypische Atmosphäre in der Spielwelt. Das South-Park-Radio erfüllt zwar die atmosphärische Funktion einer Klangkulisse, ist inhaltlich aber austauschbar, wie sich ein im Hintergrund laufendes Radio ja generell durch eine gewisse Beliebigkeit und Unvorhersehbarkeit des Inhaltes auszeichnet. Der Bezug der Songinhalte auf die Orte wird dadurch relativiert, dass an jedem Ort dieselben Stück zu hören sind, sobald dort über einen längeren Zeitraum verweilt wird. Die Stücke haben demnach keine tiefere spielimmanente Funktion. Sie stellen lediglich einen möglichen Auslöser einer Erinnerung an die Serie dar. Wie überraschend oder voraussehbar, passend oder unpassend, symbolisch oder trivial die Musik erscheint, hängt einzig vom Vorwissen des Spielers ab. Werden die Verweise erkannt, so wecken sie Erinnerungen, während die, die unerkannt bleiben, als inhaltlich irrelevante Hintergrundmusik wahrgenommen werden.

Die Serie hat anders als die Spielwelt eine langjährige Geschichte, die es erlaubt, über lange Zeit einen persönlichen Bezug zu ihr aufzubauen. Während des Spielens wird dieser Bezug dadurch verstärkt, dass der Spieler mehr oder minder frei in der Spielwelt agieren kann. An verschiedenen Stellen muss sich der Spieler beispielsweise für oder gegen bestimmte Charaktere entscheiden, obwohl keine spielimmanenten Anhaltspunkte bei der Entscheidung helfen: Sie beruht allein auf seiner Sympathie für bestimmte Charaktere oder Objekte, die letztlich durch den Konsum der Serie entstanden ist. Die eigentlich Zeit-neutrale Welt von South Park bekommt durch die Erinnerungen und Sympathien des Spielers somit eine Vergangenheit und wird zugleich persönlich aufgeladen.[7] Eben diese Verknüpfung wird, wenn auch nicht ausschließlich, durch die Musik ausgelöst und trägt zum Eindruck bei, in der Tat ›die Serie zu spielen‹.

* * *

In allen vier von Daniel Ernst entwickelten Kategorien finden sich im Computerspiel The Stick of Truth mithin Klänge, die unverändert aus der TV-Serie South Park entnommen sind. Im Falle der diegetischen Musik stellen sie sogar den größten Anteil dar. Die omnipräsente auditive Referenz auf diverse Episoden oder Charaktere führt zu einer subtilen Verknüpfung der Spielwelt mit der Serie. Die Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb des Spiels verstärken das Gefühl, im Spiel in die Serienwelt einzutauchen und ein Teil von ihr zu sein. Außerdem ist die Funktion der serieneigenen Musik nicht spielimmanent verständlich, sondern nur durch die Kenntnis der Serie nachzuvollziehen. Die Musik des Spiels wird durch diese Strategien in der Tat untrennbar mit der Serie verknüpft.

 

Anmerkungen

[1] Zitiert nach dem Interview auf www.youtube.com/watch?v=eHYcPAqIDX0.

[2] Daniel Ernst, Musik als dynamischer und interaktiver Bestandteil im Spielverlauf, S. 316f.

[3] Im Schönheitssalon wird ein erotischer Funk-Song des Charakters Chef gespielt, im Hauptquartier der Mädchen läuft das Thema der Princess Kenny-Mangaserie, in Tweeks Coffee der Taco-Song von Jennifer Lopez, in Jimbos Gun Shop der Southern-Rock-Song I’m a Little Bit Country.

[4] Das Thema des Princess Kenny-Mangas (S17 E08) erklingt in einer Videosequenz vollständig. Nach der Alien-Episode des Spiels erklingt das Eröffnungsjingle der Serie.

[5] In der Kirche hört man an den gregorianischen Choral angelehnte Männerstimmen oder Orgelmusik, im Turm der Mongolen zentralasiatischen Kehl-Gesang, innerhalb der Alien-Episode auf einem Raumschiff sphärische Synthesizer-Klänge.

[6] Die Musik entstammt der Episode Titties and Dragons (S17 E09) und erklingt dort während einer Hochzeit. Sie hat keinen Text und trägt nicht kommentierend zur Handlung der Folge bei.

[7] Selbstverständlich gilt dies in erster Linie für Spieler, die mit der Serie gut vertraut sind. Es bleibt aber zu bezweifeln, dass jemand ohne Kenntnis der Serie das Spiel ansprechend findet oder sogar spielt. Dazu Videospiel-Kritiker Michael Graf in Apokalypse im Bergdorf: »Als Rollenspiel nämlich kann der Stab der Wahrheit wenig. Als South-Park-Spiel kann es alles.«

 

Literatur

Daniel Ernst: Musik als dynamischer und interaktiver Bestandteil im Spielverlauf. »The Legend of Zelda: Ocarina of Time« und »Twilight Princess«, in: Digitale Spiele. Interdisziplinäre Perspektiven zu Diskursfeldern, Inszenierung und Musik, hrsg. von Christoph Hust und Ineke Borchert, Bielefeld: transcript 2018, S. 311–324.

Michael Graf: Apokalypse im Bergdorf, 2014, online unter: https://www.gamestar.de/artikel/south-park-der-stab-der-wahrheit-apokalypse-im-bergdorf,3033285,fazit.html.

Tim Summers: Video Game Music. Sources, Methods and a Case Study, in: Ludomusicology, Approaches to Video Game Music, hrsg. von Michiel Kamp, Tim Summers und Mark Sweeney, Sheffield: Equinox 2016, S. 8–31.

Joachim Raff in der Neuen Zeitschrift für Musik

Hier eine aus einem älteren Projekt »übriggebliebene« Liste von Raffiana in der NZfM zwischen 1852 und 1879, zusammengestellt von Clarissa Renner:

