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Daniel Ernst: Fantasie oder Sonate?

Daniel Ernst

Fantasie oder Sonate?

Analytische Betrachtungen zu
Felix Mendelssohn Bartholdys Fantasie op. 28

 

Einleitung

Eine gewisse ›Krise der Klaviersonate‹ im 19. Jahrhundert äußert sich unter anderem in der geringen Zahl der Gattungsbeiträge beispielsweise bei den Komponisten im Umkreis von Robert Schumann. Schumann selbst wandte sich nach drei Beiträgen (opp. 11, 14 und 22) von der Gattung ab, Johannes Brahms stellte die Sonatenproduktion ebenfalls nach drei Versuchen ein (opp. 1, 2 und 5), und auch Felix Mendelssohn Bartholdy beließ es bei seinen drei Jugendwerken (opp. 6, 105 und 106[1]). Jedoch stellt Mendelssohns Fantasie op. 28 eine weitere Auseinandersetzung mit der Sonate dar, die den Frühwerken folgte.[2]

In der vorliegenden Studie stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: Gibt es in Mendelssohns op. 28 ein zyklisches Prinzip, das die attacca ineinander übergehenden Sätze[3] durch motivische Verknüpfung verbindet? Inwieweit ist unter Einbezug der motivischen Analyse sowie einem Vergleich von erstem und drittem Satz eine Sonatensatzform im Kopfsatz festzustellen? Dabei liegt der Fokus auf dem ersten Satz, da dort die Sonatensatzform eine besondere Rolle spielt. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, was Mendelssohn zur Änderung des Titels von »Sonate écossaise« zu »Phantasie« bewogen haben könnte.[4] Außerdem stellt sich die Frage, inwieweit Mendelssohns kleiner dimensionierte Klavierwerke, speziell die Lieder ohne Worte, in die Fantasie hineingewirkt haben.

Um die Orientierung zu erleichtern, nehme ich eine dreisätzige Anlage an, deren Kopfsatz von T. 1 bis T. 135 (Con moto agitato ‒ Andante) reicht. Der zweite Satz (Allegro con moto) umfasst die Takte 136 mit Auftakt bis 231, der dritte (Presto) die Takte 232 mit Auftakt bis 468. Außerdem bedeutet die Schreibweise von beispielsweise »T. 35/2«: T. 35, Schlag 2; Taktzahlen in Klammern zeigen einen unvollständigen Takt an. Kleine Noten in den Notenbeispielen kennzeichnen strukturell weniger wichtige Töne, beispielsweise eine Dreiklangsbrechung auf leichter Zählzeit, einen Durchgang, Vorhalt und dergleichen. Auch wenn die Notenausgabe[5] den Titel »Phantasie« nennt, wird im Folgenden die Schreibweise Fantasie verwendet.

Forschungsstand

Mendelssohns Fantasie op. 28 spielte in der Literatur unter einem analytischen Gesichtspunkt bislang kaum eine Rolle. Sie steht im Schatten der 1839 veröffentlichten Fantasie op. 17 von Robert Schumann sowie anderer, größer angelegter Stücke gleichen Titels. Entsprechend dürftig nimmt sich die Zahl der Veröffentlichungen dazu aus, obwohl sie innerhalb von Publikationen zu Klavierfantasien durchaus Erwähnung findet. So führt Arnfried Edler sie im letzten Teil seines Überblickswerks Gattungen der Musik für Tasteninstrumente an, nicht ohne zu erwähnen, dass sie »eher am Rand von Mendelssohns Œuvre«[6] stehe. Dagmar Teepe erwähnt sie im Artikel Fantasie in MGG2S,[7] und Dietrich Kämper bespricht sie im Lichte von Mendelssohns Sonatenschaffen.[8] Dennoch kann von einer umfangreichen und detaillierten Darstellung keine Rede sein. Und wie sehr Mendelssohns Fantasie oft vernachlässigt wird, zeigt die Dissertation von Gudrun Fydrich,[9] die sich mit der Fantasiekomposition im 19. Jahrhundert beschäftigt: Hier werden ausschließlich Werke von Beethoven, Schubert, Schumann, Chopin und Liszt berücksichtigt. So stellt Ullrich Scheidelers im Druck befindlicher Aufsatz[10] zur Fantasie op. 28 die bislang intensivste Auseinandersetzung mit diesem Werk dar.

Klaviersonate, Klavierfantasie und
Lied ohne Worte um 1830

Eine Annäherung von Sonate und Freier Fantasie fand bereits im 18. Jahrhundert statt,[11] namentlich bei Carl Philipp Emanuel Bach, der über die Freie Fantasie schrieb:

Eine Fantasie nennet man frey, wenn sie keine abgemessene Tacteintheilung enthält, und in mehrere Tonarten ausweichet, als bey andern Stücken zu geschehen pfleget, welche nach einer Tacteintheilung gesetzet sind, oder aus dem Stegreif erfunden werden.[12]

Bei Mozart findet sich die Verbindung seiner Sonate in c-Moll KV 457 mit der Fantasie in c-Moll KV 475, die andeutet, was sich weiterhin fortsetzen sollte:

Das Werk aktualisiert rückblickend die Freie Fantasie mit allen ihren Errungenschaften für die Musiksprache und für das musikalische Denken des 18. Jahrhunderts, und es deutet zugleich eine zentrale Richtung an, welche die Fantasie im 19. Jahrhundert einschlagen und die sie mit der Sonate zusammenführen wird.[13]

In der Folge wurden im ›mitteldeutschen‹ Raum wie auch in Österreich Fantasien und Capricci[14] komponiert, »in denen einzelne Abschnitte als Sonatenexpositionen, ganze Sonatenhauptsätze, Rondi, Menuette, ariose Mittelsätze, verbunden durch figurative und arpeggiert-modulierende Partien, gestaltet waren«.[15] In Werken nach 1800 erscheinen die gegenseitigen Einflüsse von Sonate und Fantasie je verschieden gewichtet: In Beethovens op. 27,1 und 2 dringen, folgt man dem Titel Sonata quasi una fantasia,[16] in die Sonate fantasieartige Elemente ein, während Schuberts sogenannte Wanderer-Fantasie in C-Dur (D 760) von 1822 Sonatenelemente aufweist, indem vier klar abgrenzbare Sätze feststellbar sind, die durch das Anfangsmotiv eine zyklische Verbindung aufweisen.[17]

Ferdinand Gotthelf Hand äußerte sich in seiner Aesthetik der Tonkunst[18] sowohl zur Fantasie als auch zur Sonate. Zum Kopfsatz einer Sonate führte er bezüglich der »Gemüthsstimmung« aus:

Das erste Allegro macht die Grundlage des Ganzen aus. Sein Inhalt läßt keine theoretische Voraussetzung zu; er selbst ist Product origineller Erfindung.[19]

Ist der ästhetische Gehalt des ersten Satzes demnach der Intuition des Komponisten überlassen, so folgt Hand in der formalen Gestaltung dem Prinzip der Dreiteiligkeit, das wohl Heinrich Birnbach mit seiner Aufsatzserie in der Berliner AmZ konstituierte, nachdem bereits im 18. Jahrhundert beispielsweise Johann Friedrich Anton Fleischmann[20] eine dreiteilige Satzanlage entworfen hatte.[21] Im ersten Teil ist der Ablauf von Erstem Thema, Modulation, Zweitem Thema und Koda[22] vorgesehen, wobei das Zweite Thema in Dursonaten auf der Dominante stehe und ihm eine »Passage« folgen könne. In Moll-Stücken sei innerhalb der Exposition die Modulation in die parallele Durtonart üblich.[23]

Zur Fantasie äußerte sich Hand ebenso sowohl zu ästhetischen Belangen, die unter anderem die »unmittelbarste Darstellung eines individuellen Seelenlebens« im »Scheine der Zufälligkeit«[24] fordern, als auch zu formalen Gesichtspunkten, für die er als gängige Gestaltung alternierende Allegro- und Adagio-Passagen sah.[25] In der Nähe der Fantasie zur Sonate macht Hand einen Widerspruch aus, da das Ungeplante und Skizzenhafte der Fantasie dem planvollen Ablauf einer Sonate entgegenstehe, und wirft solchen Fantasie-Kompositionen vor, sie seien »oft nur eine freiere Behandlung der Sonate«.[26]

Ein Grund für die zunehmende Dominanz der Fantasie liegt möglicherweise im sukzessiv abnehmenden Interesse an der Gattung Klaviersonate ab 1810, das sich bis 1830 noch verstärkte.[27] So konstatierte Robert Schumann:

