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TV-Musik: Nachrichten

Paul Weinhold

Musik in Nachrichtensendungen

Nachrichtensendungen im Fernsehen folgen mit wenigen Unterschieden einem ähnlichen, wenn nicht sogar gleichen Aufbau. Unterscheiden kann man sie hinsichtlich ihrer Sendezeit oder dem Radius ihrer Themen (lokal, national, international). Aufgrund der großen Anzahl an Nachrichtensendungen wird bei der folgenden Betrachtung kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Ergebnisse der Recherche treffen sicherlich nicht auf alle Nachrichtensendungen zu, wohl aber auf eine bedeutende Mehrheit.

Die Sendungen lassen sich in eine Eröffnungssequenz, Live-Moderationen, die einzelnen Beiträge und den Abspann unterteilen. Formate mit einer Dauer von mehr als 15 Minuten lassen sich in den meisten Fällen zusätzlich innerhalb der Moderation thematisch unterteilen, so werden häufig die Resorts Sport und Wetter von der restlichen Sendung abgehoben.

Die Unterteilung der Sendung findet auch auf der auditiven Ebene statt. Während der Live-Moderationen sind weder Musik noch atmosphärische Geräusche zu hören.[1] Der Verzicht auf Hintergrundmusik lässt den gesprochenen Inhalt so wichtig erscheinen, dass er keine Ablenkung zulässt. Der Zuschauer soll sich voll und ganz auf die Moderation konzentrieren können.

Zusätzlich verstärkt die Abwesenheit von Hintergrundmusik die Abgrenzung der Moderation von anderen Teilen der Sendung, die mit Musik oder atmosphärischen Geräuschen unterlegt sind. Ein Beispiel für diese auditive Abgrenzung sind die US-amerikanischen CBS Evening News. Sie folgen dem konventionellen Aufbau einer Nachrichtensendung und verzichten somit auf Musik während der Moderation. Allerdings wird am Ende der Sonntagsausstrahlung ein einzelner Beitrag hervorgehoben: In der On the Road betitelten Rubrik wird zum Abschluss der Woche ein heiterer Beitrag aus dem Alltagsleben gezeigt, der keine politische Relevanz hat. Die Anmoderation dieses Beitrags ist mit Musik untermalt.

In FOX News Sunday wird der letzte Beitrag der Sendung durch eine spezielle Eröffnungssequenz eingeleitet. Diese Eröffnungssequenz hebt den Beitrag nicht nur auditiv, sondern auch visuell vom Rest der Sendung ab. So verhält es sich auch mit der Eröffnungssequenz einer ganzen Sendung.

Die Eröffnungssequenz führt dazu, dass der Rezipient die Sendung als Nachrichtenformat identifizieren kann, auch wenn die konkrete Sendung unbekannt ist; sie hebt die Nachrichtensendung vom restlichen Programm ab. Dazu bedienen sich Nachrichtensendungen eines immer ähnlichen Corporate Designs: Die häufig in Blau oder Rot gehaltenen Animationen nutzen Motive wie eine Weltkugel, ein Ziffernblatt oder endlose Linien bzw. Raster. Zusätzlich werden, insbesondere bei Lokalnachrichten, teilweise auch Aufnahmen bekannter Orte oder Wahrzeichen gezeigt (zum Beispiel in den britischen ITV News). Eingebettet in diese Animationen werden häufig kurze Momente aus den Beiträgen der Sendung gezeigt. Dies kann aber auch isoliert vor oder nach den Animationen stattfinden. Der schnelle Schnitt und überraschende Wechsel zwischen formattypischer Animation und Realfilm lässt einen Zuschauer die Eröffnungssequenz auf visueller Ebene dem Format Nachrichtensendung zuordnen.