  • 37 (1852), Nr. 12: Anzeige der Drei Lieder von J. G. Fleischer und der Zwei italienischen Lieder op. 50 – 37-12
  • 38 (1853), Nr. 07: Joachim Raff, An die Redaction der Neuen Zeitschrift für Musik – 38-07
  • 38 (1853), Nr. 11: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil I – 38-11
  • 38 (1853), Nr. 13: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil II – 38-13
  • 38 (1853), Nr. 14: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil III – 38-14
  • 38 (1853), Nr. 15: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil IV – 38-15
  • 38 (1853), Nr. 16: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil V – 38-16
  • 38 (1853), Nr. 17: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil VI – 38-17
  • 38 (1853), Nr. 18: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil VII – 38-18
  • 38 (1853), Nr. 20: Rezension der Drei Lieder op. 52 – 38-20
  • 38 (1853), Nr. 23: Joachim Raff, Vertrauliche Briefe an den Verfasser des Aufsatzes „Tannhäuser, Oper von Richard Wagner“ in den „Grenzboten“ Nr. 9, Teil VIII – 38-23
  • 39 (1853), Nr. 22: Joachim Raff, An die Redaction der Neuen Zeitschrift für Musik – 39-22
  • 40 (1854), Nr. 05: Rezension der Frühlingsboten op. 55 – 40-05
  • 41 (1854), Nr. 09: Rezension der Drei Salonstücke op. 56 – 41-09
  • 41 (1854), Nr. 10: Rezension von Aus der Schweiz op. 57 – 41-10
  • 42 (1855), Nr. 01: Rezension der Deux Nocturnes op. 58 – 42-01
  • 42 (1855), Nr. 04: Emanuel Klitzsch, Joachim Raff’s Compositionen für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte – 42-04
  • 44 (1856), Nr. 16: Rezension der Schweizerweisen op. 60 – 44-16
  • 44 (1856), Nr. 19: Rezension der Wagner-Transkriptionen op. 62 – 44-19
  • 47 (1857), Nr. 14: Rezension des Capriccio op. 64 – 47-14
  • 49 (1858), Nr. 05: Rezension der Suiten op. 71 und op. 72 – 49-05
  • 53 (1860), Nr. 26: Rezension des Streichquartetts op. 77 – 53-26
  • 55 (1861), Nr. 01: Rezension der Violinsonate op. 78 – 55-01
  • 56 (1862), Nr. 07: Rezension der Chachoucha-Caprice op. 79 – 56-07
  • 59 (1863), Nr. 08: Rezension des Streichquartetts op. 90 – 59-08
  • 60 (1864), Nr. 18: Rezension von Deutschlands Auferstehung op. 100 – 60-18
  • 60 (1864), Nr. 50: Rezension von Le Galop, Caprice brillant – 60-50
  • 61 (1865), Nr. 10: Rezension der Jubelouvertüre op. 103 – 61-10
  • 61 (1865), Nr. 28: Rezension der Zwölf zweistimmigen Gesänge op. 114 – 61-28
  • 61 (1865), Nr. 37: Rezension der Ungarischen Rhapsodie op. 113, der Valse Caprice op. 116 und der Deux morceaux lyriques op. 115 – 61-37
  • 61 (1865), Nr. 43: Rezension der Phantasie-Polonaise op. 6 – 61-43
  • 62 (1866), Nr. 04: Rezension von An das Vaterland op. 96 – 62-04
  • 62 (1866), Nr. 27: Rezension der Fest-Ouverture op. 124 – 62-27
  • 62 (1866), Nr. 46: Rezension der Drei Clavierstücke o. Op. – 62-46
  • 62 (1866), Nr. 47: Louis Köhler, Clavierhistorische Betrachtungen: Joachim Raff – 62-47
  • 63 (1867), Nr. 49: Rezension von Blätter und Blüthen op. 135 – 63-49
  • 64 (1868), Nr. 05: Rezension der Zehn Gesänge für Männerchor op. 122 – 64-05
  • 67 (1871), Nr. 02: Rezension der Suite op. 72 – 67-02
  • 68 (1872), Nr. 34: Rezension des Klaviertrios op. 115 – 68-34
  • 68 (1872), Nr. 49: Rezension des Klaviertrios op. 158 – 68-49
  • 69 (1873), Nr. 20: Rezension des Oktetts op. 176 – 69-20
  • 69 (1873), Nr. 35: Rezension der Klavierstücke op. 164 – 69-35
  • 70 (1874), Nr. 03: Rezension von Orientales: Huit morceaux pour le piano op. 175 – 70-03
  • 70 (1874), Nr. 20: Rezension der Deux morceaux lyriques op. 115 – 70-20
  • 71 (1875), Nr. 07: Gotthold Kunkel, Die Programmmusik und Raff’s Leonorensymphonie – 71-07
  • 71 (1875), Nr. 15: Personalnachricht zur Aufführung von Raffs Konzert in c-Moll – 71-15
  • 72 (1876), Nr. 29: Rezension der Streichquartette op. 192 – 72-29
  • 72 (1876), Nr. 51: Personalnachricht zur Ernennung als Ehrenmitglied der Società de Quartetto in Mailand – 72-51
  • 73 (1877), Nr. 04: Rezension der Humoreske in Walzerform op. 159 – 73-04
  • 73 (1877), Nr. 42: Personalnachricht zur Übernahme des Leitung des Dr. Hoch’schen Conservatoriums in Frankfurt am Main – 73-42
  • 74 (1878), Nr. 43: Personalnachricht zur Leitung des Musikfestes in Leeds 1880 – 74-43
  • 75 (1879), Nr. 33: Nachricht zum Abschluss einer neuen Symphonie – 75-33

Tuning In: Studying Television Music and Sound

Prof. Dr. James Deaville
(Carleton University, Canada)

Tuning In:
Studying Television Music and Sound

James Deaville is a Musicologist specializing in music, composers and musical practices and institutions of the 19th and 20th centuries, having published and spoken about such diverse topics as Franz Liszt, music criticism, television news music, African-American entertainers in turn-of-the-century Vienna and “fascist” Nordic composers during the Third Reich.

It is so very satisfying to see how contemporary television music has inspired a generation of young scholars for whom the sights and sounds of these programs belong to everyday life. The sophistication of their analyses belies lingering biases against television as a low cultural form in comparison with cinema. We may inhabit a post-television mediascape, yet the concept of television persists whatever the format and platform, as long as it remains grounded by the core principle of serialization. The proliferation of scholarly studies about television argues for its growing importance within the academy, as does the increasing presence of the corollary field of television music studies, which has occasioned conferences, special issues of journals, and dedicated course offerings.

The work of the seminar students reflects the unique issues that arise when considering music (and sound) in the context of television. Ranging from the problems of library music in documentary film and the limitation of news music to the program’s opening, to the ability of leitmotifs to anticipate plot developments in Game of Thrones and the soundscapes of Breaking Bad as crucial contributions to the show’s narrative, the students took special efforts to point out the challenges music in television posed for composers, audiences and analysts. That such research combines aesthetic/cultural reflection with music analysis is indicative of the generation, which has returned to (informed) discussion of musical sounds after a period of heady engagement with concepts of “music” using the tools of cultural studies and related disciplines.

For example, the study of Westworld revealed the use of popular song covers as suggesting multiple layers of interpretation for the music, while comparing the music of the American series House, M.D. and the BBC show Sherlock insinuates a common origin in the work of Sir Arthur Conan Doyle. The presentations on Mad Men and Star Trek present interesting comparative perspectives on the relationship of series music to the concept of time: while Mad Men takes pains to sound like the period during which it takes place (the 1960s), Star Trek draws upon musical styles of the present to portray the sound worlds of the future. We also learn how music in the series How I Met Your Mother both helps to uncover untruths and supports the comic narrative.

Where does it all go from here? Quality television programming seems to be proliferating in North America if anything, granted the success of cable networks like AMC and HBO and the massive expenditures of entertainment provider Netflix. Some form of music underscores each of their programs, often used in novel ways that draw upon the latest popular music, exploit the boundaries of music and sound and rely upon silence for its sonic impact. And some of that music can become memic, like the notorious song “The Rains of Castamere” of the House of Lannister in Game of Thrones. An enterprising researcher might wish to unpack the contexts for that song, considering its ontological status within the diegesis of the show, tracing its roots as an expression of neomedievalism, and examining the meanings behind the various covers of “The Rains of Castamere.”

As musicologists continue to interrogate questions of identity in relation to music, television can provide the raw materials for analysis. Music’s complex role in subject formation certainly merits study, especially to the extent that identity categories now are considered in intersectional configurations. Race, gender, disability, and class all have their representations in screen media (including television and video games), and music typically serves to underscore these forms of difference, whether individually or in the variety of intersectional formations. As a person with multiple disabilities, I have recently become interested in how music and sound are implicated in cinematic and televisual depictions of disability, ranging from explicit constructions of stuttering in The King’s Speech and autism in The Good Doctor to secondary representations of disability in It’s a Wonderful Life (George’s hearing loss and madness) and The Walking Dead (the zombies’ muteness). With the complicity of music and sound, eugenics lurks behind these screen representations, whether Artie’s “release” from his wheelchair in musical dream sequences in Glee or the large-scale extermination of moaning zombies in The Walking Dead, where the lack of human voice establishes their inhumanity and thus the need for their eradication.

We can anticipate that television will remain a source of entertainment, but it will likewise continue to provide a site of memory, identity, and representation for future audiences. Music will perform its customary hidden roles as mood enhancer, persuader, and “space filler,” yet it may bear additional technical and technological responsibilities in the advancing world of audiovisual communications. Nevertheless, television music and sound will persist in affording the inquisitive scholar with countless opportunities for serious study in the years to come, even as the sub-discipline continues to expand and evolve.

Zu den erwähnten Texten folgen Sie bitte diesem Link.