Einzelne schöne Erscheinungen dieser Gattung [der Sonate für Klavier] werden sicherlich hier und da zum Vorschein kommen und sind es schon; im Übrigen aber, scheint es, hat die Form ihren Lebenskreis durchlaufen, und dies ist ja in der Ordnung der Dinge, und wir sollten nicht jahrhundertelang dasselbe wiederholen und auch auf Neues bedacht sein. Also schreibe man Sonaten oder Phantasien (was liegt am Namen!), nur vergesse man dabei die Musik nicht, und das andere erfleht von eurem guten Genius.[28]

Einerseits wird hier der Unterschied zwischen Sonate und Fantasie gleichsam aufgehoben, andererseits deutet sich an, wie paralysiert die Sonatenproduktion dem beethovenschen Erbe gegenüber stand. So überrascht es nicht, dass Schumann an den Sonaten der Zeit kurz vor 1840 kritisierte, sie seien »nur als eine Art Specimina, als Formstudien zu betrachten; aus innerem starken Drang werden sie schwerlich geboren.«[29] An anderer Stelle ergänzte er:

Und hätte denn Beethoven umsonst gelebt? Wer lesen kann, der hält sich nicht mehr bei dem Buchstabiren auf; wer Shakespeare versteht, ist über den Robinson hinüber; kurz der Sonatenstyl von 1790 ist nicht mehr der von 1840: Die Ansprüche an Form und Inhalt sind überall gestiegen.[30]

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann das Lyrische Klavierstück[31] an Bedeutung und trat in der Folge in Konkurrenz zur in die Krise geratenen Klaviersonate.[32] In Mendelssohns Klavierschaffen spielen insbesondere die Lieder ohne Worte eine große Rolle. Im August 1832 erschien als Opus 19b ein erster Band unter dem Titel Original Melodies for the Pianoforte bei Novello in London, für die Mendelssohn vom deutschen Verleger Simrock den Titel Sechs Lieder ohne Worte für Pianoforte allein[33] wünschte. Schon bald fand diese Art von Klavierminiaturen zahlreiche Nachahmer.[34] Die später im Zusammenhang mit der Fantasie thematisierten opp. 19,4, 30,3 und 38,4 spielen in ihren akkordischen Sätzen laut Christa Jost auf einen Chorsatz an, zudem handelt es sich bei op. 19,4 um das erste Lied ohne Worte überhaupt.[35] Diese drei Stücke weisen einen Rahmen aus Arpeggien in ‒ im Vergleich zum choralhaften Satz ‒ kleineren Notenwerten auf, und ihnen allen ist »Symmetrie und Geschlossenheit der Melodik, akkordisch-homophoner Satz und Klarheit im Aufbau«[36] gemein. Die Liedsätze tragen die Tempobezeichnungen Moderato, Adagio non troppo und Andante. In der Fantasie ist der denkbar schlicht gehaltene ›Chorsatz‹ im Andante dagegen von den Akkordbrechungen durch das bewegtere Con moto agitato abgesetzt. Die Eröffnungsgeste der Lieder ohne Worte bringt Jost mit einer Musizierpraxis im 19. Jahrhundert in Verbindung, »beim Konzertvortrag einzelne Klavierstücke […] improvisierend einzuleiten und durch freie Zwischenspiele möglichst ungezwungen miteinander zu verbinden«.[37] Die Arpeggien, mit denen die Fantasie op. 28 beginnt und schließt, resultieren womöglich aus derselben improvisatorischen Tradition und nehmen zugleich ein Charakteristikum der Fantasie auf.

Entstehung und Einordnung

Bereits in den Jahren 1829 und 1830 begegnet in Mendelssohns Korrespondenz der Ausdruck »Schottische Sonate«[38]. Ob es dabei schon um die erstmals 1834 bei Simrock und Mori & Lavenu gedruckte Fantasie op. 28 geht, muss allerdings offen bleiben. Jedenfalls trägt das mit »Berlin d. 29. Januar | 1833« datierte Autograph die Überschrift »Sonate écossaise«[39] und weist somit gleichfalls einen verbalen Bezug zu Schottland auf. Von Mai 1830 bis Juni 1832 befand sich Mendelssohn auf einer Bildungsreise, auf der er unter anderem London besuchte; 1833 kehrte er noch zweimal auf die Insel zurück.[40] Schon zuvor hatte sich Mendelssohn mit der Gattung Klaviersonate beschäftigt, entsprechende Jugendwerke entstanden zwischen 1821 und 1827.[41] Spätestens die Fantasie setzte den endgültigen Schlusspunkt unter seine Auseinandersetzung mit dieser Gattung.

Für die Stichvorlage änderte Mendelssohn den Titel von »Sonate« zu »Phantasie« und versah dieses undatierte Autograph zusätzlich mit einer Widmung an Ignaz Moscheles.[42] Was Mendelssohn zur Änderung des Titels bewog, ist schwer nachzuvollziehen, jedoch finden sich Hinweise, dass er mit dem Titel zum Jahresende 1833 noch unsicher war: »Die fismoll Sonate oder Phantasie ist nun in Ordnung gebracht, und erscheint hier bei Simrock«.[43] Möglicherweise fiel auch die Revision und damit die Titeländerung in den Dezember 1833.[44] Gegenüber Simrock äußerte er sich am 7. Dezember 1833, indem er »eine größere Phantasie für Pianoforte allein«[45] zum Druck anbot. Am 11. Mai 1834 nannte Mendelssohns Schwester Fanny jedoch nochmals die andere Gattungsbezeichnung: »Deine Sonate aus Fis gefällt mir sehr, u. ich spiele sie fleißig, denn sie ist à la Felix sehr schwer.«[46]

Analyse

Der Kopfsatz von Mendelssohns Opus 28 scheint zunächst sehr disparate Teile zu vereinigen; seine Form wirkt ungewöhnlich. Für die folgende Analyse spielen zunächst die motivischen Bausteine aller Sätze eine Rolle, um sie anschließend in der Betrachtung der formalen Gestaltung des ersten Satzes zu integrieren.

Motivik

Während Ullrich Scheideler keine gemeinsamen Motive oder Themen in den einzelnen Sätzen sieht,[47] verhält sich dies für Dagmar Teepe anders: »Mendelssohn Bartholdys Fantasie in fis-Moll op. 28 […] stellt einen Einzelsatz mit lockerer Folge unterschiedlicher Teile dar, die durch motivische Bezüge zusammengehalten werden.«[48] Ähnlich sieht es Dietrich Kämper:

Es besteht Grund zu der Annahme, dass der Verzicht auf den Namen »Sonate« zugunsten der Bezeichnung »Phantasie« mehr bedeutet als eine bloße Zurücknahme des gattungsmäßigen Anspruchs. Auch hier, wie schon in Schuberts Wandererfantasie, verbindet sich der Terminus »Fantasie« offenbar mit Experimenten der Monothematik und der zyklischen Satzverbindung.[49]

Dagegen erwähnt Arnfried Edler motivische Beziehungen zwischen den Außensätzen: »Das in lockerer Sonatenhauptsatzform gehaltene Presto-Finale verweist mit versteckten motivischen Anspielungen auf den Kopfsatz zurück.«[50] Bleibt bei Kämper offen, ob sich die erwähnte Monothematik ausschließlich auf den ersten Satz oder auf das gesamte Werk bezieht und welches Motiv bzw. welches Thema beherrschend ist, so drücken sich auch die anderen Autoren kaum spezifischer aus. Dennoch ist der Widerspruch offensichtlich, entsprechend scheint eine genauere Analyse angemessen. Sie nimmt relevante Motive des ersten Satzes sowie Ableitungen in den Fokus und zeigt, wie engmaschig das motivische Netz geknüpft ist. Dabei müssen harmonische Aspekte zunächst zurücktreten.

Erster Satz

Der erste Satz wird durch athematisches Material in Form von Akkordbrechungen in Zweiunddreißigstel-Noten über einem Orgelpunkt eröffnet (T. 1‒8, Abb. 1a). Harmonisch ergibt sich die Folge T – DD – D – T, wobei es sich bei DD und D jeweils um Septnonenakkorde ohne Grundton handelt (Abb. 1b). Diese ›rauschende‹ Gestaltung der rechten Hand erscheint an verschiedenen Positionen des ersten Satzes; ihre formale Funktion wird im folgenden Kapitel genauer untersucht. Neben dem improvisatorischen Charakter lässt sich das Taktmaß und das Metrum in den ersten acht Takten hörend kaum deutlich bestimmen.