Auch auf auditiver Ebene gibt es Gemeinsamkeiten der Eröffnungssequenzen. Jede Sendung hat ihr eigenes musikalisches Thema, das in der Eröffnungssequenz erklingt. Trotz der großen Vielfalt an Nachrichtensendungen bedienen sich die Produzenten hierbei stets derselben musikalischen Mittel.[2] So wird beispielsweise das einem Morsezeichen nachempfundene Piepen auf verschiedene Art und Weise in die Musik integriert. Häufig wird es als Countdown (zum Beispiel DR TV Avisen, Dänemark) oder als melodisches Motiv (zum Beispiel RTL Nieuws, Niederlande) verwendet. Es kann aber auch als reine Klangfarbe ohne rhythmische Information auftreten (zum Beispiel LE 19:45, Frankreich). Das Thema wird in den meisten Fällen von Blechbläsern oder ähnlichen klingenden Synthesizern gespielt und hat Fanfarencharakter. Zusätzlich erzeugen Streicherflächen oder Tremoli Spannung. Die Instrumentation ist dem Symphonieorchester nachempfunden. Es werden aber auch synthetische Soundeffekte eingesetzt, die in der Regel mit den Animationen korrelieren, etwa der »Headline«- oder »Bulletin«-Sound, der eine Schlagzeile mit einer Art Tusch untermalt. In anderen Fällen ist die Instrumentation rein synthetisch. Generell verzichtet wird auf Gesang; gesprochener Text, in dem der Titel oder/und das Datum genannt wird, ist dagegen üblich. Diese Merkmale sorgen dafür, dass der Zuschauer auch auf rein auditiver Ebene die Sendung dem Format Nachrichten zuordnen kann. Zugleich etabliert die Eröffnungssequenz ein auditives Corporate Design.

Im Abspann erklingt das Thema in der Regel nochmals identisch oder leicht verändert, meist aber verkürzt. Visuell wird dabei auf den schnellen Schnitt und die Bildmontage aus den Beiträgen verzichtet.

Innerhalb der Beiträge kommt Musik nur intradiegetisch vor, wenn zum Beispiel über ein Konzert oder Ähnliches berichtet wird. Während Graphiken eingeblendet sind, wird auf Hintergrundmusik verzichtet, um die Bilder nicht subtil zu bewerten.[3] Die teils statischen Bilder eines Beitrags werden mit atmosphärischen Geräuschen statt mit Musik untermalt. Dies ist auch eine Konsequenz der Produktionsweise, da Aufnahmen (beispielsweise von Gebäuden) teilweise aus dem Archiv stammen und mit aktuellen Aufnahmen, die eine authentische akustische Atmosphäre haben, vermischt werden.

Musik in Nachrichtensendungen tritt also fast ausschließlich in der Eröffnungssequenz und im Abspann auf. Gründe für den Verzicht auf Musik während der Moderation und in den Beiträgen können die wertende Funktion von Musik oder die drohende Ablenkung von anderen Inhalten sein. Gleichzeitig setzen einzelne Produzenten Musik in der Moderation bewusst ein, um einen Beitrag vom anderen abzuheben. In der Eröffnungssequenz dient die Musik der Lenkung der Aufmerksamkeit, der Etablierung eines Corporate Designs und der Abhebung der Sendung vom umliegenden Programm.

 

Weitere Quellen

NBC Nightly News Intro/Outro: <https://www.youtube.com/watch?v=L8Fv4lmvnFU>

Diverse europäische Eröffnungssequenzen: <www.youtube.com/watch?v=eyCDagFLW3M>

 

Nachweise

[1] In einzelnen Fällen klingt die Musik der Eröffnungssequenz noch während der Begrüßung durch den Moderator aus. Dies bezeichne ich nicht als Hintergrundmusik, da die Dauer zu kurz ist und man hier eher von einer Überschneidung der Musik und der Moderation sprechen kann.

[2] Neben Auftragskompositionen wird vor allem sog. »Library Music« bei der Produktion von Fernsehsendungen verwendet. Diese vorgefertigten Stücke werden ohne Kenntnis der späteren Verwendung komponiert und dann mit Schlagwörtern versehen, nach denen ein Produzent in Libraries wie Extreme Production Music oder Sonoton Production Music suchen kann.

[3] Dies wird vor allem deutlich, wenn man eine Nachrichtensendung mit dem Anspruch hat, möglichst unvoreingenommen zu informieren, mit einem wertenden Politmagazin vergleicht; vgl. Peter Moormann, Subtile Manipulation? Zur Musikgestaltung von Politmagazinen.

 

Literatur

Moormann, Peter: Subtile Manipulation? Zur Musikgestaltung von Politikmagazinen, in: Musik im Fernsehen. Sendeformen und Gestaltungsprinzipien, hrsg. von dems., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S. 83–90.

Lämmle, Kathrin; Wagenknecht, Andreas: Die Melodien der Kultur und die Geräusche der Politik. Zur Stellung und Funktion von Musik und Sound in Eröffnungssequenzen von Fernsehmagazinen, in: Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, <www.filmmusik.uni-kiel.de/kielerbeitraege3/KB3-LaemmleWagenknecht.pdf>, 2009.

 


1 Kommentar

  1. […] the context of television. Ranging from the problems of library music in documentary film and the limitation of news music to the program’s opening, to the ability of leitmotifs to anticipate plot developments in Game of Thrones and the […]

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Moritz Kelber

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