TV-Musik: »Breaking Bad«

Richard Knaupp und Marlene Schleicher

Soundscapes in Breaking Bad

Breaking Bad, die Geschichte um den ehemaligen Chemielehrer Walter White in New Mexico, der nach einer Krebserkrankung immer weiter in die Welt der Drogendealer gerät, wurde erstmals von 2008 bis 2013 ausgestrahlt. Es ist auffällig, dass die Serie mit sehr wenig, dafür gezielt eingesetzter Musik auskommt: Der absolute Musikanteil liegt bei gerade einmal 15 %, während er in den meisten Serien um ein Vielfaches höher ist.[1] Da sich die Erzählweise von Breaking Bad hingegen nicht maßgeblich von anderen Serien unterscheidet, muss es weitere Elemente geben, die neben Bild und Dialog zur Narration beitragen: In Breaking Bad spielt die Geräuschebene eine besondere Rolle. Diese Soundscape umfasst die Menge aller Geräusche, die die fiktive Welt formen.[2] Soundscapes lassen sich in weitere Kategorien unterteilen, die auch in der hier besprochenen Serie relevant sind:

  • Keynotesounds umfassen die Hintergrundgeräusche der dargestellten Welt: Wind, Wasser, Wald, Tiere etc.,
  • Signals hingegen sind all jene Geräusche, die sich in den Vordergrund drängen, etwa Sirenen, Martinshörner und Glocken.

Da die Geräuschebene in Breaking Bad teilweise an Stelle von Serienmusik eingesetzt wird, ist zu erwarten, dass den Soundscapes eine ähnliche Funktion beikommt. Norbert Jürgen (»Enjott«) Schneider spricht von Filmmusik, in unserem Fall Serienmusik, wenn sie »bewusst und aus dramaturgischen Gründen zu den Bildern des Films gesetzt wird« und interpretierbar ist.[3] So lässt sich vermuten, dass die Soundscapes in Breaking Bad nicht nur der akustischen Formung der Umgebung dienen, sondern einen hohen interpretatorischen Gehalt haben. Unsere Analyse greift sieben Szenen heraus, in denen Soundscapes eine wichtige Funktion einnehmen.

I. Fernsehton als Symbol der Verwahrlosung: Peekaboo (S02E06)

Walters Komplize Jesse Pinkman geht in das Haus zweier rivalisierender Kleindealer, um sie einzuschüchtern, trifft sie aber nicht an. Das Haus ist unaufgeräumt und heruntergekommen. Während er auf die Dealer wartet, betritt ein kleines Kind das Wohnzimmer. Der Junge ist ungewaschen und trägt schmutzige Kleidung. Er reagiert nicht auf Jesses Anwesenheit, sondern schaltet den Fernseher an. Wie gebannt starrt das Kind auf den Bildschirm. Auf die Versuche, ihn anzusprechen, reagiert es nicht. Die einzige Antwort, die Jesse bekommt, ist der Fernsehton: Er tritt an die Stelle einer sozialen Interaktion, die die normale Reaktion auf einen Fremden im Wohnzimmer wäre.

Der Fernseher, insbesondere der Fernsehton, unterstreicht auf der akustischen Ebene die emotionale und soziale Verwahrlosung des Kindes; er tritt an die Stelle eines Spielgefährten. Als Zeichen der Verwahrlosung spiegelt er nicht nur den inneren Zustand des Kindes, sondern charakterisiert auch die Umgebung. Als nach der nächsten Szene, die an einem anderen Ort spielt, wieder zu Jesse und dem Jungen zurückgeschnitten wird, hört man zuerst den Fernseher. Er bleibt auch im Rest der Szene präsent, obwohl sich die Figuren in einem anderen Raum des Hauses befinden.

II. Herzmonitor macht Emotionen hörbar: I See You (S03E08)

Walter White besucht im Krankenhaus seinen Schwager, den Drogenermittler Hank Schrader, der vom Attentäter eines mexikanischen Drogenkartells angegriffen wurde. Dieses Attentat hatte sich als Racheakt eigentlich gegen Walter gerichtet. Der Attentäter liegt im gleichen Krankenhaus. Zusammen mit DEA-Polizisten besucht Walter das Krankenzimmer des Attentäters. Sie erhoffen sich Genugtuung davon, zu sehen, dass Hank ihm schwere Verletzungen zugefügt hat. Als sie den Raum betreten, hört man das regelmäßige Piepen des Herzmonitors stark im Vordergrund; alle anderen Geräusche werden ausgeblendet. Sobald der Verletzte Walter erkennt, geht sein Puls in die Höhe, was man am schnelleren Piepen des Monitors hört. Der Attentäter möchte zu Walter und reißt sich die Elektroden ab. Zum schrillen Piepen mischen sich weitere Alarmsignale, die einen fließenden Übergang in die elektronische Filmmusik bilden, die nun eingeblendet wird und die Geräusche in eine Klangkomposition einbettet.

Die Präsenz des Herzmonitors verlangt nach Interpretation. Die Tatsache, dass alle anderen krankenhaustypischen Geräusche aus den Szenen davor ausgeblendet werden, zeigt, dass es bei dem Piepen um mehr geht als um die Charakterisierung der Umgebung: Durch den Monitor wird die emotionale Verfassung des Attentäters hörbar gemacht. Mit seiner ansteigenden Wut wird das Geräusch immer dichter. Der fließende Übergang zur Filmmusik verdeutlicht zudem, wie eng verwandt der Einsatz der Geräusche zur traditionellen Filmmusik ist.

III. Das Quietschen einer Schaukel als Symbol für Verbundenheit: Say My Name (S05E07)

Walters Komplize Mike Ehrmantraut ist mit seiner Enkelin auf einem Spielplatz. Er sitzt auf einer Bank, während sie mit dem Rücken zu ihm schaukelt. Die Ketten der Schaukel quietschen, außerdem hört man spielplatztypischen Kinderlärm. Mike bekommt einen Anruf, dass die Polizei auf dem Weg zu ihm sei, und muss fliehen. Da schon das erste Polizeiauto kommt, hat er keine Zeit mehr, seine Enkelin mitzunehmen. Während Mike mit sich hadert, wird das Quietschen der Schaukel immer lauter, obwohl sich Mike nicht näher an die Schallquelle heranbewegt; dafür gerät der Rest der akustischen Umgebung in den Hintergrund. Das Geräusch wird durch diesen akustischen Fokus also mit Bedeutung belegt. Man kann es als Zeichen der Verbundenheit Mikes zu seiner Enkelin oder als akustisches Symbol für die Vorwürfe deuten, die Mike sich wahrscheinlich macht, weil er sie zurücklassen muss. In jedem Fall kann der Zuschauer durch die akustische Ebene Rückschlüsse darauf ziehen, was in Mikes Gefühlswelt vor sich geht.

IV. Ein Gasofen zeichnet den Spannungsbogen nach: …And the Bag’s in the River (S01E03)

Nach ihrem ersten missglückten Drogendeal haben Jesse und Walter ihren ehemaligen Geschäftspartner im Keller eingesperrt. Walter hadert mit sich, ob er ihn töten muss oder laufen lassen kann. Als er sich schon entschlossen hat, den Gefangenen freizulassen, bemerkt er, dass dieser eine Scherbe gestohlen hat, vermutlich, um Walter zu töten. Walter erkennt, dass er ihn also doch töten muss, wenn er selbst überleben will. Während er in den Keller hinabsteigt, hört man im Hintergrund das Brodeln eines Gasofens. Während Walter Kraft für die bevorstehende Tat sammelt, rückt das Brodeln immer mehr in den Vordergrund und wird zusätzlich dichter. Bei der Ausführung der Tat hört es dann plötzlich auf.