1) Rauschend NB 1
Abb. 1: a) Mendelssohn, Fantasie op. 28, T. 1–4, Ausschnitte rechte Hand
b) Schematische Darstellung der Harmonik T. 1–9

Abbildung 2 zeigt weiteres motivisches Material des ersten Satzes. In 1a–c sind die Motive in ihrer vordergründigen Erscheinung gezeigt, während 2a–c die jeweils zugrunde liegende intervallische Struktur ersichtlich macht. Den acht Eröffnungstakten folgt eine regelmäßig gebaute sechzehntaktige Periode, die in Phrase und Gegenphrase zwei unterschiedliche melodische Bausteine ausprägt (Abb. 2, 1a, T. 9 bzw. 1b, T. 11).

Die Dreiklangsmotivik am Beginn der Periode (T. 9–24) könnte als Ableitung der eröffnenden Akkordbrechung interpretiert werden. Allerdings erscheint das Satzbild zu different, und wie erwähnt ist die Akkordbrechung im Gegensatz zur Motivik des Anfangs der Periode athematisch. Die Periode bildet die Grundlage für Derivate. Für den ersten Satz sind auch die beiden Takte der Gegenphrase (T. 11f.) prägend, die in Abb. 2, 1b und 2b dargestellt sind. Eine Diminution von T. 11f. erscheint erstmals in T. 43f. – nun in A-Dur statt fis-Moll – und ist Ausgangspunkt für die Abspaltung der mittleren beiden Sechzehntel in T. 50f. Auf abstrakterer Ebene besteht dieses Motiv der Periode aus einem Sekundschritt nach unten (obere Klammer), der vordergründig im Terzrahmen (untere Klammer) umspielt wird. Bemerkenswert ist der Vorhalt, der auch in anderen Bildungen eine Rolle spielen wird. Die Figur in T. 25f. und die entsprechenden folgenden Takte bis einschließlich T. 33 unterscheiden sich zwar in der Intervallstruktur (siehe Abb. 2, 2b) von den restlichen Bildungen von 1b, bei denen der Terzrahmen wesentlich ist. Jedoch bleiben sowohl der nach unten bogenförmige Melodieverlauf sowie der untere Vorhalt im zweiten Takt erhalten.

2) Motivik 1. Satz.jpg
Abb. 2: 1) Wesentliche Motive des ersten Satzes
2) Strukturelle Analyse (a–c ist jeweils zusammengehörig zu betrachten)
* = Vorhalt

Unter Abb. 2, 1c bzw. 2c fällt die Erscheinung ab T. 35/2, die ein Tetrachord abwärts zeigt, das durch angesprungene Vorhalte verziert ist und anschließend durch ein aufwärts gerichtetes Tetrachord rückwärts abgeschritten wird. Wie die Klammern zeigen, ist die abwärts gerichtete Bildung entfernt mit 2b verwandt, da auch sie sich aus Terzsprüngen und Sekundschritten zusammensetzt. Insgesamt steht zwar dem fallenden Tetrachord ein steigendes gegenüber, jedoch ist das gis von T. 37/1 durch veränderte Dynamik (plötzliches Piano in T. 37 nach vorhergehendem Crescendo) sowie die abgeänderte Intervallstruktur der ersten Takthälfte von T. 37 (Quart- statt Terzsprung) von der vorhergehenden melodischen Sequenz verschieden. Zudem setzt sich dieses letzte Glied von der vorhergehenden harmonischen Quintfallsequenz[51] ab, da diese dort keine Fortsetzung findet. Auch in der steigenden Tonleiter und der damit gekoppelten Aufwärtssequenz (steigender Parallelismus[52]) weicht das letzte Glied von der harmonischen Sequenz ab: Das cis“ in T. 39 ist mit einem zwischendominantischen Septakkord harmonisiert, der in die Subdominantregion (D-Dur) der lokalen Tonika A-Dur weist. Zwar erscheint anschließend ein d“, das den Tonleiterausschnitt fortsetzt, das aber durch das fis“ in die Mittelstimme verlagert und außerdem nicht mehr unter den Phrasierungsbogen gefasst ist. Dieser durch fis“ zustande kommende Wechsel in ein höheres Register ist womöglich durch das Wiederaufnehmen des zuvor in T. 29 erreichten und durch Oktavgriffe verstärkten fis“ sowie durch den Spitzenton des Abschnitts, d“‘, motiviert, der in den Takten 34 und 35 nochmals erscheint und damit der dargestellten Abwärtssequenz ab T. 35/2 vorausgeht. Diese Sequenz schließt sich dem über die Basslinie (T. 32f.) d–dis–e–fis–gis und auf a erreichten A-Dur unmittelbar an. Insofern mangelt es den Takten 35ff. an tonartlicher bzw. harmonischer Stabilität und thematischer Prägnanz, die hier ein eindeutiges Zweites Thema annehmen ließen. Auch die folgenden Takte (T. 37‒43) sind durch eine trugschlüssige Wendung in T. 41 harmonisch instabil, jedoch durch die melodische Linie ab T. 39/2, welcher der genannte Parallelismus aufwärts vorausgeht und mit ihr durch die Zwischendominante verbunden ist, thematisch eindeutiger gefasst. Melodisch bestehen die Bildungen der beschriebenen Stelle von T. 35/2ff. aus Tonleiterausschnitten, die an ihren Rändern die Verbindung zu ihrer Umgebung herstellen.

Zweiter Satz

Die folgenden beiden Sätze werden auf die bereits dargestellten Motive im ersten Satz untersucht. Der zweite Satz beginnt syntaktisch in der Art eines Satzes, der sich allerdings dergestalt fortsetzt, dass er lediglich sieben Takte umfasst.

3) Motivik 2. Satz
Abb. 3: 2. Satz: 1a, 2a und 3a jeweils Melodik
1b, 2b und 3b jeweils strukturelle Analyse
* = Vorhalt

Bereits in diesem Notenbeispiel werden die Bezüge zur Motivik des ersten Satzes offensichtlich. Sogar die Abfolge der Motive der ersten sieben Takte ist der Periode des ersten Satzes ähnlich. Auf die Dreiklangsmotivik, die in den Halbe-Auftakten von T. 135 und 137 auftritt, folgt eine Kombination aus Terzsprung und Sekundschritt. In T. 140 erscheint eine ähnliche Situation wie im ersten Satz: Auch hier ist ein Tonleiterausschnitt wie von Abb. 2, 1c bzw. 2c erkennbar, wobei – artikulatorisch verdeutlicht – das e‘ noch dem unmittelbar vorhergehenden a‘ zuzuordnen ist, während die akkordisch gehaltene Fortsetzung ein Tetrachord bis zum h‘ weiterführt. Die Kadenzformulierung von T. 141/2f. (Alla breve) besteht wiederum aus einer Terz-Sekund-Struktur. Die Vorhaltsmotivik setzt sich in den Takten 143 bis 146 mit Auftakt kontrapunktisch fort. Und schließlich findet sich in T. 149/2‒152/1 in der Oberstimme eine in Terzen abwärts geführte Tonleiter, die insgesamt einen Tritonusrahmen (a‘ bis dis‘), also einen nun abwärts gerichteten Tonleiterausschnitt, ergibt.

Ab T. 153/2 (Abb. 3, 2a und 2b) geht die Satzstruktur in eine von Viertelnoten dominierte Melodik über, welche durchlaufende Achtelnoten begleiten. Auch hier wird, wie in Abb. 2, 1b bzw. 2b, die Struktur von Terz und Sekunde offenbar. Zusätzlich zeigt der obere Vorhalt den Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Formteil. Eine erwähnenswerte Abwandlung bildet die Fortspinnung ab T. 169/2. Auch sie lässt sich auf die Dreiklangsstruktur beziehen, die in Abb. 2, 1a bzw. 2a gezeigt wurde.[53]

Dritter Satz

Der dritte Satz verweist noch eindeutiger auf den ersten zurück. Schon der Beginn (T. 231) nimmt die Dreiklangsbrechung der ersten beiden Takte der Periode im Kopfsatz auf und leitet davon die Formulierung von T. 241 mit Auftakt (T. 240) ab, die ebenso Ähnlichkeit zu Abb. 3, 3a bzw. 3b aufweist. In T. 293 erscheint hiervon eine Umkehrung.

