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TV-Musik: »Star Trek«

Alessa Harden

Star Trek – Zukunftsmusik? 

Die Serie Star Trek fasziniert seit über 50 Jahren viele Fans, Hobby-Philosophen und auch MusikwissenschaftlerInnen. Der Erfolg von Star Trek zeigt, dass die Ideen und Konzepte der Produzenten und Showrunner über zukünftige menschliche und nicht-menschliche Lebensweisen auf eine Übereinstimmung beim Publikum zu stoßen schienen und scheinen. Insbesondere umfangreiche Themen wie »Zukunft« lassen keine komplett subjektiven Einschätzungen zu. Die Konzeption des Star-Trek-Universums kann deshalb Schlaglichter auf heutige Vorstellungen von Zukunft werfen.

Aus musikwissenschaftlicher Perspektive ist in erster Linie natürlich der Gegenstand »Musik« von Interesse. Deshalb wird im Folgenden der Frage nachgegangen, was die Serie Star Trek über zukünftige Musik aussagt. Dabei wird sich methodisch aus zwei Perspektiven der Fragestellung genähert. Zunächst werden die musikalischen Intros der sechs Realfilmserien vergleichend analysiert:

  • Star Trek: The Original Series (1966–1969, Komponist der Titelmusik: Alexander Courage)
  • Star Trek: The Next Generation (1987–1994, Komponist der Titelmusik: Jerry Goldsmith)
  • Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999, Komponist der Titelmusik: Dennis McCarthy)
  • Star Trek: Voyager (1995–2001, Komponist der Titelmusik: Jerry Goldsmith)
  • Star Trek: Enterprise (2001–2005, Komponistin der Titelmusik: Diane Warren)
  • Star Trek: Discovery (seit 2017, Komponist der Titelmusik: Jeff Russo)

Als zweiter Anhaltspunkt wird das diegetische Musikverständnis anhand eines konkreten Beispiels und zweier weiterer Beobachtungen untersucht. Dabei kann diese Analyse und Untersuchung nur exemplarisch arbeiten und die »Zukunftsmusik« von Star Trek nicht bis ins Letzte durchdringen.

Intros

Jede Folge jeder Serie wird nach dem Cold Open mit einem Intro eingeleitet, welches zwischen einer und zwei Minuten lang ist. Insgesamt ähneln sich die Intros in ihrem Klangbild und weisen auch weitere Gemeinsamkeiten auf: Die Stücke sind meist für ein symphonisches Orchester komponiert und klingen ›romantisch‹, orchestral. Passend dazu ist auch die Harmonik tonal. Elektroakustische Klänge werden selten genutzt. Auch ist der Formaufbau der Intros ähnlich: Einer langsamen Einleitung, die mit der wohlbekannten Bläserfanfare endet, folgt ein rhythmischer Hauptteil, der lautstark abgeschlossen wird.

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Melodik, Harmonik und Instrumentation rufen klare Assoziationen von Aufbruch und majestätischem Abenteuer hervor. Die Zukunft scheint mit einem positiven Bild verknüpft zu sein und ist musikalisch fast identisch mit der Vergangenheit.

Konkreter können die eben genannten Merkmale an der Komposition von Alexander Courage für die erste Star-Trek-Serie festgemacht werden. Alle späteren Intro-Kompositionen beziehen sich entweder in Anlehnung oder Abgrenzung zu dieser ersten Komposition und rufen mit ähnlichen Mitteln ähnliche Assoziationen hervor.

Courage komponierte den Beginn dieses Intros mit sphärischen, metrumlosen Klangflächen und einem darüber liegenden Motiv aus: Quarte abwärts, kleine Terz aufwärts, kleine Sexte abwärts, welches von Querflöte und einem perkussiven Element unisono gespielt wird. In der Forschung[1] wird dieser Beginn mit dem Anfang von Gustav Mahlers erster Symphonie und der antiken Vorstellung der Sphärenmusik verglichen: Der Klang des Weltraums wird eingefangen und auditiv dargestellt. Bevor nun der rhythmisch bewegtere Abschnitt beginnt, erklingt ein weiteres Motiv in den Blechblasinstrumenten, das klassisch mit Aufbruch und Abenteuer assoziiert wird. Diese sehr bekannte Fanfare wird auch in späteren Serien regelmäßig zitiert.