Das Geräusch wird also verfremdet und lässt sich nicht mehr als bloße Charakterisierung der Umgebung deuten: Das Geräusch des Ofens zeichnet Walters innere Anspannung nach und gibt Hinweise auf sein Innenleben. Auch der »musikalische« Umgang mit einem Geräusch, das ursprünglich der Umgebung entstammt, ähnelt dem oben geschilderten Fall mit der Schaukel: Lautstärke und Dichte der Klangkulisse durch den Ofen werden in der Welt der Figuren subjektiv verändert. Analog zur Anspannung Walters zeichnet der Ofen aber auch den Spannungsbogen des Zuschauers nach.

V. Spannungsaufbau für Protagonisten und Rezipienten auf Grund eines Schreckmoments: Breakage (S02E05)

Hank Schrader liegt nachts schlaflos im Bett. Als er ein Schussgeräusch zu hören glaubt, schreckt er auf und greift zur Waffe, um sich dem vermeintlichen Gegner entgegenzustellen. Auf der Suche nach dem Ursprung des Geräuschs wiederholt sich das Knallen immer mehr. Erst dann wird die Situation aufgelöst: Hank hat in einer vorangegangenen Szene Bier gebraut. Da der Druck in den Flaschen zu hoch ist, platzen sie und verursachen einen Knall, der den Protagonisten zunächst an einen Schuss denken lässt. Diese Assoziation ergibt sich ebenso für den Rezipienten: Durch die Kameraführung nimmt der Zuschauer auch im Bild die Perspektive des Protagonisten ein; der bedrohliche Eindruck wird durch die Dunkelheit zusätzlich verstärkt. Die optische Reduktion und die Abwesenheit von Filmmusik legen den Fokus auf den sich wiederholenden Knall und erzeugen Spannung. Mit der Einblendung der Geräuschquelle wird diese Spannung für den Protagonisten ebenso wie für den Rezipienten gelöst.

VI. Spannungsaufbau für den Zuschauer auf Grund eines akustischen Fremdkörpers: Grilled (S02E02)

Im Bild sieht man eine Wüste aus der Vogelperspektive, während aus der Ferne ein rhythmisches Geräusch zu hören ist, das zunächst nicht zugeordnet werden kann. Die Kameraführung verlässt die Totale und es werden immer mehr Details sichtbar, die alle nicht in die Umgebung einer Wüste passen: Munition, altes Spielzeug, leere Flaschen. Gleichzeitig wird das Geräusch immer lauter. Mittlerweile ist vernehmbar, dass es sich nicht um ein Geräusch aus der Natur handelt, sondern dass die Geräuschquelle maschinell ist.

Der »akustische Fremdkörper« verursacht in Verbindung mit den Nahaufnahmen und dem Fehlen von Filmmusik eine Desorientierung in einem Umfeld, das zunächst klar definiert worden war. Die Spannung durch die Orientierungslosigkeit wird langsam abgebaut, indem die Geräuschquelle, ein Auto, zunächst als Schatten sichtbar wird, dann im Detail, schließlich in der Totalen: Das Geräusch wird vom Hydrauliksystem eines verlassenen Wagens produziert, der das Auto springen lässt und so das rhythmische Quietschen erzeugt. Die durch die Soundscape verursachte Verunsicherung gilt diesmal nur den Zuschauern, da in der Szene keine handlungstragenden Figuren anwesend ist.

VII. Grillenzirpen: …And the Bag’s in the River (S01E03)

Breaking Bad spielt in New Mexico. Akustisch wird diese Umgebung u. a. durch die nachts laut hörbaren Insektengeräusche charakterisiert. So ist in jeder Folge Grillenzirpen zu hören. Oft hat das keinen interpretatorischen Gehalt, der über die geographische Verortung hinausgeht, doch an manchen Stellen kann man in das Zirpen der Grillen durchaus Bedeutung legen. So verbringt Walter in der dritten Folge der ersten Staffel eine Nacht im Haus seines Komplizen Jesse und grübelt darüber, ob er einen eingesperrten Widersacher töten soll oder nicht (siehe Beispiel IV). Walter ist mit dieser Entscheidung auf sich gestellt. Das Grillenzirpen im Hintergrund macht für den Zuschauer die Abwesenheit anderer Menschen deutlich: Es tritt an die Stelle von Geräuschen, die von Menschen erzeugt werden. Diese Deutung wird dadurch gestützt, dass das Zirpen ausgeblendet wird, sobald Walter seine Frau anruft, um sich zu entschuldigen, dass er noch nicht zu Hause ist. Außerdem könnte man das Geräusch auch als Referenz auf das Doppelleben verstehen, das er führt: Grillen sind nachtaktive Tiere, und Walter baut sich, vor seiner Familie verborgen, eine Identität als Drogendealer auf.

Im Unterschied zu einigen anderen hier als Beispiel herangezogenen Soundscapes ist das Zirpen nicht verfremdet. Auf einer Skala von nicht interpretierbaren Umgebungsgeräuschen auf der einen Seite und der stark interpretierbaren akustischen Information der Filmmusik auf der anderen liegt das Grillenzirpen deutlich weiter weg von Filmmusik als die anderen hier untersuchten Fälle.

* * *

Die in den exemplarischen Szenen aus Breaking Bad geschilderten Soundscapes dienen also jeweils der Interpretation der Handlung, wurden dramaturgisch bewusst integriert und gehen in der Funktion über die akustische Formung der Umgebung deutlich hinaus.

 

 

Nachweise

[1] Peter Moormann, Im Takt des Todes, S. 57.

[2] Sonospace, Soundscape Theory, 2012.

[3] Norbert Jürgen Schneider, Handbuch Filmmusik, S. 19–21.

 

Literatur

Moormann, Peter: Im Takt des Todes. Musik und Sounddesign in Breaking Bad, in: Ambivalenzwucherungen. Breaking Bad aus bildungs-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Blickwinkeln, hrsg. von Olaf Sanders, Anja Besand und Mark Arenhövel, Köln: Halem 2016, S. 57–70.

Schneider, Norbert Jürgen: Handbuch Filmmusik I, München: Ölschläger 1989.

Sonospace: Soundscape Theory, <www.sonospace.org/soundscape> (Abruf am 15. Februar 2018).

TV-Musik: Dokumentarfilme

Krischan Wernecke

Musik in und für Dokumentarfilme(n)

»But they’re in a lifeboat out in the middle of the ocean; where’s the orchestra?

Behind the camera!«[1]

Dieses Zitat aus einem Gespräch Alfred Hitchcocks mit dem Komponisten David Raksin während der Produktion von Lifeboat (1944) beschreibt – obwohl Lifeboat kein Dokumentarfilm ist treffend die Problematik von Musik in Dokumentarfilmen, die in diesem Text veranschaulicht wird. Den Dokumentarfilm als Genre zu definieren, stellt sich im Laufe des 20. Jahrhunderts als zunehmend kompliziert heraus. Stets stand er im Spannungsfeld von Fiktionalität und Nonfiktionalität; schon in den 1920er Jahren bezeichnete man ihn zudem als Kunstfilm. Dass diese Ansicht bis heute fortwirkt, zeigt der Versuch einer Definition des Dokumentarfilmers Clemens Kuby aus dem Jahre 2002:

»[Ein Maler] ist ein Künstler. Genau das sind wir Dokumentarfilmer auch […] und ich gelobe, mich von der Wirklichkeit nicht mehr einschränken zu lassen.«[2]

Indem Kuby die Auflösung der strikten Einteilung in Fiktion und Realismus beschreibt, spricht er stellvertretend für eine aktuelle Strömung im Dokumentarfilm: Während Spielfilme vermehrt die Ästhetik des Dokumentarischen zu schätzen lernen, reizt Dokumentarfilmer_innen die »formale Perfektion des Spielfilms«.[3] Dabei lässt sich der Grad der Fiktionalisierung als Grad der Inszenierung betrachten: beginnend bei Symbolbildern über einzelne nachgespielte Szenen bis hin zu Spielfilmen, die dokumentarisch dramatisiert sind.[4] Diese Grenzauflösung beschreibt auch Thomas Schadt: Der Dokumentarfilm setze

»in seiner Interpretation von Wirklichkeit in erster Linie ohne Zuhilfenahme fiktionaler Inszenierung auf reale Authentizität […] und [gestaltet] diese mit filmischen Mitteln und einer filmischen Dramaturgie.«[5]

Es geht Dokumentarfilmer_innen demnach primär um Glaubwürdigkeit und Authentizität, zu deren Inszenierung jedoch auf filmische Mittel zurückgegriffen wird, die durchaus die Realität verzerren können. Doch wie lässt sich extradiegetische Musik, die nicht Teil der gefilmten Handlung ist, mit einem Anspruch auf Realitätstreue vereinbaren – wie lässt sich folglich für Dokumentarfilme komponieren?