4) Motivik 3. Satz
Abb. 4: 1) Wesentliche Motive des dritten Satzes
2) Strukturelle Analyse (a–c ist jeweils zusammengehörig zu betrachten)
* = Vorhalt

Ab T. 248 sind die Läufe von T. 232f. mit Auftakt der rechten Hand in abgewandelter Form in die linke Hand verlagert und werden vom Motiv in Abb. 4, 1b (T. 248) kontrapunktiert. Auffälligstes Merkmal ist hier der obere Vorhalt, der schon im zweiten Satz wesentlich war, während im ersten Satz der untere Vorhalt eine wichtige Rolle spielte. Die sich anschließende Gestaltung (T. 257) verläuft schrittweise abwärts, wobei die im Terzabstand auf schwerer Zählzeit befindlichen Töne mittels Durchgängen erreicht werden. Die Mittelstimme nimmt dabei die Töne auf, die im ersten Satz T. 25f. eine Oktave tiefer erscheinen.[54]

Schließlich tritt ab T. 270/3 eine kantable Melodie mit einem charakteristischen oberen Vorhalt auf, wie dies bereits im zweiten (Abb. 3, 2a und 2b) und in Ansätzen auch im ersten Satz (Abb. 2, 1c bzw. 2c) der Fall war. Bezüglich der weiteren Ableitungen, speziell in der Durchführung (T. 304b–362), sei noch darauf verwiesen, dass hier neben Sechzehntel-Läufen (vgl. T. 231/5ff.) eine Variation des Motivs aus T. 293 prägend ist.

Die dargestellten Motive leiten sich von gebrochenen Dreiklängen bzw. von Kombinationen aus Terzsprung und Sekundschritt ab. Hinzu kommen längere Tonleiterausschnitte sowie Vorhalte, die sich besonders auf den letzten Ton eines Motivs konzentrieren. Die motivischen Bausteine lassen sich in allen Sätzen der Fantasie nachweisen und offenbaren deren dichte Arbeit.

Form

Bezüge zur Sonatensatzform

Inwiefern der erste Satz von Mendelssohns Fantasie op. 28 einer Sonatensatzform nach dem Schema Erstes Thema – Modulation [Überleitung] – Zweites Thema – Koda [Schlussgruppe][55] in der Exposition entspricht und damit den ursprünglichen Titel von »Sonate écossaise« stützt, wird im Folgenden untersucht. Fraglich ist vor allem, wo die Durchführung beginnt, ob ein Zweites Thema angenommen werden kann und wie die Anlage der Reprise zu erklären ist. Während sich der dritte Satz in der Bestimmung seiner Form weit unproblematischer als Sonatensatzform ausnimmt und die Teile Exposition (mit der genannten typischen Untergliederung), Durchführung und Reprise dort klar bestimmbar sind, weist der erste Satz Elemente auf, deren Einordnung in die Schematik Schwierigkeiten bereitet.[56]

Ullrich Scheideler interpretiert den Kopfsatz der Fantasie als A – B – A‘ – B‘ – A“, wobei es sich bei den A-Teilen um die ›rauschenden‹, mit der Tempovorschrift Con moto agitato versehenen Akkordbrechungen in Zweiunddreißigstel-Noten handelt. Der B-Teil (Andante) umfasst die Takte 9 bis 51, denn in T. 52 kehrt eine abgewandelte Form des Con moto agitato als A‘ wieder, deren Zweiunddreißigstel sich bis zum Wiedererscheinen der Periode (B‘) in T. 84 (ab T. 85 Tempovorschrift Andante) erstrecken. Der Bogen zum Beginn wird mit dem Teil A“ (ab T. 115) gespannt, der die Arpeggien vom Anfang aufnimmt und wiederum Con moto agitato gespielt werden soll.[57] Die Gliederung scheint hier vorrangig an Tempoaspekten orientiert zu sein. Diese Bogenform wird gleichzeitig durch eine Sonatensatzform überlagert, deren Teile Scheideler wie folgt bestimmt: Exposition (T. 1–43), Durchführung (T. 43–84) sowie Reprise (ab T. 84).[58]

Dieser Erklärung sei eine in Teilen abweichende Interpretation entgegengestellt. Der Frage nach der Rolle der anfänglichen Zweiunddreißigstel-Arpeggien lässt sich über die Betrachtung der Lieder ohne Worte nachgehen. Zwar ist die Annahme einer konkreten Auswirkung der Lieder ohne Worte auf die Fantasie und auch umgekehrt spekulativ,[59] doch erscheinen in op. 19,4, op. 30,3 und op. 38,4 Akkordbrechungen in kleinen Notenwerten, die das sonst homophone und choralartige musikalische Geschehen rahmen.[60] Diese Kombination von Arpeggien und ›Choralsatz‹ findet sich in der Fantasie in T. 1–24; der ›Choralsatz‹ löst sich danach sukzessive auf. Die Parallelen der genannten Lieder ohne Worte zur Fantasie gehen aber noch weiter: Opus 19,4 weist ab T. 13 einen gleichmäßigen Achtelpuls in der linken Hand auf, wie er in der Fantasie ab T. 25 zu finden ist, und Opus 30,3 zeigt eine melodische wie auch rhythmische Ähnlichkeit ab T. 3/3 zu T. 9f. der Fantasie. Die von Scheideler in der Fantasie mit A und A“ bezeichneten, eröffnenden bzw. schließenden Abschnitte liegen eigentlich außerhalb des dazwischenliegenden Teils, jedoch erscheinen die Zweiungddreißigstel-Arpeggien auch innerhalb der umrahmten Form. Sie treten in T. 34f. auf, wo, wie zu zeigen sein wird, Platz für ein Zweites Thema wäre, und prägen außerdem den musikalischen Ablauf der Takte 52 bis 59. Dennoch unterscheiden sich diese beiden Einschübe von den rahmenden Arpeggien: In T. 34f. ist die Dominante zur parallelen Durtonart (E-Dur –> A-Dur) durch die Figuration und zusätzlich durch das plötzliche Pianissimo herausgehoben. Die Takte 52 bis 59 erstrecken sich nicht über einen Orgelpunkt wie T. 1‒8 bzw. T. 115ff., sondern über ein absteigendes Tonleitersegment (ohne e), das von a und einer Wandlung von A-Dur zu a-Moll in T. 51 ausgeht. Der Ton fis in T. 52 ist zwischendominantisch zum Sextakkord von H-Dur in T. 54 harmonisiert, ebenso wie die Harmonik über gis zwischendominantisch auf den folgenden Sextakkord von cis-Moll bezogen ist.

5) Durchführung Motivik
Abb. 5: 1) Ausschnitte aus dem Durchführungsteil
(erster Satz, im Original alle Noten groß gedruckt)
2) Schematische Darstellung
* = Vorhalt

Dass der Durchführungsteil seine Oberflächengestaltung von der einleitenden und entsprechend von den direkt vorausgehenden Akkordbrechungen in Zweiungddreißigsteln erhält, ist offensichtlich. Allerdings zeigen sich auch motivische Bezüge der Takte 60ff. (Abb. 5, 1a bzw. 2a) zu Abb. 4, 1c bzw. 2c im Schluss- sowie Abb. 3, 2a bzw. 2b im Mittelsatz. Diese wären im Kopfsatz wegen des oberen Vorhalts vermutlich von Abb. 2, 1c bzw. 2c abzuleiten. Eindeutiger zuzuordnen sind die Takte 71f. (Abb. 5, 1b bzw. 2b), deren Vorhaltsbildung auf T. 11 (Abb. 2, 1b bzw. 2b) verweist. Die Arpeggien erfüllen weniger eine thematische Funktion, sondern dienen vielmehr als Folie, vor der die motivisch-thematische Arbeit stattfindet. Auf dem Höhepunkt der Durchführung (T. 73) erscheinen kurz nach der Hälfte des ersten Satzes die Akkordbrechungen nochmals an sehr exponierter Stelle. Dort findet die steigende, größtenteils chromatische Basslinie, die zusammen mit der figurativ immer wieder veränderten rechten Hand den Wechsel des Basstons der Takte 60‒72 sukzessive beschleunigt (Abb. 6), ihren Zielpunkt im dis. Gleichzeitig setzt in T. 73 mit dem oktavierten Gis eine steigende Basslinie ein, die zunächst zum cis in T. 81 führt und in T. 82 bei fis ansetzt. Sie führt wiederum chromatisch steigend in die Wiederaufnahme der Periode in der rechten Hand und damit in die Reprise, während in der linken Hand die Basslinie noch fortgeführt wird. Quasi im Schnelldurchgang sind in den Takten 73 bis 83 wesentliche Bestandteile des ersten Satzes rekapituliert: Die Arpeggien (T. 73‒76), die Phrase der Periode (T. 77‒80, vgl. Abb. 2, 1a, T. 9) sowie ein Ausschnitt der Gegenphrase der Periode (T. 81f., vgl. Abb. 2, 1b, T. 50).