Bei Betrachtung aller Intros fällt eine Komposition besonders heraus: Das Intro zu Star Trek: Enterprise aus den Jahren 2001 bis 2005. Auffällig ist zunächst einmal, dass das Stück von einer Komponistin, Diane Warren, geschrieben wurde. Danach fällt auf, dass das Intro als Pop-Song (Where My Heart Will Take Me) vollständig mit Text unterlegt ist. Die Instrumentation ist einer Pop-Band ähnlich: akustische Gitarre, E-Gitarre, Schlagzeug, elektronische Effekte und ein Cello-Klang zu Beginn begleiten den Gesang und bilden den Einstieg in die Serie. Es lässt sich aus der stilistischen Neugestaltung sowohl des Musikalischen als auch des Visuellen schließen, dass andere Assoziationen und Empfindungen hervorgerufen werden sollen als in den älteren Serien. Vermutlich sollen sich die ZuschauerInnen stärker mit dem Star-Trek-Universum identifizieren, weil durch den Pop-Song und den visuellen Zusammenschnitt von als wichtig für die Menschheitsgeschichte gedeuteten Ereignissen wie der Mond-Mission die Welt von Star Trek: Enterprise in eine den ZuschauerInnen nahe, authentische Menschheitsgeschichte eingebettet wird. Pathetische Emotionalisierung bestimmt das Intro und somit auch den ersten Eindruck der Serie.

Das diegetische Musikverständnis in Star Trek

Diegetische Musik[2] spielt insbesondere in den jüngeren Star-Trek-Serien keine große Rolle. In den ersten Serien wird jedoch häufiger musiziert und gesungen: Beispielsweise spielt Spock, der vulkanische Erste Offizier der Enterprise in Star Trek: The Original Series, Instrumente, u. a. die Vulkanische Harfe und Klavier. In der zweiten Serie Star Trek: The Next Generation finden regelmäßig Kammermusikkonzerte statt, die im Folgenden exemplarisch erläutert werden.

Es musizieren und singen nicht nur menschliche Crewmitglieder, sondern auch nicht-menschliche Völker werden mit Musik inszeniert und charakterisiert. In der Folge The Way to Eden von Star Trek: The Original Series (S03E20) ist ein unbekanntes Volk zu Gast auf der Enterprise, welches auf der Suche nach dem Planeten »Eden« ist. Dabei ist dieses Volk kulturell mit großen Ähnlichkeiten zur Hippie-Kultur inszeniert und singt einige Male auf der Enterprise. Die Musik orientiert sich dabei an den in den 1960er Jahren populären Tanzmusikstilen.

Auch in den neueren Serien sind immer wieder popkulturelle Referenzen zu finden, so in der neuesten Serie Star Trek: Discovery, in der Folge T=Mudd² (S01E07). Auf dem Raumschiff Discovery wird eine Party gefeiert. Dieses Fest wird mit Musik umrahmt, die unserer heutigen Musik zu solchen Anlässen sehr ähnlich ist: HipHop und alte Songs der Bee Gees (Stayin’ alive) sorgen für eine uns direkt vertraute und nachvollziehbare Stimmung.

Auch zu formellen Anlässen wird Musik gespielt. In der Folge Sarek aus Star Trek: The Next Generation (S03E23) wird zum Empfang eines Botschafters der Vulkanier ein Festakt organisiert. Ein Kammermusikensemble spielt zur Begrüßung den ersten Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett Nr. 19 C-Dur KV 465 und den zweiten Satz aus Johannes Brahms’ Sextett Nr. 1 op. 18 B-Dur. Dabei imitiert der Androide Data, ein Crewmitglied der Enterprise, berühmte Violinisten der Vergangenheit und Zukunft. Der Clou dieser Szene ist, dass der vulkanische Botschafter Sarek zu weinen beginnt, obwohl Vulkanier nach dem gängigen Wissen nur rational denken und handeln. Der Grund des Gefühlsausbruchs wird mit der gespielten Musik in Verbindung gebracht.

Zu betonen ist, dass die dargestellten, zukünftigen Welten mit vielen musikalischen Aspekten zusammengebracht werden, die aus unserer heutigen musikalischen Lebensrealität stammen und dem heutigen Publikum deshalb sehr bekannt und geläufig sind.

* * *

In den Star-Trek-Serien ist der Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens das Thema Zukunft und die Frage, wie man sich die menschliche Entdeckung und Verteidigung des Weltraums in 200 Jahren vorstellen kann. Dabei trifft die Serie einige Aussagen, welche die Zukunftsvorstellungen zur Musik betreffen.