Einen Originalton als authentisch zu bezeichnen, fällt leicht, wenn er dem Bild zugeordnet werden kann. Eine Szene in einem gut besuchten Restaurant, in der eine Liveband zu sehen ist, lässt etwa Jazzmusik, Gemurmel und klirrendes Besteck authentisch erscheinen. Doch wie authentisch ist Ton, der nicht zuzuordnen ist, etwa Orchestermusik im Nirgendwo des Meeres? Dazu betrachtet Norbert Jürgen Schneider übergeordnet den Gesamtzusammenhang des filmischen Charakters und fordert die »dramaturgische Stimmigkeit«[6] als Kriterium der Authentizität. Folgerichtig trägt extradiegetische Musik zur Authentizitätskonstruktion bei, solange sie einen positiven Beitrag zur dramaturgischen Stimmigkeit leistet.

Auftragskompositionen

Die Praxis der Auftragskomposition stellt nach wie vor den größten Anteil in der Filmmusikbranche dar. Neben direkter Kontaktaufnahme vonseiten der Filmproduzent_innen gibt es Internetportale, die per Newsletter Ausschreibungen versenden, auf die sich Komponist_innen bewerben können. Dann werden sie in der Regel spätestens zur Postproduktion des Films mit Verträgen für den Zeitraum des künstlerischen Schaffens engagiert. Die Nähe zur Produktion bietet ihnen die Möglichkeit, motivisch zu arbeiten und eine musikalische Struktur über den gesamten Film zu legen.

Im Folgenden wird exemplarisch an der Dokumentarserie Die Machtergreifung von Peter Hartz und Klaus-Peter Wolf (einer ZDF-Produktion von 2009) gezeigt, wie der organisatorische Prozess der Musikproduktion für Dokumentarfilme aussehen kann. Die Machtergreifung ist eine dreiteilige Serie, die den Aufstieg Adolf Hitlers im Jahr 1933 thematisiert. Den roten Faden bildet die Perspektive der Protagonistin Stéphane Roussel, der ersten französischen Auslandskorrespondentin, die zu dieser Zeit in Berlin tätig war.

Den Komponisten Harry Gutowski und Axel Wernecke wurde ein Drehbuch sowie die Rohfassung der ersten Folge als Grundlage zur Konzeption der Musik gegeben. Sie entschlossen sich, motivisch zu arbeiten, und erstellten auf Basis der Beschreibungen aus dem Drehbuch (»›Roussel-Motiv‹ = positiv, schön, evtl. durch Instrumentierung (Bandoneon, o. ä.) und Klangart leicht französische Anmutung«) folgendes Motiv:

dok1.jpg

Dieses »Roussel-Motiv« zieht sich wiederkehrend und variiert durch den Film. Der erste Teil der Serie endet mit dem Reichstagsbrand und der Aussicht auf Deutschlands düstere Zukunft. Dementsprechend verschieben die Komponisten das Motiv (die mit ihm bezeichnete Figur war in der letzten Szene vor dem Abspann zu sehen) in seine parallele Molltonart; die Ganzton- (Am-Gm-Fm) und die abschließende Mediantenrückung (Fm-Am) vermitteln die ungewisse, düstere Zukunftsperspektive:

dok2.jpg

Die Vergabe eines Kompositionsauftrags ermöglichte hier also eine intensive Auseinandersetzung mit den Filminhalten sowie eine szenenübergreifende Struktur. Dadurch konnte eine musikalische Kohärenz geschaffen werden, die die Intention des Films unterstreicht.

Library Music

Im Gegensatz zur Auftragskomposition existiert Library Music meist schon, bevor der Filmprozess beginnt. Seit den 1980er Jahren erfährt sie ein stetes Wachstum und verdrängt mehr und mehr das Auftragskomponieren. Die Bezeichnung »Library Music« oder auch »Production Music« beruht auf ihrer Vermarktungsweise: In einer durchsuchbaren Bibliothek sind vorproduzierte Musiktitel eingestellt, die für Filmproduktionen lizenziert werden können. Dabei werden die Titel mit Schlagwörtern wie »heiter«, »stimmungsvoll«, »energetisch«, »heroisch«, aber auch »Sport«, »Nachrichten«, »Militär« etc. klassifiziert. Zu jedem Titel werden darüber hinaus das Tempo und die Tonart angezeigt.

Die Lizenzierung kann für verschiedene Bedürfnisse angepasst werden. Unterschieden wird zwischen den Rechten am Titel an sich (also Songtext oder/und Komposition) und den Rechten an der speziellen Aufnahme. Um eine eigene Interpretation eines Titels zu benutzen, benötigt man also die Rechte am Titel; für die Nutzung der Bibliotheksaufnahme darüber hinaus die Rechte an dieser. Ist es vertraglich nicht anders geregelt, so liegen in der Regel die Rechte für den Titel beim Verlag, die für die Aufnahme beim Label. Um das komplexe Verwertungssystem zu vereinfachen, bieten viele Verlage ihre Titel in dieser Weise als Library Music an. Donald Passman überschlägt die Lizenzierungsgebühren von Musik für den Film in den USA bei einem einigermaßen bekannten Titel mit bis zu $ 25,000.[7]

Als Beispiel wähle ich Heart of Courage von der Musikgruppe Two Steps From Hell und stelle die Library Extreme Music von Sony/ATV Music Publishing exemplarisch vor. Ihr Aufbau entspricht der oben beschriebenen Charakteristik. Die Schlagwörter sind vielfältig; für Heart of Courage werden u. a. die Tags »heroic«, »majestic«, »suspense« und »epic« gelistet, um die Stimmung des Titels widerzuspiegeln.

Tatsächlich kommt Heart of Courage in einigen Dokumentarfilmen vor. In Douglas J. Cohens BBC-Produktion The Entire History of the World in 2 Hours (2011) stellt es die Titelmusik dar, was laut Passman sogar bis zu $ 75,000 Lizenzgebühren nötig macht. In The World Wars (John Maler in Produktion von Stephen David Entertainment für den History Channel) wird die Musik bei Churchills Rede über die erfolgreiche Evakuierung bei Dunkerque eingesetzt, und in The Universe – Crash Landing on Mars von James Golden (Flight 33 Productions) reiht sie sich ein in 38 Minuten pausenlos »epischer« Musik.

Aus Sicht der Filmproduzent_innen mag diese Form der Musikakquise sinnvoll sein und ihnen die Freiheit geben, »perfekte« Musik für den Anlass zu erhalten. Die Zeit, die die Komponist_innen während der Postproduktion benötigen, entfällt, und zudem müssen keine individuellen Verträge über Honorar und Rechte geschlossen werden. Allerdings zeigt gerade das Beispiel der Dokumentarserie The Universe, dass Library Music dem Film unter Umständen keinen eigenen Charakter verleihen kann und beliebig ersetzbar ist. Motivische Arbeit entfällt, als einziger roter Faden bleibt der Stil der gewählten Musik. Darüber hinaus ist diese Musikproduktionsform für die Komponist_innen stärker risikobelastet als Auftragskompositionen: Es kann geschehen, dass sie Tausende von Titeln in der Datenbank haben, die aber nicht gefragt werden – was nicht unbedingt an der Qualität der Musik liegt, sondern auch an einer unpassenden Verschlagwortung. Der Trend einer Wandlung des Kompositionsmarkts zur Vorherrschaft der Library Music ist demnach mindestens kritisch zu betrachten.