6) Basslinie Durchführung
Abb. 6: Schema der Durchführung des ersten Satzes
(Bässe jeweils mit unterer Oktav,
ohne Rücksicht auf den realen Oberstimmenverlauf)

Die Durchführung setze ich von T. 52 bis T. 84 an, wobei die Ränder jeweils mit Exposition und Reprise überlappen. Die Takte 52 bis 59 dienen, wie schon am Beginn, als Eröffnungssignal, jedoch nun als Vorbereitung der Durchführung. Der Grund dieser Annahme liegt in der Vermeidung kadenzieller Einschnitte und stabiler, grundstelliger Akkorde, die selbst im Eintritt der Reprise mittels eines Sextakkords in T. 85 umgangen werden.

Um eine vergleichende Perspektive zu eröffnen, kann der dritte Satz der Fantasie als Bezugspunkt dienen.[61] Der dritte Satz ist dabei, wie oben dargestellt, weit eindeutiger als Sonatensatzform einzuordnen als der erste Satz; er veranschaulicht, wie Mendelssohn verschiedene Elemente innerhalb der Sonatensatzform behandelt. Wie die Aufstellung der Motive zeigt, weisen sowohl die Periode des ersten Satzes in T. 9f. als auch der Beginn des dritten Satzes eine Dreiklangsmotivik auf.[62] Während im Kopfsatz das Erste Thema als sechzehntaktige Periode verläuft, ist für den Beginn des Schlusssatzes eine Einordnung in die Kategorien Satz bzw. Periode nicht möglich: Die Takte 232 mit Auftakt bis 239 könnten als Vordersatz gedeutet werden, jedoch würden Fortspinnung und Kadenz in T. 247 zunächst trugschlüssig enden, um dann mit neuer Motivik in der rechten Hand (Abb. 4, 1b, T. 248), die von einer abgewandelten Variante des Beginns des dritten Satzes in der linken Hand kontrapunktiert ist, fortgesetzt zu werden. Eine syntaktische Interpretation als Satz wäre damit wenig einleuchtend. In T. 254 mit Auftakt wird der Satzanfang wieder aufgenommen und führt auf einen Ganzschluss in der Ausgangstonart (fis-Moll). Letzteres geschieht im Kopfsatz in T. 24.

7) Vergleich Überleitung 1. und 3. Satz
Abb. 7: Schematische Darstellung der Harmonik der Überleitungen
im ersten Satz (a) und im dritten Satz (b)
Kreuznotenköpfe = nicht real erklingend.
Umringte Kreuznotenköpfe = nur sehr kurz real erklingend.
Große Notenköpfe = Besonders hier werden Übereinstimmungen deutlich.
Der reale Oberstimmenverlauf wurde nicht berücksichtigt.

Beiden Sätzen gemeinsam ist in der Fortsetzung[63] das durchgehend pulsierende cis, das im weiteren Verlauf dieses Überleitungsabschnitts, der schematisch in Abb. 7 dargestellt ist, zu fis (erster Satz: T. 28; dritter Satz: T. 263) wechselt. Die Takte 258 mit Auftakt bis 261 verbleiben zunächst in fis-Moll, erst die Wiederholung dieser Takte weist nach zwei Takten eine Abweichung (ab T. 263/6) auf, die gleichsam als Ausgangspunkt für den anschließenden Weg in die parallele Durtonart gesehen werden kann. Die Modulation wird dabei über beinahe dieselben Harmonien vollzogen wie in T. 31–34; selbst die Basslinie lässt Ähnlichkeiten erkennen.

Für den dritten Satz lässt sich ein Zweites Thema ab T. 270 feststellen. Dort ist die parallele Durtonart A-Dur jedoch nicht grundstellig und stabil erreicht, sondern die Dominante E-Dur als vergleichsweise labiler Sextakkord.[64] Ein a im Bass wird erst in T. 272 nachgereicht. Dadurch ist A-Dur ebenso nur angedeutet wie im ersten Satz (T. 35/3), wo das a im Bass stufenweise und nicht durch einen Quintfall angesteuert sowie der Fokus durch Figuration und Dehnung über eineinhalb Takte auf den E-Dur-Septakkord in erster Umkehrung von T. 34f. gelegt wird. Das kurze, insgesamt zweitaktige Motiv im dritten Satz (Abb. 4, 1c bzw. 2c) erscheint in den folgenden Takten aufwärts sequenziert und setzt sich, relativ frei gestaltet sowie nach cis-Moll modulierend, fort. Diese Modulation findet sich im ersten Satz an entsprechender Stelle nicht,[65] die Sequenzierung aber sehr wohl, wenn auch in anderer Gestalt zunächst abwärts und anschließend aufwärts (Abb. 2, 1c und 2c). Zudem sei auf die Ähnlichkeit der Motive mit Terz-Sekund-Strukturen und dem oberen Vorhalt hingewiesen. Damit liegt die Interpretation der Takte 35/3 bis 43 als Bereich des Zweiten Themas sehr nahe.

Diese Annahme wird außerdem durch die Interpretation der Takte 43 bis 51 bzw. 290 bis 304 als Schlussgruppen bestätigt, die durch den relativen harmonischen Stillstand und die Konzentration auf die Bestätigung der Tonart geprägt sind. Im ersten Satz pendelt die Harmonik zwischen A- und E-Dur; auf das Motiv (Abb. 2, 1b bzw. 2b, T. 43) folgt eine variierte Wiederholung mit Kadenz (T. 41–47).[66] Dieses Schema tritt direkt anschließend nochmals auf, wird jedoch nach der variierten Motivwiederholung durch eine Abspaltung (T. 49ff.) ersetzt, die in die Durchführung leitet. Im dritten Satz ist die Schlussgruppe trugschlüssig eingeführt, indem in T. 290 die Tonart A-Dur statt cis-Moll erscheint. Über dem Orgelpunkt a wird durch das Pendel einer E7– und einer A-Dur-Harmonie an diesem Trugschluss festgehalten und nach zweimaligem Anlauf beim dritten Mal eine Kadenzierung eingeleitet, der wiederum trugschlüssig im vorhergehenden Pendel mündet. Bei dieser Wiederholung setzt sich der Kadenzablauf jedoch weiter wiederholend bzw. variativ fort und endet in einer Oktavpassage mit dem Zielton cis.

Die Reprise des ersten Satzes ist im Vergleich zur Exposition verkürzt und leicht abgeändert: Die Gegenphrase in T. 93/2ff. erscheint sequenziert und mündet in T. 100 in die Oberstimmengestaltung von T. 41ff., allerdings nach Fis-Dur anstelle von A-Dur transponiert. Diese Fis-Dur-Kadenz in T. 102 ist die erste schlusskräftige Kadenz seit T. 47. Ihr folgt in Fis-Dur die zur Exposition (T. 43–48) parallele Stelle, um in T. 108, bis zu dem der Grundton fis vorenthalten bleibt, den in T. 92ff. suspendierten Nachsatz beinahe wörtlich von T. 17 bis T. 24 zu übernehmen. Dies bereitet gleichsam den Bogen vor, der den ersten Satz umspannt. Werden die hier abgewandelt wieder aufgenommenen Arpeggien des Con moto agitato – wie bei Ullrich Scheideler angedeutet – als ein eigenständiges Thema interpretiert, so wären in der Reprise die Themen vertauscht (erst B‘, dann A“).[67] Das ist zwar kein ganz ungewöhnliches Vorgehen, doch ist auch denkbar, dass die Wiederholung des Bereichs des Zweiten Themas aufgrund seiner relativen Undefiniertheit in der Reprise vermieden wird. So bliebe die Interpretation der Arpeggien als Rahmen unangetastet.