Die Ideen von Star Trek über zukünftige Musik – geschlussfolgert aus den Intros, dem diegetischen Musikverständnis und dem daraus abzuleitenden Verhältnis von Musik und Mensch – sind konventionell und konservativ. Star Trek hätte eine Plattform bieten können, sich auch mit avantgardistischen, neuen Vorstellungen über Musik zu beschäftigen, jedoch ist dieses Potenzial nicht ausgeschöpft worden.

Die Intros orientieren sich an konventioneller Film- und Serienmusik und nehmen keine neuen musikalischen Ideen auf, obwohl auch die konventionellen Ideen, wie beispielsweise die Bläserfanfare, zum Teil sehr spannend sind und sicher zum Erfolg der Serie beigetragen haben. Aus dem dargestellten Musikverständnis ist abzuleiten, dass uns heute bekannte Musik sowohl im formellen (der Diplomatenempfang der Vulkanier) als auch im lockeren Kontext (Party auf der Discovery) aufgegriffen und leicht an die Umgebung angepasst wird, sodass dann doch der Unterschied von »Jetzt« und »Zukunft« deutlich wird.

Klassische Musizierpraxen (beispielsweise das Kammermusikkonzert) und heute berühmte klassische Musik werden auch in der Zukunft zu wichtigen Veranstaltungen eingesetzt. Selbst androide Geschöpfe werden dementsprechend programmiert, dass sie die Fähigkeit des Instrumentenspiels beherrschen. Die »Zukunftsmusik« ist stark von unserem heutigen Musikverständnis geprägt. Folglich werden auch nicht menschliche Völker wie die Vulkanier und das Hippie-Volk mit europäischen Musikpraxen inszeniert: Die Autoren und Komponisten der Serie lösen sich nicht von einem menschenzentrierten und traditionell-europäischen Konzept von Musik.

Wie Jerry Goldsmith, der Komponist von Star Trek: The Next Generation und Star Trek: Voyager, angibt, ist die Musik als Mittel zu verstehen, welches das Publikum an die Serie bindet.[3] Es gab bei den Produzenten und Showrunnern der Serien die Befürchtung, dass die dargestellte Lebensrealität der Zukunft abschreckend auf das Publikum wirken könnte. Durch bekannte musikalische Zeichen werden die ZuschauerInnen jedoch abgeholt und können sich emotional zuhause fühlen.

 

Nachweise

[1] Markus Heuger, Christoph Reuter, Zukunftsmusik?, S. 6.

[2] »Als ›diegetic sound‹ wird die diejenige Form des Filmtons bezeichnet, die zur filmischen Erzählung unmittelbar gehört: ›If the source of a sound is a character or object in the story space of the film, we call the sound diegetic […]‹ (Bordwell / Thompson, Fundamental Aesthetics of Sound in the Cinema, S. 191)«: Panja Mücke, Diegetic Music, S. 123.

[3] Vgl. Markus Heuger, Christoph Reuter, Zukunftsmusik?, S. 5.

 

Quellen und Literatur

Heuger, Markus; Reuter, Christoph: Zukunftsmusik? Science Fiction-Soundtracks und die Vorstellungen vom zukünftigen Musikleben: Das Beispiel Star Trek, in: Musik im virtuellen Raum, hrsg. von Bernd Enders und Joachim Stange-Elbe, Osnabrück: Rasch 2000 (Musik und Neue Technologie 3), S. 207–225.

Mücke, Panja: Diegetic Music, in: Lexikon der Filmmusik. Personen – Sachbegriffe zu Theorie und Praxis – Genres, hrsg. von Manuel Gervink und Matthias Bückle, Laaber: Laaber 2012, S. 123f.

suatrilha: Star Trek – A Tribute to Jerry Goldsmith (1929–2004) 1/2, 14. Februar 2009, <www.youtube.com/watch?v=qbXeIPbcHQc> (Abruf am 6. Januar 2017).

suatrilha: Alexander Courage Part 2 of 2, 17. Februar 2009, <www.youtube.com/watch?v=Ad8-bJhl7Do&list=PLD67D9C84D8955B12> (Abruf am 6. Januar 2017).

 


3 Kommentare

  1. […] a common origin in the work of Sir Arthur Conan Doyle. The presentations on Mad Men and Star Trek present interesting comparative perspectives on the relationship of series music to the concept of […]

  2. […] TV-Musik: »Star Trek« « Musikwissenschaft Leipzig (musikwissenschaft-leipzig.com) […]

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Moritz Kelber

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