 

Nachweise

[1] Holly Rogers, Music, Sound and the Nonfiction Aesthetic, S. 7.

[2] Thomas Schadt, Das Gefühl des Augenblicks, S. 17.

[3] Ebd., S. 20.

[4] Fritz Wolf, Fiktionalisieren des Dokumentarischen, S. 128.

[5] Thomas Schadt, Das Gefühl des Augenblicks, S. 22.

[6] Manfred Hattendorf, Dokumentarfilm und Authentizität, S. 158.

[7] Zitiert nach Marshall Brain, How Music Licensing Works. Das gilt offenbar für eine zeitlich unbeschränkte Nutzung des Titels für jede vertraglich geregelte Ausstrahlung des Filmes.

 

Quellen und Literatur

Brain, Marshall: How Music Licensing Works, in: howstuffworks, <https://entertainment.howstuffworks.com/music-licensing4.htm> (Abruf am 13. Februar 2018).

Hattendorf, Manfred: Dokumentarfilm und Authentizität, Konstanz: Ölschläger 1994.

Rogers, Holly: Music, Sound and the Nonfiction Aesthetic, in: Music and Sound in Documentary Film, hrsg. von ders., New York: Routledge 2015 (Routledge Music and Screen Media), S. 1–19.

Schadt, Thomas: Das Gefühl des Augenblicks. Zur Dramaturgie des Dokumentarfilms, Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe 2002.

Thompson, Kristin; Bordwell, David: Film History: An Introduction, New York: McGraw-Hill 2003.

Wolf, Fritz: Fiktionalisieren des Dokumentarischen, in: Dokumentarfilm im Umbruch, hrsg. von Peter Zimmermann und Kay Hoffmann, Konstanz: UVK 2006, S. 125–138.

TV-Musik: Nachrichten

Paul Weinhold

Musik in Nachrichtensendungen

Nachrichtensendungen im Fernsehen folgen mit wenigen Unterschieden einem ähnlichen, wenn nicht sogar gleichen Aufbau. Unterscheiden kann man sie hinsichtlich ihrer Sendezeit oder dem Radius ihrer Themen (lokal, national, international). Aufgrund der großen Anzahl an Nachrichtensendungen wird bei der folgenden Betrachtung kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Ergebnisse der Recherche treffen sicherlich nicht auf alle Nachrichtensendungen zu, wohl aber auf eine bedeutende Mehrheit.

Die Sendungen lassen sich in eine Eröffnungssequenz, Live-Moderationen, die einzelnen Beiträge und den Abspann unterteilen. Formate mit einer Dauer von mehr als 15 Minuten lassen sich in den meisten Fällen zusätzlich innerhalb der Moderation thematisch unterteilen, so werden häufig die Resorts Sport und Wetter von der restlichen Sendung abgehoben.

Die Unterteilung der Sendung findet auch auf der auditiven Ebene statt. Während der Live-Moderationen sind weder Musik noch atmosphärische Geräusche zu hören.[1] Der Verzicht auf Hintergrundmusik lässt den gesprochenen Inhalt so wichtig erscheinen, dass er keine Ablenkung zulässt. Der Zuschauer soll sich voll und ganz auf die Moderation konzentrieren können.

Zusätzlich verstärkt die Abwesenheit von Hintergrundmusik die Abgrenzung der Moderation von anderen Teilen der Sendung, die mit Musik oder atmosphärischen Geräuschen unterlegt sind. Ein Beispiel für diese auditive Abgrenzung sind die US-amerikanischen CBS Evening News. Sie folgen dem konventionellen Aufbau einer Nachrichtensendung und verzichten somit auf Musik während der Moderation. Allerdings wird am Ende der Sonntagsausstrahlung ein einzelner Beitrag hervorgehoben: In der On the Road betitelten Rubrik wird zum Abschluss der Woche ein heiterer Beitrag aus dem Alltagsleben gezeigt, der keine politische Relevanz hat. Die Anmoderation dieses Beitrags ist mit Musik untermalt.

In FOX News Sunday wird der letzte Beitrag der Sendung durch eine spezielle Eröffnungssequenz eingeleitet. Diese Eröffnungssequenz hebt den Beitrag nicht nur auditiv, sondern auch visuell vom Rest der Sendung ab. So verhält es sich auch mit der Eröffnungssequenz einer ganzen Sendung.

Die Eröffnungssequenz führt dazu, dass der Rezipient die Sendung als Nachrichtenformat identifizieren kann, auch wenn die konkrete Sendung unbekannt ist; sie hebt die Nachrichtensendung vom restlichen Programm ab. Dazu bedienen sich Nachrichtensendungen eines immer ähnlichen Corporate Designs: Die häufig in Blau oder Rot gehaltenen Animationen nutzen Motive wie eine Weltkugel, ein Ziffernblatt oder endlose Linien bzw. Raster. Zusätzlich werden, insbesondere bei Lokalnachrichten, teilweise auch Aufnahmen bekannter Orte oder Wahrzeichen gezeigt (zum Beispiel in den britischen ITV News). Eingebettet in diese Animationen werden häufig kurze Momente aus den Beiträgen der Sendung gezeigt. Dies kann aber auch isoliert vor oder nach den Animationen stattfinden. Der schnelle Schnitt und überraschende Wechsel zwischen formattypischer Animation und Realfilm lässt einen Zuschauer die Eröffnungssequenz auf visueller Ebene dem Format Nachrichtensendung zuordnen.

Auch auf auditiver Ebene gibt es Gemeinsamkeiten der Eröffnungssequenzen. Jede Sendung hat ihr eigenes musikalisches Thema, das in der Eröffnungssequenz erklingt. Trotz der großen Vielfalt an Nachrichtensendungen bedienen sich die Produzenten hierbei stets derselben musikalischen Mittel.[2] So wird beispielsweise das einem Morsezeichen nachempfundene Piepen auf verschiedene Art und Weise in die Musik integriert. Häufig wird es als Countdown (zum Beispiel DR TV Avisen, Dänemark) oder als melodisches Motiv (zum Beispiel RTL Nieuws, Niederlande) verwendet. Es kann aber auch als reine Klangfarbe ohne rhythmische Information auftreten (zum Beispiel LE 19:45, Frankreich). Das Thema wird in den meisten Fällen von Blechbläsern oder ähnlichen klingenden Synthesizern gespielt und hat Fanfarencharakter. Zusätzlich erzeugen Streicherflächen oder Tremoli Spannung. Die Instrumentation ist dem Symphonieorchester nachempfunden. Es werden aber auch synthetische Soundeffekte eingesetzt, die in der Regel mit den Animationen korrelieren, etwa der »Headline«- oder »Bulletin«-Sound, der eine Schlagzeile mit einer Art Tusch untermalt. In anderen Fällen ist die Instrumentation rein synthetisch. Generell verzichtet wird auf Gesang; gesprochener Text, in dem der Titel oder/und das Datum genannt wird, ist dagegen üblich. Diese Merkmale sorgen dafür, dass der Zuschauer auch auf rein auditiver Ebene die Sendung dem Format Nachrichten zuordnen kann. Zugleich etabliert die Eröffnungssequenz ein auditives Corporate Design.

Im Abspann erklingt das Thema in der Regel nochmals identisch oder leicht verändert, meist aber verkürzt. Visuell wird dabei auf den schnellen Schnitt und die Bildmontage aus den Beiträgen verzichtet.