Die Analyse der Expositionen des ersten und des dritten Satzes hat gezeigt, dass dort großflächig Parallelen feststellbar sind, die eine Interpretation des Kopfsatzes als Sonatensatzform mit dem Bereich eines Zweiten Themas zulassen. Außerdem bestätigt sich die Vermutung, dass die Arpeggien des Anfangs und Schlusses im ersten Satz innerhalb der sie umschließenden Form einen neuen Abschnitt ankündigen bzw. damit gleichzeitig den vorhergehenden abschließen. Die charakteristischen Zweiunddreißigstel erscheinen als Eröffnung des Satzes – und damit noch vor dem Ersten Thema –, danach vor dem Bereich des Zweiten Themas, vor der Durchführung sowie auf dem Höhepunkt des Satzes, der über die diminuierte Rekapitulation des Ersten Themas und die Motivabspaltung aus der Schlussgruppe in die Reprise führt. Schließlich läuft der Satz in den Arpeggien – nun in Fis-Dur – aus, nicht ohne zuletzt vier Takte der Periode (T. 130–133) erklingen zu lassen.

Weitere Besonderheiten

Über die Verschleierung der Sonatensatzform hinaus führen auch weitere Aspekte – darunter beispielsweise die Taktgruppengestaltung – zu einer Anlage, die regelmäßige Strukturen verunklart. Die Besonderheiten des ersten Satzes mit seinen Verschränkungen von Exposition, Durchführung und Reprise wurde ausführlich dargestellt, weshalb an dieser Stelle noch kurz der Mittelsatz sowie der ebenso relativ ausführlich behandelte Schlusssatz betrachtet werden.

Insgesamt stellt der zweite Satz eine A–B–A‘-Form dar, wobei sich die A-Teile nochmals in eine für Menuette typische a–b–a‘-Form unterteilen lassen.[68] Im Gegensatz zu den A-Teilen ist der B-Teil sehr regelmäßig gestaltet, weshalb nicht weiter auf ihn eingegangen wird. Die Takte 135/2 (Alla breve) bis 142 (a-Teil) wurden bereits untersucht (siehe Abb. 3, 1a bzw. 1b). Das auf die Dominanttonart modulierende, siebentaktige und satzartige Gebilde weist auch bei seiner Wiederkehr ab T. 145/2 Eigenheiten auf, welche die nun reguläre Achttaktigkeit weiterhin unterwandern. Ein regulärer Satz wird im a‘-Teil durch die Abspaltung des Motivkopfs in der Phrasenwiederholung verhindert (ab T. 148/2), allerdings bleibt die Gliederung von 2 + 2 + 4 Takten erhalten. Besonders erwähnenswert sind die Takte 145f., da hier die vorhergehenden Takte des kontrapunktischen b-Teils mit dem a‘-Teil überlappen (Abb. 8). Diese Technik findet allerdings im A‘-Teil an entsprechender Stelle (T. 211f.) keine Anwendung. Stattdessen wird dort ab T. 219/2 das Tetrachord a‘ – gis‘ – fis‘ – e‘ separiert, transponiert und nach der Kadenz in T. 227 nochmals durch Viertelnoten, die durch regelmäßige Pausen unterbrochen sind, variiert. Während Mendelssohn im B-Teil des zweiten Satzes also vorrangig mittels Kontrapunkt und Motiventwicklung bzw. Fortspinnung Abwechslung erreicht, tritt in den A-Teilen ein stetiges Spiel mit der Syntax bzw. mit Taktgruppen hinzu.

8) 2. Satz b-01
Abb. 8: b-Teil des zweiten Satzes mit Überlappen des a‘-Teils.
Die Kleinbuchstaben a und b bzw. x und y beziehen sich nur auf die Motivik.
An der Symmetrieachse zeigt sich die beinahe punktsymmetrische Spiegelung.

Der dritte Satz bereitet zwar keine Schwierigkeiten, die sonatensatztypischen Formteile zu lokalisieren, doch treten hier andere Besonderheiten auf. Neben dem ungewöhnlichen, trugschlüssigen Eintritt der Schlussgruppe (T. 290) ist der Anfang der Reprise (T. 362) wie im ersten Satz (T. 84 bzw. 85) eigentümlich verschleiert und wird in beiden Fällen durch eine ansteigende Basslinie[69] vorbereitet. Über dem pulsierenden cis als Orgelpunkt im Bass beginnt die Reprise im Schlusssatz als Quartsextakkord von fis-Moll, der in T. 369 nur unzureichend aufgelöst wird: Dort erscheint zwar ein fis im Bass, aber die Töne e und g bewirken Spannungen, die sich im Nachhinein als Vorhalte zum Fis7-Akkord in T. 370 herausstellen. Auch hier erfolgt in T. 371 nur eine instabile Auflösung in den Sextakkord von h-Moll. Eine schlusskräftige Kadenz steht erst in T. 411.[70]

Fazit

Sonaten oder Phantasien (was liegt am Namen!)[71]

Robert Schumanns Diktum lässt sich auf Felix Mendelssohn Bartholdys Fantasie op. 28 übertragen. Formal steht der Kopfsatz der Fantasie einer Sonatensatzform nahe, die jedoch zugleich von Elementen eines Liedes ohne Worte durchdrungen ist. Besonders der erste Satz trägt Züge, die auch dem Genre der Fantasie zugeordnet werden können. Dabei sind vor allem die Arpeggien wesentlich, wie sie auch in Mendelssohns opp. 19,4, 30,3 und 38,4 einen »Chorsatz ohne Worte«[72] einrahmen. Ihr improvisatorischer Charakter, der am Beginn metrisch kaum greifbar ist, trägt damit der Beschreibung der »Freyen Phantasie« nach Carl Philipp Emanuel Bach Rechnung, der für dieses Genre die fehlende Takteinteilung postulierte. Darüber hinaus erfüllen die Arpeggien eine formale Funktion, da sie den Anfang eines neuen Formteils bzw. das Ende des vorhergehenden signalisieren, jedoch kommt gerade durch sie gleichzeitig der von Ferdinand Gotthelf Hand für die Fantasie geforderte ›Anschein der Zufälligkeit‹ zustande.

Auch in den anderen Sätzen lassen sich ähnlich wie im Kopfsatz mit seinem relativ undefinierten Bereich des Zweiten Themas sowie dem ›Ineinanderschieben‹ von Durchführung und Reprise Verkürzungen und Überlappungen feststellen, die den Eindruck einer formalen Unschärfe fördern. Hinzu tritt oftmals eine durch Sequenzen hervorgerufene harmonische Instabilität und Unbestimmtheit. Dennoch schafft Mendelssohn durch ein satzübergreifendes Netz von motivischen Bezügen Zusammenhalt.

All diese Parameter und auch die Kürze des Werks[73] mögen Mendelssohn bewogen haben, die Umbenennung des Opus 28 von »Sonate« zu »Fantasie« vorzunehmen. Was sich formal in den gezeigten Verschleierungstechniken von Ineinanderschieben und Verwischen klarer Grenzen andeutet, vollzieht sich letztlich auch auf der Ebene der Gattung, wenn Mendelssohn in seiner Komposition Elemente von Sonate, Fantasie und Lied ohne Worte verbindet.

Anmerkungen

[1] Die hohen Opuszahlen resultieren aus der posthumen Herausgabe der Werke durch Julius Rietz; vgl. Dietrich Kämper, Die Klaviersonate nach Beethoven. Von Schubert bis Skrjabin, Darmstadt 1987, S. 65f. sowie S. 69.

[2] Vgl. ebd., S. 70f.

[3] Auch in Mendelssohns ›Schottischer Sinfonie‹ op. 56 sollen die Sätze ohne größere Unterbrechung gespielt werden.

[4] Vgl. Ullrich Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise) fis-Moll für Klavier op. 28, in: Mendelssohn-Interpretationen, Laaber, im Druck.

[5] Felix Mendelssohn Bartholdy, Phantasie op. 28, in: Klavierwerke, Bd. 1, hrsg. von Rudolf Elvers, Ernst Herttrich und Ullrich Scheideler, München 2009, S. 163–185.

[6] Arnfried Edler, Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 3: Von 1830 bis zur Gegenwart, Laaber 2004 (Handbuch der musikalischen Gattungen 7,3), S. 54.

[7] Dagmar Teepe, 18. Jahrhundert / 19. und 20. Jahrhundert, in: Fantasie (Sp. 316–345), in: MGG2S, Bd. 3, Sp. 339.

[8] Kämper, Klaviersonate, S. 70f.

[9] Gudrun Fydrich, Fantasien für Klavier nach 1800, Diss. Frankfurt am Main 1990.

[10] Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise), im Druck.