Innerhalb der Beiträge kommt Musik nur intradiegetisch vor, wenn zum Beispiel über ein Konzert oder Ähnliches berichtet wird. Während Graphiken eingeblendet sind, wird auf Hintergrundmusik verzichtet, um die Bilder nicht subtil zu bewerten.[3] Die teils statischen Bilder eines Beitrags werden mit atmosphärischen Geräuschen statt mit Musik untermalt. Dies ist auch eine Konsequenz der Produktionsweise, da Aufnahmen (beispielsweise von Gebäuden) teilweise aus dem Archiv stammen und mit aktuellen Aufnahmen, die eine authentische akustische Atmosphäre haben, vermischt werden.

Musik in Nachrichtensendungen tritt also fast ausschließlich in der Eröffnungssequenz und im Abspann auf. Gründe für den Verzicht auf Musik während der Moderation und in den Beiträgen können die wertende Funktion von Musik oder die drohende Ablenkung von anderen Inhalten sein. Gleichzeitig setzen einzelne Produzenten Musik in der Moderation bewusst ein, um einen Beitrag vom anderen abzuheben. In der Eröffnungssequenz dient die Musik der Lenkung der Aufmerksamkeit, der Etablierung eines Corporate Designs und der Abhebung der Sendung vom umliegenden Programm.

 

Weitere Quellen

NBC Nightly News Intro/Outro: <https://www.youtube.com/watch?v=L8Fv4lmvnFU>

Diverse europäische Eröffnungssequenzen: <www.youtube.com/watch?v=eyCDagFLW3M>

 

Nachweise

[1] In einzelnen Fällen klingt die Musik der Eröffnungssequenz noch während der Begrüßung durch den Moderator aus. Dies bezeichne ich nicht als Hintergrundmusik, da die Dauer zu kurz ist und man hier eher von einer Überschneidung der Musik und der Moderation sprechen kann.

[2] Neben Auftragskompositionen wird vor allem sog. »Library Music« bei der Produktion von Fernsehsendungen verwendet. Diese vorgefertigten Stücke werden ohne Kenntnis der späteren Verwendung komponiert und dann mit Schlagwörtern versehen, nach denen ein Produzent in Libraries wie Extreme Production Music oder Sonoton Production Music suchen kann.

[3] Dies wird vor allem deutlich, wenn man eine Nachrichtensendung mit dem Anspruch hat, möglichst unvoreingenommen zu informieren, mit einem wertenden Politmagazin vergleicht; vgl. Peter Moormann, Subtile Manipulation? Zur Musikgestaltung von Politmagazinen.

 

Literatur

Moormann, Peter: Subtile Manipulation? Zur Musikgestaltung von Politikmagazinen, in: Musik im Fernsehen. Sendeformen und Gestaltungsprinzipien, hrsg. von dems., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S. 83–90.

Lämmle, Kathrin; Wagenknecht, Andreas: Die Melodien der Kultur und die Geräusche der Politik. Zur Stellung und Funktion von Musik und Sound in Eröffnungssequenzen von Fernsehmagazinen, in: Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, <www.filmmusik.uni-kiel.de/kielerbeitraege3/KB3-LaemmleWagenknecht.pdf>, 2009.

 

TV-Musik: »Star Trek«

Alessa Harden

Star Trek – Zukunftsmusik? 

Die Serie Star Trek fasziniert seit über 50 Jahren viele Fans, Hobby-Philosophen und auch MusikwissenschaftlerInnen. Der Erfolg von Star Trek zeigt, dass die Ideen und Konzepte der Produzenten und Showrunner über zukünftige menschliche und nicht-menschliche Lebensweisen auf eine Übereinstimmung beim Publikum zu stoßen schienen und scheinen. Insbesondere umfangreiche Themen wie »Zukunft« lassen keine komplett subjektiven Einschätzungen zu. Die Konzeption des Star-Trek-Universums kann deshalb Schlaglichter auf heutige Vorstellungen von Zukunft werfen.

Aus musikwissenschaftlicher Perspektive ist in erster Linie natürlich der Gegenstand »Musik« von Interesse. Deshalb wird im Folgenden der Frage nachgegangen, was die Serie Star Trek über zukünftige Musik aussagt. Dabei wird sich methodisch aus zwei Perspektiven der Fragestellung genähert. Zunächst werden die musikalischen Intros der sechs Realfilmserien vergleichend analysiert:

  • Star Trek: The Original Series (1966–1969, Komponist der Titelmusik: Alexander Courage)
  • Star Trek: The Next Generation (1987–1994, Komponist der Titelmusik: Jerry Goldsmith)
  • Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999, Komponist der Titelmusik: Dennis McCarthy)
  • Star Trek: Voyager (1995–2001, Komponist der Titelmusik: Jerry Goldsmith)
  • Star Trek: Enterprise (2001–2005, Komponistin der Titelmusik: Diane Warren)
  • Star Trek: Discovery (seit 2017, Komponist der Titelmusik: Jeff Russo)

Als zweiter Anhaltspunkt wird das diegetische Musikverständnis anhand eines konkreten Beispiels und zweier weiterer Beobachtungen untersucht. Dabei kann diese Analyse und Untersuchung nur exemplarisch arbeiten und die »Zukunftsmusik« von Star Trek nicht bis ins Letzte durchdringen.

Intros

Jede Folge jeder Serie wird nach dem Cold Open mit einem Intro eingeleitet, welches zwischen einer und zwei Minuten lang ist. Insgesamt ähneln sich die Intros in ihrem Klangbild und weisen auch weitere Gemeinsamkeiten auf: Die Stücke sind meist für ein symphonisches Orchester komponiert und klingen ›romantisch‹, orchestral. Passend dazu ist auch die Harmonik tonal. Elektroakustische Klänge werden selten genutzt. Auch ist der Formaufbau der Intros ähnlich: Einer langsamen Einleitung, die mit der wohlbekannten Bläserfanfare endet, folgt ein rhythmischer Hauptteil, der lautstark abgeschlossen wird.

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Melodik, Harmonik und Instrumentation rufen klare Assoziationen von Aufbruch und majestätischem Abenteuer hervor. Die Zukunft scheint mit einem positiven Bild verknüpft zu sein und ist musikalisch fast identisch mit der Vergangenheit.

Konkreter können die eben genannten Merkmale an der Komposition von Alexander Courage für die erste Star-Trek-Serie festgemacht werden. Alle späteren Intro-Kompositionen beziehen sich entweder in Anlehnung oder Abgrenzung zu dieser ersten Komposition und rufen mit ähnlichen Mitteln ähnliche Assoziationen hervor.

Courage komponierte den Beginn dieses Intros mit sphärischen, metrumlosen Klangflächen und einem darüber liegenden Motiv aus: Quarte abwärts, kleine Terz aufwärts, kleine Sexte abwärts, welches von Querflöte und einem perkussiven Element unisono gespielt wird. In der Forschung[1] wird dieser Beginn mit dem Anfang von Gustav Mahlers erster Symphonie und der antiken Vorstellung der Sphärenmusik verglichen: Der Klang des Weltraums wird eingefangen und auditiv dargestellt. Bevor nun der rhythmisch bewegtere Abschnitt beginnt, erklingt ein weiteres Motiv in den Blechblasinstrumenten, das klassisch mit Aufbruch und Abenteuer assoziiert wird. Diese sehr bekannte Fanfare wird auch in späteren Serien regelmäßig zitiert.

Bei Betrachtung aller Intros fällt eine Komposition besonders heraus: Das Intro zu Star Trek: Enterprise aus den Jahren 2001 bis 2005. Auffällig ist zunächst einmal, dass das Stück von einer Komponistin, Diane Warren, geschrieben wurde. Danach fällt auf, dass das Intro als Pop-Song (Where My Heart Will Take Me) vollständig mit Text unterlegt ist. Die Instrumentation ist einer Pop-Band ähnlich: akustische Gitarre, E-Gitarre, Schlagzeug, elektronische Effekte und ein Cello-Klang zu Beginn begleiten den Gesang und bilden den Einstieg in die Serie. Es lässt sich aus der stilistischen Neugestaltung sowohl des Musikalischen als auch des Visuellen schließen, dass andere Assoziationen und Empfindungen hervorgerufen werden sollen als in den älteren Serien. Vermutlich sollen sich die ZuschauerInnen stärker mit dem Star-Trek-Universum identifizieren, weil durch den Pop-Song und den visuellen Zusammenschnitt von als wichtig für die Menschheitsgeschichte gedeuteten Ereignissen wie der Mond-Mission die Welt von Star Trek: Enterprise in eine den ZuschauerInnen nahe, authentische Menschheitsgeschichte eingebettet wird. Pathetische Emotionalisierung bestimmt das Intro und somit auch den ersten Eindruck der Serie.