[11] Vgl. Arnfried Edler, Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 2: Von 1750 bis 1830, Laaber 2003 (Handbuch der musikalischen Gattungen 7,2), S. 70.

[12] Carl Philipp Emanuel Bach, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen, hrsg. von Wolfgang Horn, Kassel u. a. ²2003, Teil II, S. 325.

[13] Edler, Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 2, S. 80.

[14] Zum Zusammenhang von Fantasie und Capriccio vgl. Daniel Gottlob Türk, Klavierschule, Leipzig u. a. 1789, S. 396: »Das Kapriccio […] ist ebenfalls eine Art Fantasie ohne festgesetzten Plan u. dgl.« Damit dürfte die Freie Fantasie gemeint sein, denn Türk stellt fest: »Gebunden heißen diejenigen Fantasien, in welchen eine Taktart zum Grunde liegt, wobey man sich mehr an die Gesetze der Modulation bindet, worin mehr Einheit beobachtet wird u.s.w.« (ebd.).

[15] Edler, Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 2, S. 80.

[16] Die Beschleunigung des Tempos vom ersten zum dritten Satz in Beethovens op. 27,2 lässt sich in Mendelssohns op. 28 wiederfinden. Dass Beethovens Sonate aber als Vorbild für Mendelssohns Fantasie gedient hätte, wäre nicht nachzuweisen; vgl. Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise).

[17] Zu Schubert vgl. auch Fydrich, Fantasien für Klavier, S. 174 und vor allem S. 268.

[18] Ferdinand Gotthelf Hand, Aesthetik der Tonkunst, 2 Bde., Leipzig 1837 (Bd. 1) und Jena 1841 (Bd. 2).

[19] Hand, Aesthetik, Bd. 2, S. 377f.

[20] Johann Friedrich Anton Fleischmann, Wie muss ein Tonstück beschaffen seyn, um gut genannt werden zu können?, in: AmZ 1 (1798/99), Nr. 14, Sp. 209–213, und Nr. 15, Sp. 225–228.

[21] Vgl. Alfred Ritzel, Die Entwicklung der »Sonatenform« im musiktheoretischen Schrifttum des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1968 (Neue musikgeschichtliche Forschungen 1), S. 218. Die üblichen Bezeichnungen »Exposition«, »Durchführung« und »Reprise« für die drei Teile des Kopfsatzes einer Sonate hat im deutschsprachigen Gebiet Alfred Richter (Lehre von der musikalischen Form, Leipzig 1904) zusammengeführt und Hugo Leichtentritt (Musikalische Formenlehre, ebd. 1911) im heutigen Sinne geprägt. Vgl. Markus Bandur, Sonatenform, in: MGG2S, Bd. 8, Sp. 1609.

[22] Vgl. Heinrich Birnbach, Über die verschiedene Form größerer Instrumentaltonstücke aller Art und deren Bearbeitung, in: BAmZ 4 (1827), Nr. 34, S. 269–272, hier S. 270–272, sowie S. 277–281, hier S. 277f. Vgl. Ritzel, Die Entwicklung der »Sonatenform«, S. 213–221. Der Einfluss von Birnbachs Ideen auf Adolf Bernhard Marx’ Lehre von der musikalischen Komposition (1838) war enorm, wenn auch Birnbach für das Erste und Zweite Thema noch forderte, dass sie »in karakteristischer Hinsicht übereinstimmen«: Über die verschiedene Form größerer Instrumentaltonstücke, S. 277; vgl. auch Ritzel, Die Entwicklung der »Sonatenform«, S. 223.

[23] Ebd., S. 379f.; siehe auch Heinrich Birnbach, Ueber die Form des ersten Tonstücks einer Sonate, Symphonie, eines Quartetts, Quintetts u. s. w. in der weichen Tonart, in: BAmZ 5 (1828), Nr. 14, S. 105.

[24] Hand, Aesthetik, Bd. 2, S. 298.

[25] Vgl. ebd., S. 300.

[26] Vgl. ebd., S. 299.

[27] Vgl. Edler, Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 3, S. 34f.

[28] Robert Schumann, Gesammelte Schriften über Musik und Musiker, Bd. 3, Leipzig 1854, S. 80. Schumann selbst überlegte zeitweise, seine Fantasie op. 17 »Sonate für Beethoven« zu nennen. Vgl. Nicholas Marston, Schumann: Fantasie, Op. 17, Cambridge 1992 (Cambridge Music Handbooks), S. 23.

[29] Ebd., S. 79. Schumanns Artikel Sonaten für das Clavier, aus dem auch voriges Zitat stammt, erschien am 26. April 1839 in der NZfM 10 (1839), Nr. 34, S. 134f.

[30] Schumann, Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 19.

[31] Zur Problematik, das Lyrische Klavierstück bzw. das Lied ohne Worte als eigene Gattung zu bezeichnen, siehe Edler, Gattungen der Musik: Teil 3, S. 161.

[32] Vgl. Edler, Gattungen der Musik: Teil 2, S. 257.

[33] Brief vom 15. Juni 1832, zitiert nach: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 2 (Juli 1830‒Juli 1832), hrsg. von Anja Morgenstern und Uta Wald, Kassel u. a. 2009, S. 559.

[34] Vgl. Christa Jost, Mendelssohns Lieder ohne Worte, Tutzing 1988 (Frankfurter Beiträge zur Musikwissenschaft 14), S. 11 und S. 20.

[35] Ebd., S. 72.

[36] Ebd., S. 81.

[37] Ebd., S. 74.

[38] Zum Beispiel in einem Brief an Abraham Mendelssohn Bartholdy vom 25./26. Mai 1830: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 1 (1816‒Juni 1830), hrsg. von Juliette Appold und Regina Back, Kassel u. a. 2008, S. 532.

[39] Vgl. Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise). Scheideler weist darauf hin, dass die Überschrift »Sonate écossaise« eventuell nachträglich hinzugefügt wurde. Vgl. außerdem: Mendelssohn Bartholdy, Phantasie op. 28, Kritischer Bericht von Ullrich Scheideler, S. 244.

[40] Vgl. Mendelssohn Bartholdy, Phantasie op. 28, Vorwort von Ullrich Scheideler, S. IX.

[41] Kämper, Die Klaviersonate nach Beethoven, S. 64.

[42] Vgl. Mendelssohn Bartholdy, Phantasie op. 28, Kritischer Bericht von Ullrich Scheideler, S. 244, sowie Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise).

[43] Brief vom 28./29. Dezember 1833: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 3 (August 1832‒Juli 1834), hrsg. von Uta Wald, Kassel u. a. 2010, S. 317.

[44] Mendelssohn Bartholdy, Phantasie op. 28, Vorwort von Ullrich Scheideler, S. IX.

[45] Mendelssohn Bartholdy, Briefe, Bd. 3, S. 311.

[46] »Die Musik will gar nicht rutschen ohne Dich«. Briefwechsel 1821 bis 1846 zwischen Fanny und Felix Mendelssohn, hrsg. von Eva Weissweiler, Berlin 1997, S. 164.

[47] Vgl. Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise): »Die Form […] lässt zumindest im Großen eine Nähe zur Sonate erkennen, ist das Werk doch in drei Sätze untergliedert, die zwar attacca aneinander anschließen, aber weder durch Überleitungen noch durch gemeinsame Themen oder Motive miteinander verbunden sind.«

[48] Dagmar Teepe, im Artikel Fantasie in MGG2S, Sp. 339.

[49] Kämper, Die Klaviersonate nach Beethoven, S. 71.

[50] Arnfried Edler, Gattungen der Musik: Teil 3, S. 54.

[51] Innerhalb der harmonischen Quintfallsequenz ist nur jede zweite Station grundstellig.

[52] Damit ist die Umkehrung des üblicherweise fallenden Parallelismus gemeint. In A-Dur ergäbe das fallende Modell die Harmoniefolge: A – E – fis – cis. In T. 37–39 verkehrt sich dies zu cis – fis – E – A. Der »steigende Parallelismus« bietet zudem eine einfache und gängige Möglichkeit, von einer Molltonart in die parallele Durtonart zu modulieren. Entsprechend wäre sie bereits in T. 32f. zu erwarten gewesen, wo er aber zugunsten eines ansteigen Fauxbourdon in der linken und einer entgegenlaufenden Linie mit Vorhalten in der rechten Hand nicht erscheint.

[53] Zur Form des zweiten Satzes siehe Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise).

[54] In Abb. 4, 2b ist dies mittels Kreuznotenköpfen dargestellt.