Das diegetische Musikverständnis in Star Trek

Diegetische Musik[2] spielt insbesondere in den jüngeren Star-Trek-Serien keine große Rolle. In den ersten Serien wird jedoch häufiger musiziert und gesungen: Beispielsweise spielt Spock, der vulkanische Erste Offizier der Enterprise in Star Trek: The Original Series, Instrumente, u. a. die Vulkanische Harfe und Klavier. In der zweiten Serie Star Trek: The Next Generation finden regelmäßig Kammermusikkonzerte statt, die im Folgenden exemplarisch erläutert werden.

Es musizieren und singen nicht nur menschliche Crewmitglieder, sondern auch nicht-menschliche Völker werden mit Musik inszeniert und charakterisiert. In der Folge The Way to Eden von Star Trek: The Original Series (S03E20) ist ein unbekanntes Volk zu Gast auf der Enterprise, welches auf der Suche nach dem Planeten »Eden« ist. Dabei ist dieses Volk kulturell mit großen Ähnlichkeiten zur Hippie-Kultur inszeniert und singt einige Male auf der Enterprise. Die Musik orientiert sich dabei an den in den 1960er Jahren populären Tanzmusikstilen.

Auch in den neueren Serien sind immer wieder popkulturelle Referenzen zu finden, so in der neuesten Serie Star Trek: Discovery, in der Folge T=Mudd² (S01E07). Auf dem Raumschiff Discovery wird eine Party gefeiert. Dieses Fest wird mit Musik umrahmt, die unserer heutigen Musik zu solchen Anlässen sehr ähnlich ist: HipHop und alte Songs der Bee Gees (Stayin’ alive) sorgen für eine uns direkt vertraute und nachvollziehbare Stimmung.

Auch zu formellen Anlässen wird Musik gespielt. In der Folge Sarek aus Star Trek: The Next Generation (S03E23) wird zum Empfang eines Botschafters der Vulkanier ein Festakt organisiert. Ein Kammermusikensemble spielt zur Begrüßung den ersten Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett Nr. 19 C-Dur KV 465 und den zweiten Satz aus Johannes Brahms’ Sextett Nr. 1 op. 18 B-Dur. Dabei imitiert der Androide Data, ein Crewmitglied der Enterprise, berühmte Violinisten der Vergangenheit und Zukunft. Der Clou dieser Szene ist, dass der vulkanische Botschafter Sarek zu weinen beginnt, obwohl Vulkanier nach dem gängigen Wissen nur rational denken und handeln. Der Grund des Gefühlsausbruchs wird mit der gespielten Musik in Verbindung gebracht.

Zu betonen ist, dass die dargestellten, zukünftigen Welten mit vielen musikalischen Aspekten zusammengebracht werden, die aus unserer heutigen musikalischen Lebensrealität stammen und dem heutigen Publikum deshalb sehr bekannt und geläufig sind.

* * *

In den Star-Trek-Serien ist der Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens das Thema Zukunft und die Frage, wie man sich die menschliche Entdeckung und Verteidigung des Weltraums in 200 Jahren vorstellen kann. Dabei trifft die Serie einige Aussagen, welche die Zukunftsvorstellungen zur Musik betreffen.

Die Ideen von Star Trek über zukünftige Musik – geschlussfolgert aus den Intros, dem diegetischen Musikverständnis und dem daraus abzuleitenden Verhältnis von Musik und Mensch – sind konventionell und konservativ. Star Trek hätte eine Plattform bieten können, sich auch mit avantgardistischen, neuen Vorstellungen über Musik zu beschäftigen, jedoch ist dieses Potenzial nicht ausgeschöpft worden.

Die Intros orientieren sich an konventioneller Film- und Serienmusik und nehmen keine neuen musikalischen Ideen auf, obwohl auch die konventionellen Ideen, wie beispielsweise die Bläserfanfare, zum Teil sehr spannend sind und sicher zum Erfolg der Serie beigetragen haben. Aus dem dargestellten Musikverständnis ist abzuleiten, dass uns heute bekannte Musik sowohl im formellen (der Diplomatenempfang der Vulkanier) als auch im lockeren Kontext (Party auf der Discovery) aufgegriffen und leicht an die Umgebung angepasst wird, sodass dann doch der Unterschied von »Jetzt« und »Zukunft« deutlich wird.

Klassische Musizierpraxen (beispielsweise das Kammermusikkonzert) und heute berühmte klassische Musik werden auch in der Zukunft zu wichtigen Veranstaltungen eingesetzt. Selbst androide Geschöpfe werden dementsprechend programmiert, dass sie die Fähigkeit des Instrumentenspiels beherrschen. Die »Zukunftsmusik« ist stark von unserem heutigen Musikverständnis geprägt. Folglich werden auch nicht menschliche Völker wie die Vulkanier und das Hippie-Volk mit europäischen Musikpraxen inszeniert: Die Autoren und Komponisten der Serie lösen sich nicht von einem menschenzentrierten und traditionell-europäischen Konzept von Musik.

Wie Jerry Goldsmith, der Komponist von Star Trek: The Next Generation und Star Trek: Voyager, angibt, ist die Musik als Mittel zu verstehen, welches das Publikum an die Serie bindet.[3] Es gab bei den Produzenten und Showrunnern der Serien die Befürchtung, dass die dargestellte Lebensrealität der Zukunft abschreckend auf das Publikum wirken könnte. Durch bekannte musikalische Zeichen werden die ZuschauerInnen jedoch abgeholt und können sich emotional zuhause fühlen.

 

Nachweise

[1] Markus Heuger, Christoph Reuter, Zukunftsmusik?, S. 6.

[2] »Als ›diegetic sound‹ wird die diejenige Form des Filmtons bezeichnet, die zur filmischen Erzählung unmittelbar gehört: ›If the source of a sound is a character or object in the story space of the film, we call the sound diegetic […]‹ (Bordwell / Thompson, Fundamental Aesthetics of Sound in the Cinema, S. 191)«: Panja Mücke, Diegetic Music, S. 123.

[3] Vgl. Markus Heuger, Christoph Reuter, Zukunftsmusik?, S. 5.

 

Quellen und Literatur

Heuger, Markus; Reuter, Christoph: Zukunftsmusik? Science Fiction-Soundtracks und die Vorstellungen vom zukünftigen Musikleben: Das Beispiel Star Trek, in: Musik im virtuellen Raum, hrsg. von Bernd Enders und Joachim Stange-Elbe, Osnabrück: Rasch 2000 (Musik und Neue Technologie 3), S. 207–225.

Mücke, Panja: Diegetic Music, in: Lexikon der Filmmusik. Personen – Sachbegriffe zu Theorie und Praxis – Genres, hrsg. von Manuel Gervink und Matthias Bückle, Laaber: Laaber 2012, S. 123f.

suatrilha: Star Trek – A Tribute to Jerry Goldsmith (1929–2004) 1/2, 14. Februar 2009, <www.youtube.com/watch?v=qbXeIPbcHQc> (Abruf am 6. Januar 2017).

suatrilha: Alexander Courage Part 2 of 2, 17. Februar 2009, <www.youtube.com/watch?v=Ad8-bJhl7Do&list=PLD67D9C84D8955B12> (Abruf am 6. Januar 2017).