[55] Vgl. Birnbach, Über die verschiedene Form größerer Instrumentaltonstücke, S. 270ff. und S. 277f.

[56] Ullrich Scheideler (Fantasie (Sonate écossaise)) gliedert den dritten Satz in Exposition: T. 232‒304; Durchführung: T. 304‒363; Reprise: T. 363‒430; Koda: T. 431‒468.

[57] Zu dieser formalen Interpretation vgl. ebd.

[58] Vgl. ebd.

[59] In Bezug auf Schumann und die Verbindung von Einzelsätzen schreibt Gudrun Fydrich: »Da Schumann sich die Gestaltung größerer Formen über das kurze Klavier- und Charakterstück erarbeitet, finden wir während seiner Klavierdekade nur in den Intermezzi op. 4 ›Attacca‹-Vorschriften«: Fantasien für Klavier, S. 176f. Es ist möglich, dass beim Auffinden individueller Formlösungen kleiner dimensionierte Formate auch bei Mendelssohn für größer angelegte Formen Vorbild waren.

[60] Eine Dreiklangsbrechung eröffnet auch Mendelssohns Fantasie über das irländische Lied »The Last Rose of Summer« op. 15. Zudem findet sich dort ebenfalls das Thema in akkordischer Begleitung und in der rechten Hand z. B. in T. 29ff. eine Motivik, die der von Abb. 2, 1b, T. 11 nahe steht.

[61] In den Durchführungen sind Ähnlichkeiten weit weniger ausgeprägt, wenn auch beispielsweise dem Bereich um Gis-Dur und damit der Doppeldominante in beiden Sätzen breiter Raum eingeräumt wird (erster Satz: T. 73‒76; dritter Satz: T. 339‒345). Zudem führt die Dominante Cis-Dur zurück in die Ausgangstonart fis-Moll. Auch dies ist einerseits eine Gemeinsamkeit zwischen den Durchführungen des ersten und dritten Satzes, andererseits entspricht dies der Harmoniefolge, wie sie in den Takten 1 bis 9 (vgl. Abb. 1b) erscheint.

[62] Gleichfalls besteht die »rauschende« Einleitung von Abb. 1, wie erwähnt, aus Akkordbrechungen. Auch sie könnte mit den Sechzehnteln, die allerdings den gesamten dritten Satz prägen, in Verbindung gebracht werden.

[63] Auf eine Ähnlichkeit des motivischen Materials sei nochmals verwiesen: Vgl. Abb. 2, 2b, T. 25 und Abb. 4, 2b.

[64] Dies entspricht einem Halbschluss in der Nebentonart; vgl. auch Birnbach, Über die verschiedene Form größerer Instrumentaltonstücke, S. 271.

[65] Cis-Dur wird in T. 37 lediglich peripher berührt.

[66] Birnbach fordert für den »Koda«-Teil (bei mir: »Schlussgruppe«), »das Gehör in Ruhe zu bringen« und Modulationen zu vermeiden: Über die verschiedene Form größerer Instrumentaltonstücke, S. 278. Mendelssohn setzt dies durch die Pendelharmonik um.

[67] Vgl. Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise), im Druck.

[68] Joseph Riepel schreibt, »ein Menuet« sei »der Ausführung nach, nichts anders […] als ein Concert, eine Arie oder Simpfonie«: Anfangsgründe zur musicalischen Setzkunst, Regensburg und Wien 1752, S. 1. Formal entsprechen die A-Teile des zweiten Satzes mit ihrer Gliederung a–b–a‘ einem Menuett. Ist nun a die Exposition, b die Durchführung und a‘ die Reprise, so entsteht, wie Abb. 8 zeigt, eine Verknüpfung von b und a‘, also von Durchführung und Reprise. Genau dies findet sich an entsprechenden Stellen im ersten und dritten Satz.

[69] Im ersten Satz ab T. 83, im dritten Satz ab T. 357.

[70] An dieser Stelle ist in der Exposition des dritten Satzes der trugschlüssige Einsatz der Schlussgruppe zu finden.

[71] Schumann, Gesammelte Schriften, Bd. 3, S. 80.

[72] Christa Jost gebraucht für die genannten Stücke den Begriff »Chorlied ohne Worte«: Mendelssohns Lieder ohne Worte, S. 81.

[73] Scheideler, Fantasie (Sonate écossaise), im Druck.

 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Edition

Mendelssohn Bartholdy, Felix: Phantasie op. 28, in: Klavierwerke, Bd. 1, hrsg. von Rudolf Elvers, Ernst Herttrich und Ullrich Scheideler, München 2009, S. 163–185.

Quellen

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen, Faksimile-Reprint der Ausgaben Teil I, Berlin 1753 und Teil II, Berlin 1762, hrsg. von Wolfgang Horn, Kassel u. a. ²2003.

Birnbach, Heinrich: Über die verschiedene Form größerer Instrumentaltonstücke aller Art und deren Bearbeitung, in: Berliner allgemeine musikalische Zeitung 4 (1827), Nr. 34, S. 269–272, und Nr. 35, S. 277–281.

Ders.: Ueber die Form des ersten Tonstücks einer Sonate, Symphonie, eines Quartetts, Quintetts u. s. w. in der weichen Tonart, in: dass. 5 (1828), Nr. 14, S. 105–108.

Fleischmann, Johann Friedrich Anton: Wie muss ein Tonstück beschaffen seyn, um gut genannt werden zu können?, in: AmZ 1 (1798/99), Nr. 14, Sp. 209–213, und Nr. 15, Sp. 225–228.

Hand, Ferdinand Gotthelf: Aesthetik der Tonkunst, 2 Bde., Leipzig 1837 (Bd. 1) und Jena 1841 (Bd. 2).

Mendelssohn Bartholdy, Felix: Sämtliche Briefe, Bd. 1 (1816‒Juni 1830), hrsg. von Juliette Appold und Regina Back, Kassel u. a. 2008.

Ders., Sämtliche Briefe, Bd. 2 (Juli 1830‒Juli 1832), hrsg. von Anja Morgenstern und Uta Wald, ebd. 2009.

Ders.: Sämtliche Briefe, Bd. 3 (August 1832‒Juli 1834), hrsg. von Uta Wald, ebd. 2010.

Ders.: »Die Musik will gar nicht rutschen ohne Dich«. Briefwechsel 1821 bis 1846 zwischen Fanny und Felix Mendelssohn, hrsg. von Eva Weissweiler, Berlin 1997.

Riepel, Joseph: Anfangsgründe zur musicalischen Setzkunst, Bd. 1, Regensburg und Wien 1752.

Schumann, Robert: Sonaten für das Clavier, in: NZfM Bd. 10 (1839), Nr. 34, S. 134f.

Ders.: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker, 4 Bde., Leipzig 1854.

Türk, Daniel Gottlob: Klavierschule, oder Anweisung zum Klavierspielen für Lehrer und Lernende, Leipzig u. a. 1789.

Literatur

Bandur, Markus: Sonatenform, in: MGG2S, Bd. 8, Sp. 1607–1615.

Edler, Arnfried: Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 2: Von 1750 bis 1830, Laaber 2003 (Handbuch der musikalischen Gattungen 7,2).

Ders.: Gattungen der Musik für Tasteninstrumente. Teil 3: Von 1830 bis zur Gegenwart, Laaber 2004 (dass. 7,3).

Fydrich, Gudrun: Fantasien für Klavier nach 1800, Diss. Frankfurt am Main 1990.

Jost, Christa: Mendelssohns Lieder ohne Worte, Tutzing 1988 (Frankfurter Beiträge zur Musikwissenschaft 14).

Kämper, Dietrich: Die Klaviersonate nach Beethoven. Von Schubert bis Skrjabin, Darmstadt 1987.

Marston, Nicholas: Schumann: Fantasie, Op. 17, Cambridge 1992 (Cambridge Music Handbooks).

Ritzel, Alfred: Die Entwicklung der »Sonatenform« im musiktheoretischen Schrifttum des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1968 (Neue musikgeschichtliche Forschungen 1).

Scheideler, Ullrich: Fantasie (Sonate écossaise) fis-Moll für Klavier op. 28, in: Mendelssohn-Interpretationen, Laaber, im Druck.

Teepe, Dagmar: 18. Jahrhundert und 19. und 20. Jahrhundert, im Artikel Fantasie (Sp. 316–345), in: MGG2S, Bd. 3, hier Sp. 336–341.


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